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Louis l’Explosé
ОглавлениеFrankreich und Europa werden 47 Jahre lang militärisch in Atem gehalten, um weder Zeit noch Kraft zu bekommen, Ludwig dem Vierzehnten Abstammungsfragen zu stellen:
1667/68 sogenannter Devolutionskrieg gegen Spanien, geführt im spanisch besetzten Flandern und Burgund. Louis XIV behauptete zu Anfang seiner Militäraktionen, er habe ein Recht, die Fürstenthrone in den überfallenen Gebieten zu besetzen.
1670 Einfall in Lothringen, Vertreibung des dort rechtmäßig regierenden Herzogs. Fast 30 Jahre erzwungene französische Fremdherrschaft über Lothringen (bis 1697).
1672–1678 Französisch-niederländischer Krieg. Zehn Jahre zuvor, 1662, hatte der noch nicht verrückte Ludwig der Vierzehnte eine Defensiv-Allianz mit den Niederlanden geschlossen. Anlass zum Einmarsch 1672 war nichts anderes als Ärger Ludwigs über das prosperierend-vive, protestantisch selbstbewusste kleine Land über seinem »Kopf«. Der Krieg hätte fast zur Auslöschung der holländischen Selbstständigkeit geführt, was nur durch eine niederländische Volkserhebung verhindert werden konnte, wonach es 1679 zum Frieden von Nimwegen kam.
1679 und in den folgenden Jahren eignet sich Louis XIV mehr als 600 Städte und Dörfer im Elsass und in Lothringen an, deren behauptete Zugehörigkeit zu Frankreich Louis durch neu installierte französische Sondergerichte (»chambres de réunion«!) bestätigen lässt.
1681 Annektierung Straßburgs. Aneignung der norditalienischen Festung Casale, die ein günstiger militärischer »Knotenpunkt« ist.
1684 Besetzung Luxemburgs und Triers.
In diesem Jahrzehnt »Subsidien-« = Beistands-Verständigungen mit der Türkei, die gegen das deutsch-römische Kaiserreich anrückt und erst vor Wien am 12. September 1683 zurückgedrängt werden kann. Mit der türkischfranzösischen Umklammerung zwingt Louis XIV den Kaiser, Leopold I., die französischen Annektierungen von Elsass-Lothringen im Regensburger Stillstandsabkommen vom 15. August 1684 zu akzeptieren!
Ab 1685 »Endkampf« gegen die französischen Protestanten:
18. 10. 1685 Rücknahme-Edikt von Fontainebleau, Widerruf des Toleranzedikts von Nantes (13. 4. 1598) – Zerstörung der Ausgleichspolitik von Henri IV – Totalverbot des Protestantismus bei gleichzeitigem Verbot der Auswanderung der noch eine Million in Frankreich lebenden reformatorisch Gläubigen, genannt »Hugenotten«, von denen 500000 in die Niederlande, die Schweiz, nach England, Nordamerika, Skandinavien und Brandenburg fliehen. Zu Zeiten des Königs Henri IV (1589–1610) war ein Sechstel der französischen Bevölkerung protestantisch, das heißt über drei Millionen. In Berlin ist infolge der Louis sehen »Ausmistungen« mehr als ein Drittel der Bevölkerung hugenottisch. Louis’s Terror-Aktionen – genannt »Dragonaden« – beginnen 1680 mit Einquartierungen von Soldaten in Protestanten-Häusern. Der Armee ist alles erlaubt, von Schikane über Gewalttat bis zu Mord.
Nach fünf Jahren Auslöschung der Protestanten in Frankreich: »Aufreibung« der letzten Hugenottensiedlungen mit Massenfolterungen und Tausenden von quälerischen Tötungen, die Louis XIV seinem verlängerten Ich, dem Kriegsminister Louvois und dessen Destru-Mannen, ab 1685 zu verüben gebietet. – Am zähesten der Widerstand der »Camisards« (der Bloß-»Hemden«) – der Bauern in den Cevennen und im Languedoc – von 1702 bis 1710, den die Louis’sche Armee, auch für Einsätze im Inneren des Landes gedrillt, erst nach acht Jahren »zum Schweigen« bringen kann (Abb. 25).
