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Donnerstag, 22.10.2015; 10:45 Uhr

Ärger gab es am nächsten Morgen wieder. Wo war Welle? Was war schiefgelaufen, dass Welle nicht zu Hause gewesen war? Wie hatte er verschwinden können, ohne dass die observierenden Kollegen etwas mitbekommen hatten? Warum war er überhaupt abgehauen? Hatte er etwas bemerkt? War er am Ende sogar gewarnt worden und deshalb verschwunden? Aber wenn, von wem? Und wie war er entkommen? Welles Auto stand in der Garage mit dem Sender darunter.

Fragen über Fragen, auf die nicht nur Weber keine Antworten fand. Fakt war allerdings, dass Welle vom SEK um 5 Uhr morgens in seinem Haus nicht gefunden wurde. Er war einfach spurlos verschwunden. Seine Handynummer und seine Kontobewegungen wurden überwacht. Aber es tat sich nichts. Ob er ein zweites Handy hatte, ein weiteres Konto?

Die Kollegen, die die Observierung in der Nacht durchgeführt hatten, schworen Stein und Bein, dass niemand das Haus verlassen, oder betreten hatte. Zumindest nicht durch den Vordereingang. Möglich war natürlich, und das war am Ende die wahrscheinlichste Variante, dass Welle das Haus durch den Garten hatte verlassen können. Hier gab es keine Überwachung, das hatte das SEK nicht für notwendig erachtet.

War er also tatsächlich durch den Garten abgehauen? Aber was dann? Hatte dort jemand mit einem Auto gewartet? Oder war Welle zu Fuß geflüchtet? Dann konnte er eigentlich noch nicht weit sein. Wenn er also gewarnt worden war, wie war das geschehen? Sprach das für ein zweites unbekanntes Handy?

Weber rieb sich die müden Augen und legte die Akte auf den Tisch. Am schlimmsten war, dass man Jasina nicht gefunden hatte. Zwar gab es im Keller einen Raum, der als Kinderzimmer hergerichtet worden war, mit schalldichten Wänden und einer dicken Metalltür, mit Bett, Schreibtisch, Sofa, Schrank, Fernseher, DVD-Spieler, Play Station und PC ohne Internetzugang, sogar Kühlschrank und Mikrowelle, aber es gab kein Lebenszeichen des Mädchens. Angrenzend an das Kinderzimmer gab es ein Bad, mit Badewanne, Dusche, Waschbecken und einer Toilette. Welle hatte diesen Bereich aufwendig umbauen und ausstatten lassen. Der Kleiderschrank steckte voller Mädchensachen. Offensichtlich war nichts mitgenommen worden.

War Welle zusammen mit der Kleinen geflüchtet, oder war sie ihm entkommen und er hatte sie verfolgt und dabei war ihm etwas zugestoßen? Weber fand keine Antworten, deshalb lehnte er sich auf seinem Schreibtischstuhl zurück. Er schloss kurz die Augen. Als er sie wieder öffnete, saß Chiara ihm gegenüber an ihrem Schreibtisch. Weber schreckte hoch.

„Mist“, sagte er und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare.

„Muss wohl kurz eingenickt sein“, sagte er entschuldigend an Chiara gewandt.

„Kurz ist gut“, antwortete sie. „Ich sitze schon seit einer halben Stunde hier.“

Weber sah sie erschrocken an.

„Eine halbe Stunde?“ Weber sah zur Bürotür, die geschlossen war.

„War sonst noch jemand in der Zwischenzeit im Büro?“

„Keine Angst“, antwortete Chiara. „Hat keiner mitbekommen.“

Weber massierte sich den Hals, der ihm von der ungewohnten Schlafposition im Bürostuhl schmerzte.

„Gibt es was Neues?“ fragte er und meinte damit natürlich die Fahndung nach Welle.

Chiara schüttelte den Kopf.

