Читать книгу Düsterstrand - Meike Messal - Страница 3
ОглавлениеTeil I
1
Nicht die Dunkelheit im Keller war das Schlimmste. Nicht die Einsamkeit. Und nicht der Eisenring, an den sein Fuß gekettet war und der seinen Knöchel blutig gescheuert hatte. Nein, all das hätte er ertragen können. Aber nicht den Hunger. Er wusste nicht, wann er zuletzt gegessen hatte. Die Zeit war in der ständigen Dunkelheit verschwunden, hatte sich in dem weißen Dampf aufgelöst, der aus seinem Mund kam, wenn er atmete. Doch die Kälte drang nicht mehr zu ihm vor, auch nicht der Schmerz. Das Einzige, was er spürte, war der Hunger, der ihn von innen aufzufressen schien, an jeder Zelle seines Körpers nagte.
Er lehnte seine Stirn gegen die raue Mauer. Wenn er doch nur wüsste, was der Mann von ihm wollte. Diese hagere, große Gestalt, die ihn hierhergebracht hatte. Wie ein Mönch hatte er ausgesehen mit dem braunen Gewand über den kantigen Schultern und dem Strick um die Hüfte.
Er hatte bisher gedacht, dass Mönche friedliche und nette Leute seien. Aber dieser nicht. Nein, der war ganz bestimmt nicht freundlich. Schon in der ersten Sekunde, als er in seine grauen stahlharten Augen schaute, die sich in ihn bohrten, hatte er gewusst: Dieser Mönch war ein Monster.
Er sackte zusammen, schrammte an der kalten Mauer entlang. Und in dem Moment entschied er, nicht wieder aufzuwachen. Nichts mehr zu spüren. In der Schwärze zu verschwinden und sich aufzulösen.
Doch der Hunger tobte in ihm. Ließ ihm keine Ruhe. Schrie. Rebellierte. Krallte sich an seinem Magen fest.
Er ballte seine Hände zu Fäusten und grub sie in seinen Bauch. »Bitte«, flüsterte er, »bitte lass mich zufrieden.«
Doch der Hunger hörte nicht, schrie weiter. Dehnte sich in ihm aus, bis er ganz Hunger war.
Und so brauchte er einen Moment, bis er begriff, dass es nicht mehr sein Magen war, der diese fürchterlichen Geräusche verursachte, sondern die schwere Eisentür, in deren rostigem Schloss sich ein Schlüssel drehte.
Bleich blickte er nach oben. Der Mönch kam zurück.