1688–1697 Pfälzischer Krieg. Louis XIV marschiert in Süddeutschland ein, weil er dubiose Erbansprüche auf die Pfalz militärisch expansiv durchreißen will. Jahrelanger Stellungs- und Belagerungskrieg. Nur durch die Verbündung Spaniens, Englands, der Niederlande, Savoyens und deutscher Fürsten mit dem österreichischen Kaiser gelingt es den Alliierten, Louis XIV zurückzuschlagen. »Verbrannte Erde« in Südwestdeutschland.
1692 Ludwigs Versuch einer Invasion in das papstunabhängige England wird in der Seeschlacht am Cap de La Hague (an der französischen Küste im Atlantikkanal) zum Scheitern verurteilt. Vernichtende Niederlage der französischen Flotte, Louis muss den Frieden von Rijswijk hinnehmen (1697).
Beim Rückzug aus Südwestdeutschland werden unter anderem Heidelberg und Speyer zerstört, vor allem hat es Louis XIV auf die Kaisergräber im Dom zu Speyer abgesehen, die er schleifen lässt.
Die europäischen Fürsten beginnen, sich gegen die von den Louvois-Soldaten verübten sogenannten Gräuel zu äußern, so dass Louis XIV gezwungen wird, von seiner geplanten »Schleifung« Triers Abstand zu nehmen.
1701–1714 Spanischer Erbfolgekrieg. Absicht Louis’, die 200-jährige enge Verbindung zwischen Spanien und Österreich zu zerschneiden, die sich bis zum Aussterben der Habsburger-Dynastie der spanischen Könige von Generation zu Generation miteinander verbunden hatten. 1700 war der letzte Habsburg-spanische König Karl II. gestorben, ohne Kinder zu hinterlassen.
Ab 1705 endgültiger »Garaus«, den Louis XIV den Jansenisten bereitet, einer reformatorischen Untergruppe, die sich nicht wie die Hugenotten auf Calvin beriefen, sondern auf den Theologen Cornelius Jansen (1585–1638). – Louis XIV hatte Klemens XI. (1700–1721) veranlasst, die denzentristischen antiautoritären Jansenisten in der Bulle »Vineam Domini« (15. 7. 1705) zu verketzern, wodurch er einen Freibrief bekam, gegen sie militärisch vorzugehen. 1709 Vertreibung der Gläubigen, 1710 Zerstörung ihrer Glaubensstätten.
Zwischen 1667 und 1714 führt Louis XIV sieben mehrjährig ausgedehnte pure Aggressionskriege oder unternimmt militärische Aktionen gegen außerhalb von Frankreich gelegene Gebiete. Kein Anspruch Louis’ auf einen Thron, ein Land, eine Stadt oder ein Dorf ist legitim! Louis’ militärische Legitimitäts-Demonstrationen sind alle an seinen nicht mehr echten Haaren herbeigezogen, ein Ausdruck seiner Legitimitätsparanoia, in die er nach dem Tod seiner Offizial-Mutter gerät. Ludwigs Legitimitäts-Verfolgungwahn geht so weit, dass er sich noch von den Gräbern der römisch-deutschen Kaiser bedroht fühlt und sie zerstören muss.
Niemand Legitimes thront mehr nach Königin Annas Tod auf Frankreich. Der im Inneren des Landes Illegitime will sich mit seinen soldatischen Fuchteleien im Äußeren Legitimität ertrotzen. So wie er die französischen Hochadligen hasst, so tendiert er dazu, alles Außerfranzösisch-Christlich-Legitime in Europa zu bekämpfen.
Erst die religiös, geschichtlich und geografisch weit abgelegenen »mohammedanischen« Herrscher »bedrohen« Ludwig nicht mehr. Mit ihnen gemeinsam hätte er gern das ganze legitime christliche Europa »eingestampft«.