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Das Tröpferlbad Volksbad 16, Friedrich-Kaiser-Gasse 11, 1160 Wien

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Die Bezeichnung „Tröpferlbad“ leitet sich vom spärlichen Wasserdruck aus den oberen Etagen her – dort befanden sich die Tanks, die an hygieneintensiven Tagen rasch an ihre Grenzen stießen. Das Wasser floss dann nur tropfenweise aus den Brauseköpfen. Gemeint ist die Zeit der Eröffnung des ersten Wiener Volksbades. Man schrieb das Jahr 1887. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges errichtete die Wiener Stadtverwaltung weitere achtzehn Brausebäder. Gezählte dreieinhalb Millionen Menschen versammelten sich pro Jahr im städtischen Getröpfel. Das bedeutet: Bei der damaligen Bevölkerungszahl von zweieinhalb Millionen hat sich jeder Wiener jährlich eineinhalb Mal geschrubbt. So richtig sauber waren sie nicht, unsere Ahnln. Im Krieg riecht man eben nicht so genau hin. In den Fünfzigerjahren baute das Komiker-Duo Pirron & Knapp dem Tröpferlbad ein musikalisches Denkmal. Seit damals hat es der Duschkopf längstens ins kollektive Gedächtnis der Stadt geschafft.

Heute gibt es nur noch ein einziges „reines“ Brausebad, das Volksbad 16. Wo schon? In Ottakring, im Parterre eines Gemeindebaues. Pirron & Knapp schaut’s oba.

„Ja?“

Ich erschrecke. Die Bedienung ist prompt zur Stelle. Ich stehe vor der Portiersloge in der Größe einer Mikrowelle inmitten eines Nirosta-Paradieses. Die Türe hinter mir schließt sich, die Welt bleibt außen vor.

„Was wollen Sie?“

Ich sage, dass ich duschen möchte – eigentlich.

„Eigentlich?“

Ein Drachen undefinierbaren Alters mustert mich von oben bis unten. „Sie?“ Die Dame mag an schrullige Personen gewöhnt sein, ich aber bereite ihr, scheint’s, Kopfzerbrechen.

„Ja, ich.“ Schuldbewusst blicke ich mich um.

„Weshalb?“, fragt die Person hinter der Glasscheibe.

Ich beuge mich zum Sprechfenster hinunter, sie geht vorsichtshalber zwei Schritte rückwärts. „Weil ich es nötig habe“, flüstere ich.

„Ich kenne meine Pappenheimer. Sie gehören nicht dazu.“

„Ist das Lokal öffentlich oder nicht?“

„Aber nicht für Sie. Sie haben heute schon geduscht.“

„Woher wissen Sie das?“

„Meine Nase.“ Der Terrier hat sich inzwischen in der Nähe des Gummibaumes verschanzt.

„Was kostet der Spaß?“, frage ich.

„Sie haben kein Handtuch dabei.“

„Brauche ich das?“

„Zum Duschen nicht, aber zum Abtrocknen.“ Wo sie recht hat, hat sie recht. „Was wollen Sie hier?“

Ich rücke mit der Wahrheit heraus. Ich möchte ins letzte Tröpferlbad Wiens. Einfach so. „Ist das verboten?“


In Ottakring steht das letzte Tröpferlbad.

„Weshalb?“

„Ich möchte ein paar Fotos schießen.“

„Nicht von mir. Hier wird geduscht und sonst nix.“

„Okay …“, sage ich, „was bin ich schuldig?“

„Zwei siebzig. Die Stunde.“

„Und wenn ich kürzer dusche?“

„Sie haben kein Handtuch.“

Wir drehen uns im Kreis. Ich lege die Münzen auf die Resopal-Fläche.

„Sie duschen ohne Handtuch?“

„Das tue ich immer.“

Die Frau lässt mich nicht aus den Augen, dann tippt sie den Betrag in die Registrierkasse und wurschtlt den Bon durch den Sprechschlitz. „Sie werden von mir kein einziges Foto machen.“

Ich betrete das Allerheiligste. Ein langer Gang.

„Rechts die Männer, links die Frauen. Toilette ums Eck.“ Wie aus dem Nichts steht die Zerberussin hinter mir. Rückzug ist nicht mehr.

„Haben Sie eine Seife?“, frage ich und ahne die Antwort. Die Alte sieht mich einfach nur feindselig an.

„Einundzwanzig.“ Sie schließt eine Stahltüre auf.

„Helfen Sie mir beim Ausziehen?“

Ich war schon mal besser.

„Wenn Sie in einer Stunde nicht draußen sind, hol ich Sie höchstpersönlich raus.“

„Was soll ich eine Stunde da drinnen tun?“

„Duschen.“

Die Frau wendet sich um und schlurft den langen Gang entlang. Ich blicke ihr nach und höre, wie sie hinter der Ecke stehen bleibt. Ich fühle mich plötzlich sehr einsam. Nirosta. Der winzige Raum ist nach oben hin ausbruchsicher vergittert. Aus der Zelle neben mir höre ich ein Geräusch. Ich beuge mich hinunter und sehe durch den Bodenschlitz ein Paar Gesundheitsschuhe, darin die Person von vorhin. Ich entkleide mich und stelle mich unter Dusche einundzwanzig. Lange. Der Strahl ist dünn. Offenbar ist in den oberen Stockwerken gerade Wasserverbrauch angesagt. Im Sechzehnten hat sich nicht viel verändert. Ich versuche mich anzuziehen, was gar nicht leicht ist, denn die Kleider wurden ordentlich gewassert (der Haken ist unmittelbar neben der Brause angebracht). Vorsichtig öffne ich die Türe. Der weiße Mantel sieht mich feindselig an.

„Und? Haben Sie fotografiert?“

„Ich habe geduscht.“

„Brav“, sagt die Wärterin und wischt mit einem Schrubber die Bodenfliesen entlang.


Das Nirosta-Paradies

„Ich gehe jetzt“, sage ich. Tröpferlnass.

„Sie können noch bleiben. Fünfzig Minuten haben Sie noch.“

„Wofür?“, frage ich.

Die Frau lächelt ein zahnloses Lächeln. „Zum Tratschen. Weshalb kommen die Leute sonst hierher?“

Wien-TIPPS

5 x Spaziergänge

Flieder-Wahnsinn:

Friedhof St. Marx, Leberstraße 6, 1030 Wien

Übers Kopfsteinpflaster:

Stammersdorfer Kellergasse, 1210 Wien

Schönste Aussicht über die Stadt:

Wienblick Baderwiese, Lainzer Tiergarten, 1130 Wien

Weinberg-Weg:

Rund um das Kahlenbergerdorf führt eine Vielzahl von schönen Spazierwegen quer durch die Weinberge, 1190 Wien

Wo im Frühjahr die Adonisröschen blühen:

Himmelswiese Mauer, Rysergasse 39, 1230 Wien

5 x Beisln

Urigster Heuriger:

Die blaue Nos’n, Johann-Staud-Straße 9, 1160 Wien

Bester Fernöstler:

Umami, Lerchenfelder Straße 88–90, 1080 Wien

Bestes Wirtshaus:

Zum alten Beisl, Rotenhofgasse 4, 1100 Wien

Bester Fisch-Dalmatiner:

Restaurant Split, Hetzendorfer Straße 165–187, 1130 Wien

Bestes Frühstück:

Teehaus Haas & Haas, Stephansplatz 4, 1010 Wien

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