„In dem Fall“, sagte sie, „hätte ich dich auch geweckt.“

Den Rest des Tages verbrachten die beiden Kollegen damit, die Fahndung nach Welle weiter zu koordinieren. Freunde, Bekannte und Mitarbeiter in seiner Firma wurden befragt. Keiner konnte sich erklären, wo Welle abgeblieben war. Zwar hätte er am Morgen in der Firma erscheinen sollen, um Termine mit seinen Abteilungsleitern wahrzunehmen. Aber Welle war nicht erschienen.

Seine Firma stellte spezielle Kabel her, die auch in der Luft- und Raumfahrt verwendet wurden. Seine von ihm getrennt lebende Frau wusste ebenfalls nicht, wo er sich aufhielt. Letztmalig hatte sie vor drei Tagen mit ihm gesprochen. Weder hatte er von einem Urlaub oder einer sonstigen Reise gesprochen, noch hatte seine Ex den Eindruck gehabt, dass er anders gewesen wäre als sonst.

Gegen eine spontane Reise sprach auch, dass aus seiner Wohnung augenscheinlich keine Bekleidung fehlte. Welles Frau, die vor vier Monaten aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen war, wurde dorthin geholt um nachzuschauen, ob Bekleidung fehlte. Ihr fiel nichts auf. Außerdem gab sie an, dass ihr Mann über zwei Koffer und eine Reisetasche verfügte, die sich alle noch im Haus befanden.

Sie hatte als Grund für ihre Trennung angegeben, dass ihr Mann sie betrogen habe. Von dem Verdacht, dass ihr Ehemann ein Flüchtlingsmädchen „gekauft“ hatte, sagte man seiner Ex-Frau zunächst nichts. Weber schickte Chiara um 18 Uhr nach Hause. Er selbst wollte bis zu seinem Treffen mit dem Unbekannten im Büro bleiben.

19:50 Uhr

Zehn Minuten vor der verabredeten Zeit, bog Weber auf den Parkplatz neben dem Eros-Center ab. Er hatte nie bei der „Sitte“ gearbeitet und sowieso privat dem Center keinen Besuch abgestattet, weshalb er das Objekt nur von außen kannte. Er wusste, dass die Anlage Renner gehört hatte. Umso mehr war er überrascht, dass ihn der Unbekannte hier hinbestellt hatte. War der ein ehemaliger Vertrauter von Renner, oder hatte sich schon ein ganz anderer hier eingenistet? Nachforschungen bei den Kollegen von der „Sitte“ ergaben nichts, keiner wusste, wer der aktuelle Betreiber sein könnte.

Das Center befand sich in einem Industriegebiet zwischen Speditionen, einem Logistikcenter von der DHL samt Verwaltung, einer Autowerkstatt und einer Tankstelle. Vor 20 Jahren etwa war die Anlage entstanden, 20 Häuschen, die durch gepflasterte Wege miteinander verbunden waren. Zweigeschossige Bauten wechselten mit Bungalows ab. Alle hatten im Erdgeschoss große Glasfronten, hinter denen sich die Frauen auf Hockern räkelten und auf Kunden warteten. Ein Hauch der Hamburger Herbertstraße im dagegen kleinen Bielefeld. Weber schaute auf seine Uhr.

19:57 Uhr.

Zeit, auszusteigen und sich auf das Gelände zu wagen Als er auf den gepflasterten Weg einbog, stand plötzlich eine bildhübsche Asiatin vor ihm.

„Sind sie Weber?“ fragte sie ihn.

Er nickte wortlos und folgte ihr zu einem Haus, das ganz am Ende der Anlage stand. Links vom Eingang lächelten zwei spärlich bekleidete Frauen hinter bodentiefen Fenstern, sie sahen besser aus, als Weber erwartet hätte. Die Asiatin führte ihn zu einem Raum im hinteren Teil des Gebäudes. Weber sah sich hier einem Mann gegenüber, den er nicht kannte und der hinter einem großen Schreibtisch saß.

„Schön, dass sie gekommen sind!“, sagte der Fremde lächelnd.

„Wer sind sie und was wollen sie von mir? Ich habe nicht vor lange zu bleiben, “ entgegnete Weber.

