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Rahons List

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Rahon entdeckte es im selben Moment, als es sich unweit vor ihnen an dem Ausläufer des Feuerbergs, der direkt vor ihnen lag, auf einem Felsbrocken stehend, zeigte. Er gab sofort das Zeichen zum Halt.

Die Stämme liefen, seit sie den Wald passiert hatten, auf breiter Front nebeneinander, denn Rahon erwartete auf Grund der Spuren in jeden Augenblick, dass sie auf die Fremden stoßen würden – und er wollte in diesem Moment auf keinen Fall in den hinteren Reihen stehen. Auch den Korks hatte er sicherheitshalber befohlen, dichter aufzuschließen.

Diese Maßnahme hatte sich bereits bewährt, wenn auch gänzlich anders, als erwartet. Sie liefen blind in die Falle des Rjuchhu hinein – was acht Afetiten das Leben kostete. Drei davon waren seine Stammesangehörigen. Allein ihre große Übermacht, und vor allem das schnelle Eingreifen der Korks, die bereits dicht zu ihnen aufgeschlossen waren, hatten schlimmeres verhindert.

Rahon brauchte nur wenige Augenblicke für seine Entscheidungen. Die Gestalt dort auf dem Felsen war aus diese Entfernung noch nicht klar zu erkennen. Es war keines der Unzähligen Wesen, die dieses Drom belebten, dessen war er sich sicher – und es war den Spuren nach die Zeit, da er mit einem Aufeinandertreffen rechnen durfte. Es konnte Tek sein, der sich dort oben einen Überblick verschaffte – allein die Unvorsicht, mit dem sich die Gestalt präsentierte, stand dieser Spekulation entgegen. Vielleicht war es ja bereits jenes Wesen, das es zu vernichten galt.

Rahon befahl sofort, dass die Stämme weiter auseinanderrücken, um den Korks einen Weg nach vorn freizumachen. Augenblicke später schon ergossen sie sich durch die gebildete breite Schneise der beiden Stämme.

Rahon reagierte keineswegs spontan. Er hatte sich auf diesen Augenblick vorbereitet, und jede Einzelheit war bereits Teil seines Plans – deren Details auch den Grabenmachern bekannt war. Von Mund zu Mund wurde er während des Marsches durch die Reihen seiner Stämme weitergegeben, und so wusste jeder von ihnen, was als nächstes geschehen würde. Er war nicht zufällig der Führer eines der größten Stämme der Grabenmacher – und Suäl Graal hatte sicherlich nicht zufällig ihn erwählt, das Heer zu führen. Er war scharfsinnig und schreckte vor nichts zurück, um seine Pläne in die Wirklichkeit umzusetzen.

Als die ersten Reihen der Korks die Schneise durchquert hatten, rannte er los. Er lief mitten in die Formierung der metallischen Gestalten hinein, und sprang einem der Korks auf den Rücken. Geschickt hangelte er sich an ihm hoch und klammerte sich an seinen Hals. Seine Beine ruhten auf den Ausbuchtungen des Kork, aus denen die dünnen, stangenartigen Laufglieder hervortraten. Er musste in jedem Fall an Vorderster Front sein, um ohne Verzögerung zu erfahren, wann ihre Aufgabe erfüllt, und damit der unselige Packt mit den Langen Schatten aufgehoben war. Niemand wusste, wann die Korks nach Erfüllung des Auftrags von Suäl Graal wieder freigegeben werden. Vielleicht schon in dem selben Augenblick der Vernichtung des Fremden, vielleicht auch erst etwas später – wenn die Korks wieder zurückgekehrt waren, und sich direkt unter ihnen befanden. Die Korks konnten ja schließlich nicht sagen, ob ihr Angriff erfolgreich war. Die Stämme der Afetiten hätten sich erst selbst überzeugen müssen – und dann wäre es für eine angemessene Reaktion möglicherweise bereits zu spät. So war es sein Plan, bei erfolgreicher Vernichtung des fremden Wesens, das sich bei dem Unteren Squatsch aufhielt, drei Pfeile gleichzeitig senkrecht in den Himmel zu schießen.

Für die Langen Schatten – so war die offizielle Verabredung – hätte es die Bedeutung, dass sie und die Grabenmacher zur Unterstützung des Kampfes aufrücken sollten. Die Stämme der Langen Schatten und die der Grabenmacher sollten sich zu diesem Zwecke trennen, um von zwei Seiten gleichzeitig in den Kampf eingreifen zu können. Auf diese Weise wäre für die Grabenmacher die benötigte Distanz gewährleistet, und sie könnten sich im entscheidenden Moment zurückziehen, während die Langen Schatten in die Falle der Korks geraten würden – die entweder noch den Befehlen Rahons gehorchten, oder aber inzwischen frei waren. Das Eine bedeutete wie das Andere das Ende der Langen Schatten.

