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Donnerstag, 15.10.2014

Den ganzen Donnerstagmorgen verbrachte Weber damit den Vorführbericht für Archer zu verfassen. Der entsprechende Termin beim Haftrichter war auf 14 Uhr festgelegt worden. Weber telefonierte noch mit Jaqueline Fähr, man hatte sich bei der Staatsanwaltschaft darauf verständigt, einen festen Ansprechpartner für die Polizei zu benennen. Das machte es einfacher, wenn es um die Zustimmung zu Anträgen für Beschlüsse ging, die für Ermittlungen der EK benötigt wurden. Dies war in den vorliegenden Fällen zwar nur eine Formsache, aber eine die unbedingt eingehalten werden musste, wollte man der Verteidigung keine Angriffsfläche bieten.

Fähr gab ihre Zustimmung zur Vorführung und Weber vermerkte dies in seinem Bericht. Er las sich das Schriftwerk nochmals durch, druckte es aus und schickte es vorab per Mail an den Haftrichter.

Um 16 Uhr waren Weber und Chiara wieder zurück im Präsidium und berichteten Schwarzbach von dem Termin. Es war alles ohne Probleme abgelaufen und Archer landete in Untersuchungshaft.

Eine Aussage hatte er auf Anraten seines Anwalts nicht gemacht, was auch nicht zu erwarten gewesen war. Der Haftrichter hatte bei der Verkündung des Haftbefehls betont, wie abscheulich er die Tat fände und dass Archer keine Chance haben würde gegen Zahlung einer Kaution auf freien Fuß zu kommen. Außerdem ordnete er an, dass Archer in Einzelhaft kommen sollte, um Übergriffe von anderen Gefangenen zu vermeiden. Kinderschänder waren nicht nur im Fernsehen bei den Mitgefangenen unbeliebt, sondern auch im wirklichen Leben. Schwarzbach war sehr zufrieden mit dem Ergebnis und das würden seine Vorgesetzten auch sein.

Nach dem Gespräch machten Weber und Chiara Feierabend. Sie gingen auf ein Bier in eine Kneipe in der Nähe des Präsidiums. Das hatten sie auch nach der ersten Verhaftung getan und wollten eine Tradition daraus machen. Platz fand das Duo an einem Tisch in einer Nische, beide bestellten Hefeweizen. Als das Bier kam prosteten sie sich zu und nahmen einen tiefen Schluck.

„Wie geht es eigentlich Leon?“ fragte Chiara.

Sie hatten sich darauf geeinigt beim gemeinsamen Bier nicht über die Arbeit zu sprechen.

„Es geht ihm soweit ganz gut“, antwortete Weber. „Seit dem letzten Anfall ist nichts weiter passiert.

Er macht sich gut und manchmal habe ich das Gefühl, dass er sich nach jedem Anfall etwas weiter entwickelt. Aber ich fürchte, es ist nur eine Frage der Zeit, bis es zum nächsten Anfall kommt.“

„Und die Ärzte können nichts machen?“ fragte Chiara besorgt.

Weber schüttelte den Kopf.

„Sie haben ihn jetzt schon mehrfach auf den Kopf gestellt, ohne etwas zu finden.“

Webers jüngster Sohn war mit dem Down Syndrom auf die Welt gekommen. In letzter Zeit hatte er einige Krampfanfälle erlitten, für die die Ärzte keine Ursache zu finden vermochten.

„Zumindest konnten sie ausschließen, dass es etwas Neurologisches ist.“

Freitag, 16.10.2014; 9:30 Uhr

Weber und Chiara saßen wieder mit Oskar Schwarzbach zusammen und besprachen das weitere Vorgehen. Schwarzbach wollte über jeden ihrer Schritte genau informiert werden, da er selber diese Infos unmittelbar an den Leiter der Kriminalabteilung 1, Kriminaloberrat Meindl, weitergeben musste, der wiederum den Polizeipräsidenten unterrichtete, welcher selber direkt Bericht beim Innenministerium erstatten musste.