„Also kommen sie besser sofort zu Sache, bevor ich es mir anders überlege und die Kollegen der Sitte rufe.“

Die Lippen des Unbekannten lächelten weiter, doch alle Freundlichkeit war aus seiner Stimme verschwunden als er konterte:

„Ich glaube sie verkennen hier ihre Situation! Sie sind aber so gar nicht in der Position Forderungen zu stellen! Also setzen sie sich hin.“

Dann beugte er sich über den Schreibtisch.

„Und wagen sie es nie wieder mir zu drohen! Wie geht es eigentlich ihrer Frau und ihren entzückenden Kindern?“

Dann lehnte er sich in seinen Stuhl zurück. Die ganze Zeit war das Lächeln nicht aus seinem Gesicht gewichen. Weber folgte der Aufforderung, beugte sich seinerseits über den Tisch und zischte wütend:

„Lassen sie meine Familie aus dem Spiel. Wenn sie etwas zu regeln haben, regeln sie es mit mir persönlich!“

Das falsche Lächeln des Mannes wurde breiter.

„Sie gefallen mir Weber!“ sagte er. „Ich glaube wir werden gut zusammenarbeiten! Bevor sie etwas sagen, hören sie mir zu.“

Weber starrte den Mann noch einen Moment an. Er schluckte die Antwort, die ihm auf der Zunge lag, hinunter. Dann beugte er sich zurück.

„Mein Name ist John Snow“, sagte der Grinser.

Weber stieß ein lautes Lachen aus.

„Und ihre Frau ist Daenerys Targaryen? Wollen sie mich verarschen?“

„Leider konnte ich Emilia Clarke nicht dazu überreden mich zu heiraten, “ antwortete der Mann.

„Sie haben gute Arbeit geleistet, als sie Renner zu Strecke gebracht haben“, sagte Snow. „Er war mir schon lange ein Dorn im Auge. Bisher war es mir jedoch nicht gelungen, ihn aus dem Weg zu schaffen. Klar hätte ich ihn einfach umlegen können und früher oder später hätte ich das auch getan. Aber als ich von ihren Ermittlungen erfuhr, sah ich eine Chance für mich, mir nicht selbst die Finger schmutzig machen zu müssen und sogar alles auf saubere Art und Weise geregelt zu bekommen.

Deshalb habe ich sie bei ihren Ermittlungen beobachtet und ihnen geholfen, wo ich konnte.“

„Sie und mir geholfen?“ fragte Weber.

„Wie und wann soll das gewesen sein?“

„Ich gebe zu“, antwortete Snow, „dass ich nur einmal einzugreifen brauchte. Aber dabei habe ich ihnen das Leben gerettet, wie ich bereits am Telefon erwähnte. Falls sie mir nicht glauben sollten, schauen sie sich dieses Video an.“

Snow öffnete den Laptop, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag.

Er führte mit einer Maus ein paar Klicks aus und drehte den Bildschirm zu Weber um. Das Video startete und Weber blickte durch eine Windschutzscheibe auf eine dunkle Straße, die ihm irgendwie bekannt vorkam. Vor dem Fahrzeug, aus dem das Video aufgenommen worden war, fuhr ein anderer Pkw in einigem Abstand, von dem nur die Rücklichter zu sehen waren. Plötzlich scherte der Wagen aus und es wurde ein weiterer Pkw sichtbar, der zum Überholen ansetzte. Doch er überholte nicht, sondern blieb auf gleicher Höhe mit dem anderen Fahrzeug.

Weber beugte sich näher an den Bildschirm heran, denn er wusste was nun geschehen würde, da er es selbst miterlebt hatte. Im überholenden Auto waren auf einmal mehrere helle Lichtblitze zu sehen. Unmittelbar darauf brach der andere Pkw nach rechts aus, kam von der Straße ab, überschlug sich und verschwand im angrenzenden Wald.

