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Die Zeugungs-Chronik

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Zwischen Anfang 1630 und Anfang 1631 trifft der nebenamtliche päpstliche Unterhändler, Giulio Mazzarino, achtmal mit den höchsten französischen Regierungsmitgliedern zusammen: viermal mit dem Regierungschef, Kardinal Richelieu, zweimal mit dem König Louis XIII, einmal mit Richelieus engstem Mitarbeiter, der Grauen Eminenz Père Joseph, und einmal mit der Königin Anne d’Autriche, der Mazzarino ein Jahr später, im April 1632, zum zweiten Mal begegnet. Die acht ersten Treffen markieren den Beginn der Kronprinzen-Fabrizierung.

Das Erste, was Mazzarino – der 28-jährige, auffallend viril gut aussehende italienische Sonderbeauftragte Papst Urbans VIII. – seinen französischen Mitarbeitenden für das Funktionieren der »Gen-Manipulation«, hier speziell der Genealogie-Manipulation, empfiehlt, ist die Kreierung eines heterosexuellen Images für den schwulen König Louis XIII. Um eine so späte Zeugung nach so langer kinderloser Ehe glaubhaft zu machen, musste der König seine 20 Jahre schwule Vergangenheit im Alter zwischen zehn und 30 demonstrativ löschen. Der erste Akt der Royal Fuck Public Relation war, dem König in seinem vierten Jahrzehnt noch ein Hetero-Profil einzustanzen.

Das höfische Leben funktionierte fast ausschließlich über Darstellen und Verkleiden. – Louis XIII kam 1631 und 1635 mit seinen platonisch gebliebenen Favorisierungen der beiden Hof- und Herzensdamen seiner Frau, Marie de Hautefort (1616–1691) und Marie Louise Motier de La Fayette (1615–1665) wenigstens hetero-emotional ins öffentliche Gespräch. Dass die plötzlichen und für ein feudal-heterosexuelles Leben viel zu späten Favorisierungen »ausgerechnet« der nahesten Bezugspersonen seiner Frau keine Beckenstrategien, sondern Busenvibrationen waren, bestätigt die gesamte auf Louis XIII und Louis XIV spezialisierte Geschichtsschreibung.

Eine weitere Strategie Mazzarinos ist, das Königspaar medizinisch und religiös um Fruchtbarkeit bemüht im Land zu präsentieren: König und Königin reisen zu Kuren in Bädern, demonstrieren Aufenthalte bei Heilquellen, denen Fruchtbarkeits-animierende Wirkungen nachgesagt wurden. Sie begeben sich zu zwölf Wallfahrtsorten und zelebrieren dort vor aller Öffentlichkeit ihr Niederknien vor den Altären. Sie beauftragen Heerscharen von Klerikalen, im ganzen Land für den Erfolg der »Befruchtung« zu beten. Die Fürbitte wird intensiviert auch in Kultstätten männlicher Heiliger, denen ein Einfluss auf die Fortpflanzungskraft zugesprochen wird. – Ludwig 13 und Anna Ö. absolvieren früh-neuzeitliche Wahlkampfreisen. Alle Regionen Frankreichs bekommen mit, dass das Königspaar plötzlich nach mehr als 20 Jahren unfruchtbarer Ehe ununterbrochen zugunsten von Fruchtbarkeit im Einsatz ist – nur nicht an dem Ort, der dafür geeignet wäre, im Bett!

Und doch glaubt Frankreich an die »Empfängnisnacht« vom 5. Dezember 1637. Diese »Empfängnisnacht« wird von den ersten Adressen zu Louis XIV noch um die Jahrtausendwende verbreitet, vom »Dictionnaire du Grand Siècle« bei beiden Putativ-Elternteilen Anna Ö. und Ludwig 13 (52) und von der französischen 1000-Seiten-Top-Biografie »Louis XIV« (20, S. 29, 963). Alle Biografien und wissenschaftlichen Standardwerke zum Thema repetieren es.

Über die »Empfängnisnacht« gibt es keine schriftlichen Primärquellen eines Zeitzeugen. In zwei Memoiren von Sekundär- und Tertiär-Zeugen, einer Hofdame (151) und einem Geschehens-entfernten Aristokraten (146), wird die »Empfängnisnacht« der Öffentlichkeit schriftlich vorgestellt – erstmals veröffentlicht fast ein Jahrhundert später! Darauf bezieht sich 120 Jahre nach dem fantasierten Ereignis ein Geschichtsschreiber, der sie in seiner dreibändigen Histoire du règne de Louis XIII 1758 zur bis heute kolportierten Story ausbaut (98, III, S. 101).