Der Fall Renner hatte so hohe Wellen in der Öffentlichkeit geschlagen, dass das IM über jeden Schritt Bescheid wissen wollte, um auf Presseanfragen reagieren zu können. Der Innenminister selber wurde an den Pranger gestellt und musste sich unangenehmen Diskussionen stellen. Auch der Bundesinnenminister geriet unter Druck. Das gesamte Verfahren im Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen wurde in Frage gestellt und sogar die Kanzlerin kam in der Presse nicht mehr gut weg. Man versprach drastische Änderungen, damit so etwas nicht wieder passieren konnte.

Mehrere Talkshows im Fernsehen, wie „Hart aber Fair“ und „Maischberger“, befassten sich mit dem Thema. Es gab einige Demonstrationen, in denen die Teilnehmer forderten, minderjährige Flüchtlinge und insbesondere Kinder, ohne große Formalitäten aufzunehmen und auf keinen Fall mehr in Heimen unterzubringen. Bis jetzt waren noch keine konkreten Maßnahmen getroffen worden außer der, die Heime und die dortigen Verantwortlichen genauer zu kontrollieren. Beim LKA behielt man sich vor, Maßnahmen gegen Kunden von Renner selbst durchzuführen, sollte sich herausstellen, dass es sich um Leute handelte, die in der Öffentlichkeit stünden. Man wollte im IM nicht riskieren, dass irgendwelche Polizisten aus Bielefeld mit wenig Fingerspitzengefühl an diese Personen herantreten und damit einen noch größeren Wirbel in der Öffentlichkeit auslösen würden, als eh schon geschehen war. Nicht auszuschließen, dass sich auch das IM dann unangenehmen Fragen stellten musste, wie etwa, warum man dieser oder jener Person nicht eher auf die Spur gekommen war und ob nicht sogar etwas vertuscht werden sollte.

Der Alptraum wäre natürlich, wenn ein Mitarbeiter des IM, oder eine andere bekannte Person aus der Politik, Kunde bei Renner war. Weber hatte sogar eine Zeitlang damit gerechnet, dass das LKA selber die Recherchen übernehmen würde. Aber anscheinend hatte man keine Handhabe gefunden, die Ermittlungen nach Düsseldorf zu ziehen und sich deshalb mit dem Meldeweg zufrieden gegeben. Weber wusste, dass Schwarzbach deswegen stark unter Druck stand. Auch er selbst und Chiara befanden sich im Fokus. Ihm war klar, dass schon ein klitzekleiner Fehler ihn seine Karriere kosten könnte und er dann womöglich nur noch die Fälle ohne Ermittlungsansatz bearbeiten durfte.

„Was haben wir gegen Welle in der Hand?“ fragte Schwarzbach.

„Welle ist der dritte Kunde von Renner, dessen Daten nicht verschlüsselt waren“, antwortete Chiara.

„Welle hat sich im Januar dieses Jahres ein Mädchen bei Renner „gekauft“.

Chiara malte bei dem Wort gekauft mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft.

„Es handelt sich um eine 16-jährige, die aus Syrien nach Deutschland geflüchtet war. Welle hat für das Mädchen 25.000 Euro gezahlt. Der Kerl ist 54 Jahre alt, seit drei Jahren geschieden, drei Kinder, alles Mädchen im Alter von 23,20 und 18 Jahren.

Er lebt allein in einem kleinen Einfamilienhaus am Senner Hellweg. Seine Ex-Frau und die Kinder wohnen in einem Bungalow in Senne. Soweit wir feststellen konnten, hat er derzeit keine feste Freundin. Welle ist Mitinhaber einer Firma, die Spezialkabel unter anderem für den Bau von Flugzeugen und Schiffen herstellt. Zu seinen Finanzen haben wir noch nichts. Die Finanzermittler sind aber an der Sache dran.“

„Welle ist nicht vorbestraft“, übernahm Weber.