Das Video schien zu Ende zu sein, wurde aber nach einer kurzen Pause fortgesetzt. Weber starrte angespannt auf den Bildschirm. Seine Umgebung hatte er vergessen. Die Aufnahmen zeigten einen dunklen Wald, wer auch immer das Video drehte, bewegte sich langsam durch das Unterholz. Es war stockfinster. Weber beugte sich instinktiv weiter vor, um besser sehen zu können. Dann meinte er die Umrisse eines Autos zu erkennen, das mit der Front gegen einen Baum geprallt war.

Vor dem Pkw erkannte er die Silhouette einer Person, die etwas in der ausgestreckten Hand hielt und auf das hintere Fenster der Fahrerseite richtete. Plötzlich tauchte direkt neben der Kamera ein Lichtblitz auf und die Silhouette vor dem Pkw verschwand.

Bildrauschen.

Der Film war zu Ende.

Weber merkte erst jetzt, dass er in den letzten Sekunden den Atem angehalten hatte. Er schnappte regelrecht nach Luft und lehnte sich im Stuhl zurück. Snow drehte den Laptop wieder um und klappte den Bildschirm herunter.

„Ich denke“, sagte er dann, „dass ich nun ihre volle Aufmerksamkeit habe.“

Und die hatte er für die nächsten 30 Minuten.

21:05 Uhr

Das Treffen war vorbei, Weber saß fix und fertig in seinem Auto. Die Erinnerungen rasten durch seinen Kopf. Besonders jene an die panische Angst, die ihn ergriffen hatte, als er in dem Unfallwagen wieder zu sich gekommen war und Nasti tot auf dem Fahrersitz, mit zerschossenem Schädel, erblickt hatte. Dazu die Ungewissheit, ob Laschek noch lebte. Als der Verfolger am Auto aufgetaucht war und die Waffe auf ihn gerichtet hatte, da erlebte Weber eine noch nie dagewesene Panik.

Er hatte sich nicht bewegen können und war sicher, seine Frau und die Kinder nie mehr wieder zu sehen. Doch da war der Mann am Fenster schon verschwunden. Und Weber wartete immer noch auf den tödlichen Schuss. Der kam aber nicht, stattdessen tauchte wieder einmal der für alle anderen unsichtbare schwarze Retriever auf. Irgendwie eine Art Maskottchen, das ihm stets signalisierte, wenn Gefahr drohte oder schon vorbei war.

Weber verließ das Auto, er musste erst zu sich finden und zurück in die Gegenwart. Es schien ihm, als sei der Monolog dieses Snow noch gar nicht in seinem Gehirn angekommen. Die frische Abendluft tat gut, nach und nach beruhigte sich der Ermittler. Und begann, das Treffen im Bordell zu realisieren. Snow hatte ihm mitgeteilt, dass er beabsichtigte, die „Angelegenheiten“ von Renner in OWL zu übernehmen, zumindest, was die Rotlichtgeschäfte und den Drogenhandel anging.

Er versicherte, dass er kein Interesse am Handel mit Kindern habe. Weber war völlig perplex, dass Snow ihm alles so offen darlegte. Der Ganove verlangte vom Kommissar, dass der ihn über alles auf dem Laufenden hielt, was die Polizei über ihn ermittelte und welche Aktionen gegen ihn geplant waren. Schließlich hatte er ihm das Leben gerettet und nun sei eine Gegenleistung Webers fällig. Letzterer wollte schon lautstark protestieren, als Snow Fotos von seiner Frau und seinen Kindern vor ihm auf dem Schreibtisch ausbreitete. Es waren Fotos von seinen Jungs in der Schule, in der Kita, beim Sport und sogar in ihrem eigenen Garten. Dazu Fotos von Yuna beim Einkaufen, bei der Arbeit und sogar unter der Dusche.

Als Weber schon dachte, dass es nicht schlimmer geht, legte ihm Snow, wie während der ganzen Zeit breit grinsend, ein Foto vor, dass seine Kinder schlafend in ihren Betten zeigte. Spätestens ab dem Zeitpunkt war der Widerstand gebrochen.

