Читать книгу Skalp - Michael Giezek - Страница 15

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Sonntag, 25.10.2015; 7 Uhr

Als Vanessa Schmeling am Sonntag früh zu ihrer Arbeit in einer Bäckerei an der Rathausstraße in Rietberg ging, war sie noch gar nicht richtig wach. Eine Party am Vorabend war entgegen aller Vorsätze doch noch feucht-fröhlich geworden, sprich, statt Wasser floss Sekt durch ihre Kehle, zu viel Sekt. Und erst um 1 Uhr war sie nach Hause gegangen, doch nur fünf Stunden später klingelte unaufhörlich der Wecker. Vanessa hätte sich verfluchen können, Kopfschmerzen hämmerten in ihrem Kopf und sie war noch todmüde. Auch die Dusche half nicht wirklich aber nach zwei Tassen Kaffee fühlte sie sich zumindest halbwegs in der Lage zur Arbeit zu gehen.

Zu Fuß brauchte sie immer 15 Minuten bis zu der Bäckerei mit Café, in der sie seit fast drei Jahren arbeitete. Die junge Frau ging forschen Schrittes entlang der Mastholter Straße, wo sie auch wohnte, in zur Altstadt. Schon nähert sie sich dem historischen Rathaus. Und wie immer, wenn sie hier entlang kam, warf sie einen Blick auf die Skulpturen, die im Sommer und Herbst den Vorplatz beherrschten.

Die sogenannten „Alltagsmenschen“ waren wie Maskottchen und längst zu einem kleinen Wahrzeichen der Emsstadt geworden. Die Nonne, der Fotograf, die Hausfrau und der Büromensch waren beliebte Fotoobjekte für die vielen Touristen. Auch Vanessa mochte das Quartett, an diesem Morgen allerdings war irgendetwas anders. Sie schaute genauer hin, vom Kopf der Nonne rann rote Farbe auf den Gehsteig. Das ganze Gesicht der Skulptur leuchtete ihr verschmiert entgegen.

„Was für Idioten, verdammt“, fluchte Vanessa Schmeling.

Ein weiterer Blick auf die verschandelte Kunst offenbarte ihr: da war etwas auf dem Kopf, das da einfach nicht hingehörte. Sie näherte sich, schaute genauer hin und ihr wurde nahezu schwarz vor Augen.

Wie ekelhaft war das denn?

9:30 Uhr

Windmann fuhr wieder persönlich zum Fundort. Um kurz nach 8 Uhr hatte er den Anruf von der Kriminalwache Bielefeld erhalten. Er hatte es da schon zur dritten Tasse Kaffee und zum zweiten Brötchen geschafft. Und sowieso mit einer solchen Nachricht gerechnet. Der Ermittler füllte seinen Kaffee in einen To-Go Becher und machte sich auf den Weg. Im Auto erledigte er die nötigen Anrufe und traf um halb zehn in Rietberg ein.

Die historische Altstadt war komplett für den Fahrzeugverkehr gesperrt worden. Fußgänger hatten nur noch die Möglichkeit, bis zu einer Bäckerei zu gehen. Von dort an verhinderten uniformierte Beamte jegliches Weiterkommen. Windmann parkte seinen Privatwagen vor der Bäckerei und ging die wenigen restlichen Meter zu Fuß. Beim Aussteigen warf er einen Blick in das Café und stellte fest, dass dieses sehr gut besucht war. Die beiden Angestellten hatten alle Hände voll zu tun. Sekunden später stand er vor der Nonnenskulptur und schaute auf den Skalp, der auf dem Kopf der Figur lag.

Windmann hatte Anweisung gegeben nichts zu verändern, bevor er eintraf. Albert Reinke, einer der beiden diensthabenden Spurensicherer, trat zu ihm.

„Morgen Heiko“, sagte er.

„Morgen“, antwortete Windmann.

„Viel haben wir mal wieder nicht. Wie auch nicht anders zu erwarten. Wir haben die Figur auf Fingerabdrücke untersucht, aber da sind so viele drauf, dass es nichts bringt.“

Windmann nickte.

„Das Blut war noch frisch, als der Skalp gefunden wurde?“

„Ja“, antwortete Reinke.