Die Bildung der Legende von der »Empfängnis des Louis Dieudonné« funktionierte wie das Mysteriumskonglomerat der Erfindungen um Jesus Christus. Er ist schriftlich = evangelisch von Männern überliefert worden, die ihn alle persönlich nicht mehr gekannt haben. Die Suggestion mit Hilfe der Zeit-prolongierenden Mystifizierung ist unwiderstehlich. Die Nichtfaktizität von »unbefleckter Empfängnis«, »Jungfrauengeburt«, »Auferstehung« und »Himmelfahrt« hat einen solchen Sog, dass im Bewusstsein der Menschen ein Loch gerissen wird, in das sich der Glaube füllen kann.

Dass die schriftliche Fixierung der Legende von der »Empfängnis des Louis XIV« erst Jahrzehnte nach seiner Geburt unternommen wurde, entblößt das anhaltende metareligiöse Verfahren der »Königsfälschung«, die nicht nur einmal geschah, sondern an der bis heute weitergewirkt wird:

Nach einem gemeinsam verbrachten Aufenthalt im Schloss Saint-Germain-en-Laye im Verlaufe des Novembers 1637 war die Königin Anfang Dezember 1637 wieder in Paris und befand sich im Schloss Louvre, der König war noch bei seiner beliebtesten Beschäftigung anzutreffen, dem Sitzen zu Pferde, reitend in Richtung eines seiner Schlösser, außer Paris gelegen. Da verhindert widriges Wetter sein Weiterkommen! Er muss außerplanmäßig zurück in den Louvre, findet dort seine Gemächer leer und kalt, denn seine »Belegschaft« erwartet ihn an seinem nächsten Reiseziel. Kein warmes Bett für den König in den 400 Zimmern des Stadtschlosses, nur ein gemachtes Bett bei der Königin, so dass der König in diesem schlafen muss, wobei »es« zur Zeugung von Louis XIV gekommen sein soll – in dieser einen Nacht!

Es überrascht, dass solch ein Kopulations-Fertilisations-Quark noch im Zeitalter der »sexuellen Revolution« breitgetreten wird:

1 Die Fruchtbarkeit einer Frau sinkt ab 25, stand 1637 bei einer Frau wie der 36-jährigen Königin Anna vor ihrem Endpunkt.

2 Um zu einer voraussagbar sicheren Befruchtung zu gelangen, muss das Paar viele Geschlechtsakte regelmäßig absolvieren.

3 Um ein männliches Individuum entstehen zu lassen, muss sich die Samenzelle eines Mannes, die ein Y-Chromosom enthält, mit einer Eizelle der Frau vereinigen. Die Samenzellen enthalten entweder ein X-oder ein Y-Chromosom. Welchem »Träger« von einem der beiden Chromosomen die Befruchtung gelingt – was über das Geschlecht der neuen Zygote entscheidet –, war im 17. Jahrhundert noch nicht der Manipulation unterworfen.

4 Die Befruchtung geschieht innerhalb von ungefähr zwölf Stunden des periodischen Höhepunktes eines weiblichen Zyklus, in denen sich das Ei im Eileiter samenempfänglich benimmt.

5 Ja, es gibt den Sonderfall eines bis-in-die-Haarspitzen-geil ineinander verliebten Paares, das – meist ungewollt – Zeugungen zu den unmöglichsten biologischen Bedingungen zustandebringt, mitten im Tiefstpunkt eines Zyklus, während laufender Periode, als ob Scharen von Follikeln einer heißest begehrenden Frau in den Eileiter geschickt worden wären. Klappt es mit dem einen Ei nicht, schafft es ein anderes, sich allerbereitest follikelsprengend samenzuergeben. Oder ein extrem resistenter, die »holde Kraft« seines Herrn demonstrierender Spermwitzbold hält sich tagelang in seiner neuen ovarialen Umgebung am Leben, bis er sich zeckengleich des nächsten angewanderten Eies nach Ende der Periode bemächtigt.

Zu viele »Neins« vernichten diesen Sonderfall in Anbetracht von Anna Ö. und Ludwig 13 und spülen seine Eventualitäten aus allen Möglichkeiten der Diskussion. Anna und Ludwig sind ein »altes«, nie aufeinander geiles Ehepaar und haben vor der gemeinsam verbrachten Louvre-Bett-Nacht entweder nie miteinander geschlafen oder seit 20 Jahren nicht mehr.

Die Königsfälschung

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