Rahon verlor keinen Gedanken daran, dass sein Entkommen aus dieser Situation mehr als fraglich war. Aber eben genau das war seine Stärke – und es lag außerhalb der Vorstellungskraft der Langen Schatten, dass Rahon sich bedenkenlos selbst opfern würde – auch das war im Kalkül Rahons eingegangen.

Das Aufsitzen Rahons auf den Kork war das Zeichen für die Afetiten, eine gemeinsame Salve von ihren Bögen auf den Ort abzuschießen, wo sich die Gestalt zeigte. Es war aus dieser Entfernung sicherlich noch nicht sehr effektiv, aber mit etwas Glück konnte der Vorteil dieses Überraschungsmoments sogar bereits die Entscheidung bringen – immerhin sollte dem Fremden jetzt noch die Deckung fehlen. Rahons Augen folgten der Wolke aus Pfeilen, die bereits ihren höchsten Punkt erreicht hatten, und sich nun langsam gegen das Ziel neigte. Die Gestalt auf dem Felsen war inzwischen wieder verschwunden.

Die Korks kamen schnell voran. Im Laufschritt sprangen sie mehr, als das sie liefen, und auch den leichten Anstieg schienen sie nicht einmal zu bemerken. Allein ihr Krächzen war in solch unmittelbarer Nähe, mitten unter ihnen, schier unerträglich.

Rahon stutzte. Dort oben bewegte sich etwas auf sie zu, und es war nicht schwer zu erraten, was es war. Eine kleine Lawine aus mehreren Felsbrocken stolperte ihnen mit zunehmender Geschwindigkeit entgegen. Vielleicht war es Zufall. Aber es schien ihm nicht sehr wahrscheinlich. Der auf dem Felsen gestanden hatte, musste die anrückenden Heere gesehen haben, soviel war sicher. Das wiederum konnte nur bedeuteten, das die Steinlawine die erste Reaktion des Feindes war – ein erster Verteidigungsakt, ... oder die Vorbereitung zu einem Angriff ...!

Er sah um sich in die ausdrucklosen Fratzen der Korks. Was sollte er ihnen Befehlen? Bemesst die Steine, die da vorn das Allsein verdrängen? Die Legenden beschreiben die Korks als ,Besondere Apparate’ – geschaffen, das sein dem Allsein zuzuführen. Rahon hatte, wie fast alle Afetiten, seine Erfahrungen mit den Korks, und so wusste er, dass Korks nicht gemacht waren, um vor irgend etwas auszuweichen, von dem sie angegriffen wurden ...

Er beobachtete den stolpernden Lauf der einzelnen Brocken aufmerksam, und versuchte abzuschätzen, wo sie in die breite Front der Korks einbrechen würden. Es war aber kaum möglich, dies mit Sicherheit voraus zu sagen. Er hoffte nur, das er selbst von ihnen verschont blieb, denn ohne ihn wären die Stämme der Grabenmacher vielleicht verloren.

Dann geschah es. Scheppernd krachten die Geschosse in die Reihen der ehernen Kreaturen und rissen lange Schneisen in sie hinein. Nur vielleicht zehn Reihen neben ihm riss einer der Brocken die stählernen Leiber auseinander. Die harten Einschläge schlugen eine Welle der Zerstörung in die Korks, die sich beidseitig der steinernen Geschosse während ihres Eindringen fortsetze. Die auslaufende Welle des nächst liegenden Einschlags neben ihm erreichte noch gerade seinen direkt benachbarten Kork. Der bekam einen kräftigen, seitlichen Stoß von einem stürzenden Kampfgenossen – und rammte seinerseits jenen Kork, auf dem Rahon ritt. Der kam einen Moment ins taumeln – fiel aber glücklicherweise nicht.

Rahon atmete tief durch ... Unberührt und mit dem Gleichmut eines Treppenwurms wurden die geschlagenen Lücken sofort wieder von nachrückenden Korks besetzt.

In unmittelbarer Nähe des Felsens, auf dem vorher die Gestalt erschienen war, ließ er halten. Es reichte völlig aus, wenn ein einzelner Kork seine Befehle hörte, oder sonstwie wahrnahm. Alle anderen wussten es damit offenbar auch. Er sprang nur kurz vom Rücken seines zweistelzigen Gefährts, um die Deckung eines Felsen zu nutzen. Ohne weitere Verzögerung setzte sich der Tross sofort wieder in Bewegung.

Mit einer gewissen Faszination betrachtete er die endlos anstürmenden Massen der gleichförmig formatierten Korks – wie sie sich kurz vor seinem schützenden Fels wie ein einziger Körper, gemeinsam reagierend, kurz aufspalteten, um sich hinter dem Stein sofort wieder zusammen zu schließen.

Der gleichförmige Tritt ihrer Laufglieder wirbelte eine Menge Staub auf. Rahon zog sein leichtes Tuch vom Hals, und band es schützend vor die Augen. So wartete er ab, bis endlich die letzte Reihe seiner unwirklichen Kampfgefährten seine Deckung passiert hatten. Gebannt lauschte er dem sich entfernenden Rhythmus der federnden Schritte – jeden Moment erwartend, darüber die untrüglichen Zeichen eines beginnenden Kampfes zu vernehmen. Die ersten Reihen der Korks sollten das Ziel schon erreicht haben ...

