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Flucht

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Zu viele Zeiten waren vergangen, seit der letzte Dompteur unter ihnen war. Zu viele Zeiten, als das es eine Erinnerung daran gab, was einen Dompteur ausmachte, und wie er einzuschätzen war.

Tek war zu schmächtig, als das man in ihm vor seiner Prüfung einen tatsächlichen Dompteur vermutet hätte. Ein Dompteur musste groß und stark sein – so hätte man aufgrund seiner Fähigkeit den Rjuchhu zu bezwingen, eher erwartet. Und so wenig, wie man über die Zeit von seinem Äußeren verstand, so wenig verstand man von dem, was sein Inneres ausmachte.

Tek wusste lange schon, dass diese Zeit kommen würde, und ebenso lange wusste er, dass er dem Drängen seines Stammes nicht folgen konnte. Er war lange genug unter ihnen, als das er nicht auch wusste, was dann geschehen würde. Er fürchtete diesen Moment, der keinen Raum des Ausweichens bot. Und dennoch wollte er nie die Hoffnung aufgeben, dort bleiben zu können, wo von Anbeginn seiner Zeit sein Revier war. Und so war auch eine Trauer in ihm, denn es war der Moment der Gewissheit, dass sein Stamm ihm nicht folgen würde – das er allein war. Lange schon hatte er sich auf diesen Tag vorbereitet ...

Tek ging, so weit es die Enge des Raumes noch zuließ, in die Hocke, und sprang dann senkrecht in die Höhe. Als er wieder zurückfiel rammte er seine Füße mit aller Macht in den festen Boden. Ein dumpfes, hohles Geräusch war zu vernehmen, bevor der Boden unter seinen Füßen nachgab, und er in ein tiefes Loch unter sich viel. Tek war ein Afetit vom Stamme der Grabenmacher, und er hatte nicht nur seine Lektionen als Dompteur gut gelernt ...

Der Gang, der sich nun vor ihm auftat, war nicht besonders geräumig. Er war nur geschaffen, einen einzigen Afetiten aufzunehmen – der zudem nicht besonders groß war. Er hatte ihn nur für sich und für diesen Moment heimlich gegraben – vor langer Zeit schon.

In gebückter Haltung hastete er den engen Gang entlang, der nur einen Weg kannte, und ohne jede Abzweigung direkt zu einem bestimmten Ort führte. Als der Gang endete, fand er dort jenes Werkzeug, dass das wichtigste eines jeden Grabenmachers war – einen Spaten. Er hatte ihn einst dort abgelegt, um sich dicht hinter der starken Befestigung des Ortes wieder nach oben zu graben. Dort fand er auch einen Bogen und einen Spinschuh.

Der Bogen war nicht irgendein Bogen, wie jeder Afetit ihn sein Eigen nannte, und wie auch er bislang einen unter den Grabenmachern besaß. Seine Zeichnung verriet, dass dieser hier von der Wurzel eines Turkelbaumes stammte, der schon sehr alt gewesen war. Es bedurfte sehr viel Mühe, Zeit und Geschick, aus ihr einen Bogen heraus zu schälen. So war es ohne Zweifel der Bogen eines Dompteurs, denn nur ein Solcher verstand sich in dieser hohen Kunst. Tek fand ihn seinerzeit tief in der Erde, als er den Tunnel für seine Flucht grub, und er musste dort schon undenkliche Zeiten gelegen haben. Das Signum seines Schöpfers war an einem Ende des Schaftes eingebrannt – ein Bogen, in dem fächerartig angeordnet drei Pfeile lagen.

Das Zeichen war ihm auf seltsame Weise vertraut. Wenngleich er doch meinte, es nie zuvor gesehen zu hatte, so wusste er doch, dass der Bogen über all die Zeiten hier auf ihn gewartet hatte ...

Es dauerte nicht lange, und sein Spaten durchstieß die letzte handbreit Erde, die ihn noch von der Freiheit trennte. Lautlos machte er sich im Schutze der Dunkelheit in die öde Steppe davon ... .

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KISHOU II

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