Weber atmete tief ein, wandte sich um und setzte sich in Richtung seines Autos in Bewegung. Doch nach dem ersten Schritt blieb er wie angewurzelt stehen. Vor seinem Auto stand der schwarze Retriever und schaute in seine Richtung. Einen Moment sahen sich die beiden in die Augen. Dann setzte sich der Hund in Bewegung und verschwand hinter dem Center.

Freitag, 23.10.2014; 10 Uhr

Und schon wieder saß Weber im Besucherraum der JVA Detmold und wartete auf Krüger und dessen Anwalt. Er hatte am vorherigen Nachmittag den Rechtsverdreher angerufen und ihn um ein weiteres Treffen in der Justizvollzugsanstalt gebeten. Göhler hatte ihm sofort einen Termin für den heutigen Morgen angeboten. Augenscheinlich hatten er und Krüger es eilig, einen Deal auszuhandeln.

Dass es überhaupt einen solchen Deal geben könnte, hatte Weber dem Anwalt noch nicht verraten, auch als dieser nachhakte, wurde er auf das direkte Treffen vertröstet. Eigentlich war Weber immer noch viel zu aufgewühlt, und geschlafen hatte er auch kaum. Yuna registrierte deutlich, dass mit ihm etwas nicht stimmte, aber er hatte nur einen stressigen Tag als Grund für seine mentale Erschöpfung angegeben. Gerne hätte er mit jemandem über das Treffen mit Snow gesprochen, aber seine Frau durfte er damit nicht belasten und zu niemandem sonst hatte er noch Vertrauen. Laschek vielleicht, aber dessen Probleme vertrugen sicher keine solche Belastung. Ein Besuch beim kranken Kollegen könnte eventuell nicht schaden, überlegte Weber, und wenn der dann in guter Verfassung wäre, könnte man das Thema ja mal anschneiden.

Schon unterbrachen Göhler und Krüger seine Gedanken, sie setzten sich gegenüber an den Tisch, Krüger wirkte sichtlich mitgenommener als bei ihrem ersten Treffen. Augenscheinlich schien ihm der Aufenthalt in der JVA so gar nicht gut zu bekommen. Er sah bleich und müde aus.

„Gut so,“ dachte Weber.

„Vielleicht hat sich ja schon rumgesprochen, was für ein Arschloch du bist.“

„Was haben sie für uns?“ kam Göhler gleich zur Sache.

„Ich habe vorgestern mit Frau Fähr telefoniert. Sie ist bereit, sich auf einen Deal einzulassen“, Weber merkte, wie Krüger erleichtert aufatmete. „Allerdings nicht zu den von ihnen geforderten Konditionen“, fügte er schnell hinzu.

„Sondern?“ entgegnete Göhler deutlich genervt.

„Sechs Jahre Haft, ohne vorzeitige Entlassung“, antworte Weber. „Und das auch nur, wenn ihre Informationen wirklich gut sind.“

„Fünf Jahre“, versuchte Göhler zu verhandeln.

„Der Vorschlag ist nicht verhandelbar“, sagte Weber mit Nachdruck. „Frau Fähr hat deutlich gemacht, dass es kein anderes Angebot geben wird. Entweder sie nehmen es an oder nicht.

Ihre Entscheidung!“

Göhler sah Krüger an, der kraftlos und mit bleichem Gesicht nickte. Anscheinend hatte ihm Göhler im Vorfeld schon klar gemacht, mit welchem Strafmaß er noch gut bedient wäre.

„Also gut,“ sagte der Anwalt.

„Wir nehmen ihren Vorschlag an. Kommen sie am Montag in meine Kanzlei und bringen sie ein Schriftstück mit, in dem Frau Fähr meinem Mandanten garantiert, dass sie in ihrer Anklageschrift keine Höchststrafe von mehr als 6 Jahren fordern wird.

Wenn ich dieses Schriftstück habe, gebe ich ihnen einen Zettel mit zwei Namen von Personen, die bei meinem Mandanten und Herrn Renner“, Göhler zögerte einen Moment bevor er weitersprach, „Ware gekauft haben. Sie können dann die Personen überprüfen.“

Weber lehnte sich vor.