Doch entgegen seiner Erwartung trat plötzlich Stille ein!?

Vorsichtig kroch er aus seiner Deckung hervor. Tatsächlich waren die letzten Reihen der Korks nicht sehr weit gekommen – sie standen nun kaum einen Steinwurf vor ihm in vollkommener Bewegungslosigkeit. Für einen Moment war Rahon irritiert und dachte angestrengt nach. Das hier passte nicht in seine Vorstellungen des Ablaufs der Sache ...

Es konnte Zweierlei bedeuten: Entweder sie hatten ihr aufgetragenes Werk bereits vollendet, und es gab nichts mehr zu tun – die Überraschung des Pfeilregens hatte den Kampf bereits entschieden – oder aber es gab niemanden an dem Ort, der bekämpft werden konnte ...? Die erste Möglichkeit schloss ein, dass ihm vielleicht keine Zeit bleiben würde, rechtzeitig die Pfeile abzuschießen, bevor die Korks nunmehr über ihn herfielen. Er konnte ja das Zeichen erst geben, wenn er sich von der tatsächlichen Vernichtung der Fremden überzeugt hatte ... Zweitere würde lediglich bedeuten, dass die Jagd noch nicht zu Ende war.

Vielleicht gab es aber auch noch eine dritte Möglichkeit – eine, die ihm nicht in den Sinn kommen wollte ...

Er zog seinen Bogen von der Schulter und legte drei Pfeile in die Sehne, bevor er sich auf den Weg machte. Er wollte wenigstens jederzeit für das Zeichen bereit sein.

Vorsichtig schlängelte er sich kurz darauf durch die dichten Reihen der Korks, die bislang keinerlei Notiz von ihm nahmen. Sein Kopf bewegte sich ohne Unterlass hin und her. Es war nicht leicht, sich durch den getrübten Blick des Tuches zu orientieren, und gleichzeitig dabei etwaige verräterische Bewegungen der Korks nicht zu übersehen. Das Tuch von den Augen zu nehmen, wollte er aber auch nicht riskieren, bevor er nicht wusste, was sich an der Spitze der Korks vielleicht abspielte. Die Warnung Suäl Graals war eindeutig.

Endlich hatte er die vorderste Reihe erreicht. Er blickte angestrengt zwischen sie hindurch. Er sah auf einen lichten Ort – und dieser Ort war leer ...

Rahon ließ den Bogen sinken und streifte das Tuch von den Augen. Er drängte sich durch die letzten Korks hindurch und betrat die freie Fläche. Sein Blick fiel sofort auf das Loch im Boden, das sich nicht weit von ihm auftat. Er lief hinüber und schaute nachdenklich in die große, und unübersehbar frisch aufwühlte und tiefe Kuhle, und versuchte sich einen Reim darauf zu machen. Die Stirn in Falten gelegt, schaute er über das Land ... Dessen Zeit auch immer hier das Allsein verdrängte, kann noch nicht weit gekommen sein, dachte er bei sich.

Sein Blick fiel auf zwei reliefartige Eindrücke auf der anderen Seite der Mulde. Er lief um die Grube herum und betrachtete nachdenklich die deutlichen Abdrücke. Rahon war kein besonders begabter Spurenleser, aber das musste man hier auch nicht sein, um sofort zu bemerken, dass es sich hier um die Abdrücke von Läufen handelte. Er legte überlegend den Kopf auf die Seite. Läufe solchen Ausmaßes hatte er noch nie gesehen. Gehörten sie dem fremden Wesen, das sie dem Allsein zuführen sollten?

Rahon nickte: So wird es das Allsein verdrängen! – und er meinte eine Vorstellung von der Kraft dieses Wesens zu bekommen. Aber immerhin – es war vor ihnen geflohen!

Wieder suchten seine Augen den Blick in die Weite des Landes „Etwas, das flieht, fürchtet zu unterliegen. Es ist also besiegbar!“, Sagte er leise zu sich, und kehrte zurück zu den Korks.

Die Jagd war noch nicht vorbei, wusste er nun. Doch alle Zeit ist bemessen in ihrem Ende. Dieses Gesetz kennt keine Ausnahme. So würde auch die Zeit der Jagd ihr Ende finden. Daran konnte es keinen Zweifel geben.

Er bestieg wieder einen der Korks und gab den Befehl zum Rückzug. In weiten Schritten lief das Heer wieder hinunter zu den Stämmen. Rahon bemerkte nicht zum ersten Mal auf seinem Ritt, dass die Korks die Stöße ihrer schweren Körper bei den Sprüngen mit ihren stelzenartigen Beinen erstaunlich gut abfingen. Es war fast bequem, auf ihnen zu reiten. ...

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KISHOU II

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