„Die Finderin hat angegeben, dass es noch an der Figur hinunterlief.“

„Wer ist sie?“ fragte Windmann.

„Eine junge Frau, die auf dem Weg zur Arbeit war. Sie arbeitet in der Bäckerei, ein Stückchen weiter die Straße runter.“

Der Kommissar erinnerte sich an die volle Bäckerei, vor der er sein Auto geparkt hatte. Kein Wunder, dass die Mitarbeiter so viel zu tun hatten, wenn eine fehlte. Windmann rechnete nicht damit, dass die Frau noch zur Arbeit gegangen war.

„Wo ist sie jetzt?“

„Die Kollegen von der K-Wache haben sie nach Hause gebracht und führen eine erste Befragung durch. Sie wohnt hier in der Nähe, “ klärte Reinke auf.

Windmann nickte.

„Falls wir noch was finden sollten, melde ich mich“, der Spurensicherer und kehrte zum Tatortteam zurück.

16:30 Uhr

Windmann und die anderen Mitglieder der MK versammelten sich einmal mehr im SOKO-Raum. Auch Schwarzbach hatte seinen Sonntagnachmittag geopfert und war zur Besprechung erschienen. Sicher nicht ganz freiwillig, da er bereits vom Leiter der Direktion Kriminalität und dieser vom Polizeipräsidenten angerufen worden war.

Die Vernehmung der Finderin hatte nichts gebracht. Ihr war nichts Besonderes aufgefallen, als sie auf dem Weg zur Arbeit war. Sie meinte zwar, kurz bevor sie das Rathaus erreicht habe, ein Motorengeräusch gehört zu haben. Doch hatte sie keinen Pkw wegfahren sehen. Vanessa Schmeling vermutete, das Motorengeräusch sei aus dem Bereich hinter dem Rathaus gekommen.

Die Spurensicherung hatte daraufhin diesen Bereich genauer unter die Lupe genommen. Spuren, die möglicherweise vom Täter verursacht worden waren, konnten nicht gefunden werden. Allerdings gab es an der Rügenstraße einen Parkstreifen, von dem aus man relativ unbeobachtet auf mehreren kurzen Wegen vor das Rathaus gelangen konnte. In der Umgebung des Parkstreifens standen ein weiteres Gebäude der Stadtverwaltung, die St.-Johannes-Kirche, das Pfarrzentrum und das Wohnhaus des Pfarrers.

Früh um 6 am Sonntagmorgen gab es hier keine Zeugen. Von der Rügenstraße ging es auf den Torfweg und von dort aus flugs zu mehreren Ausfallstraßen. Die Befragung in den Wohnhäusern und im Altenheim an der Rügenstraße hatte nichts ergeben.

Lediglich ein Mitarbeiter der Seniorenstätte sagte aus, zur tatrelevanten Zeit einen Pkw gehört zu haben, der offenbar nicht schneller als mit den erlaubten 20 Stundenkilometern unterwegs gewesen war. Gesehen hatte er den Wagen indes nicht. Ohne große Hoffnung wollte man am nächsten Tag einen Aufruf in den Medien veröffentlichen, um doch noch Zeugen zu finden. Ansonsten war es ernüchternd wie bei den anderen Funden: keinerlei Anhaltspunkte. Die DNA zu den Haaren sollte wie in den anderen Fällen auch, gesichert und mit gespeicherten Daten abgeglichen werden.

Schwarzbach schlug vor, die OFA beim LKA in Düsseldorf um Unterstützung zu bitten. Die „Profiler“, wie sie im Volksmund hießen, könnten ihnen dabei helfen ein Täterprofil zu erstellen. Windmann, der solcherlei für Kaffeesatzleserei hielt, stimmte zu, aber nur, weil sie absolut nichts in der Hand hatten und er sich an jeden Strohhalm klammern wollte, um zumindest einen kleinen Hinweis auf den Täter zu erhalten.

Eine halbe Stunde später war die Pressemitteilung geschrieben, und Windmann saß sinnierend in seinem Büro. Einen Ansatz, der Erfolg bringen könnte, fand er nicht. Schließlich fuhr er frustriert nach Hause.

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