„Sie haben uns eine ganze Liste versprochen und nicht nur zwei Namen. Ich glaube nicht, dass Frau Fähr unter diesen Umständen ihr Angebot aufrechterhalten wird.“

„Den Rest der Liste erhalten sie, wenn die Verhandlung vorbei und das Urteil verkündet worden ist. Wir wollen doch nicht, dass Frau Fähr oder der Richter es sich in der Verhandlung nochmal anders überlegen, “ antwortete Göhler.

„Reicht ihnen das geforderte Schriftstück nicht aus?“ fragte Weber.

Göhler lächelte.

„Herr Weber“, sagte er dann. „Wir wissen doch beide, dass so ein Schriftstück nur bis zu einem gewissen Grad eine Sicherheit darstellt. Kurz vor der Verhandlung tauchen plötzlich neue Beweise auf, die die Vereinbarung hinfällig machen, da sie zum Zeitpunkt des Abschlusses noch nicht bekannt waren. Oder plötzlich wechselt der Staatsanwalt und ein anderer fühlt sich nicht mehr an die Vereinbarung gebunden.“

Göhler lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.

„Wie sie es so schön gesagt haben, nehmen sie das Angebot an, oder lassen sie es.“

Weber überlegte einen Moment.

„Ich werde mit Frau Fähr sprechen und ihnen das Ergebnis mitteilen.“

Er telefonierte noch vom Parkplatz der JVA aus mit der Staatsanwältin. Frau Fähr war nicht wirklich begeistert von dem Vorschlag, den Göhler unterbreitet hatte. Insbesondere die Tatsache, dass sie die ganze Liste erst nach der Verhandlung erhalten sollten, gefiel ihr gar nicht. Sie wollte mit ihrem Vorgesetzten und einem Richter über den Vorschlag beraten und sich dann noch im Laufe des Tages rückmelden.

Weber fuhr zum Präsidium und informierte Schwarzbach und Chiara über das Treffen und sein Telefonat mit der Staatsanwältin. Die Fahndung nach Welle blieb nach wie vor ergebnislos. Dessen Ex-Frau nebst seinen Freunden waren nochmal vernommen worden, wieder gab es nichts Erhellendes.

Er war bereits zu Hause, als Weber den Rückruf der Staatsanwältin erhielt. Nach eingehenden Beratungen mit ihrem Dezernenten und dem vorsitzenden Richter des Amtsgerichts, habe man sich dazu entschieden, Krüger ein neues Angebot zu machen. Er würde seine vier Jahre bekommen, wenn er die komplette Liste sofort aushändigt. Der Ablauf solle so sein, dass Krüger ihnen zuerst zwei Namen zur Überprüfung geben würde. Sollten sich diese als Treffer erweisen, würde der Anwalt das geforderte Schriftstück im Austausch mit der Liste erhalten. Die Verhandlung sollte dann zeitnah und binnen weniger Tagen durchgeführt werden und das möglichst ohne große öffentliche Aufmerksamkeit.

„Dieses Angebot überrascht mich sehr und es gefällt mir nicht“, wagte Weber zu kritisieren.

„Wir machen das auch nur mit großen Bauchschmerzen und nur aufgrund der Tatsache, dass wir die Kinder und Jugendlichen so schnell wie es nur geht von ihren Qualen befreien wollen. Wenn wir bis nach der Verhandlung warten müssten, ist das Risiko viel zu hoch, dass ihnen etwas zustößt. Uns ist auch klar, dass den Mädchen und Jungen bereits alles Mögliche zugestoßen sein kann, aber wir wollen viele wie möglich zu retten.“

Weber gab die Info telefonisch an Göhler weiter. Der stimmte dem Vorschlag zu, ohne mit Krüger Rücksprache zu nehmen. Er wisse schon selbst, was für seinen Mandanten gut sei und was nicht, antwortete er auf eine entsprechende Frage von Weber. Ihm wolle er gleich zu Wochenbeginn um 10 Uhr in der Kanzlei die ersten beiden Namen geben.

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