„Er wohnt seit 15 Jahren in dem Haus am Senner Hellweg. Vorher haben alle zusammen in einem kleineren Haus in Heepen gewohnt. Das Haus gehört ihm noch immer. Derzeit wohnt dort eine Familie mit einem Kind. Hinweise auf ein weiteres Haus, oder eine weitere Immobilie haben wir derzeit nicht.“

„Gibt es Hinweise, wo er das Mädchen hingebracht haben könnte?“ fragte Schwarzbach.

„Wie heißt sie überhaupt?“

„Jasina Al Haj“, antwortete Chiara.

„Sie kam Mitte letzten Jahres nach Deutschland und landete im Januar diesen Jahres in Bielefeld.“

„Und wir wissen nicht, wo sie sich derzeit aufhalten könnte“, beantwortete Weber Schwarzbachs erste Frage.

„Dass sie sich in seinem Haus am Senner Hellweg befindet, ist mehr als unwahrscheinlich. Das Gleiche gilt natürlich für sein anderes Haus in Heepen. Wir hoffen, bei der Durchsuchung etwas zu finden was uns zu dem Mädchen führt.“

„Jasina“, sagte Schwarzbach.

„Was?“ fragte Weber.

„Das Mädchen hat einen Namen", keifte Schwarzbach.

„Sie heißt Jasina. Ich möchte, dass wir die Jungen und Mädchen bei den Vornamen nennen, “ sagte Schwarzbach.

„Diese Schweine haben den Kindern schon ihre Identität genommen. Ich will nicht, dass wir das auch tun.“

Weber und Chiara nickten. Sie kannten Schwarzbach schon seit vielen Jahren, auch wenn er nie ihr direkter Chef gewesen war. Aber so emotional hatten sie ihn noch nie erlebt. Der ganze Fall schien ihm an die Nieren zu gehen.

„Wie wollt ihr weiter vorgehen?“ fragte Schwarzbach nun nach einer kurzen Pause.

„Wir werden wie abgesprochen das MEK auf Welle ansetzen. Sie sollen ihn ab heute Abend aufnehmen und die nächsten Tage überwachen. Wenn wir so Hinweise auf seinen Tagesablauf haben, planen wir den Zugriff“, antwortete Chiara. Weber und Chiara war das MEK Bielefeld zugeteilt worden, um ihre Verdächtigen überwachen zu können. Ihnen war versichert worden, dass sie, sobald sie einen Tatverdächtigen soweit abgeklärt hätten, dass sich der Verdacht gegen ihn bestätigen würde, für den Zugriff das MEK anfordern könnten.

Das war etwas, was es sonst höchstens beim Verdacht eines terroristischen Anschlages gab. Auch das zeigte, wie brisant der ganze Fall anzusehen war. Weber war ein fester Ansprechpartner beim MEK benannt worden, mit dem er auf dem kurzen Dienstweg die Einsätze absprechen konnte. Auch eine unnormale Vorgehensweise, da sonst eine Anforderung für das MEK über das LKA laufen musste, dass die Einsätze koordinierte. Auch beim SEK hatte Weber einen festen Ansprechpartner. Seinen Kontaktmann beim MEK hatte er schon vor dem Gespräch mit Schwarzbach angefunkt und ihn auf Welle angesetzt.

Nun informierte er seinen Chef:

„Ein Team ist bereits an Welle dran und versucht ein Abhörgerät an seinem Auto anzubringen.

Sobald alles erledigt ist, bekomme ich eine Nachricht.“

„Der Antrag für den Durchsuchungsbeschluss ist fertig“, fuhr Weber fort.

„Sobald wir die Freigabe erhalten, geht er raus an das Amtsgericht.“

Schwarzbach nickte.

„Ich denke, das o.k. wird kein Problem sein. Ich gebe eure Erkenntnisse weiter und sage euch Bescheid, sobald ich eine Rückmeldung habe.“

Weber und Chiara nickten.

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