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Das Wasser Im Höllental zwischen Rax und Schneeberg

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Der Weg führt über Stock und Stein, immer die Schwarza entlang. Rechts von mir gipfelt der Schneeberg, ein markantes Bergmassiv, dessen Steilflanken über zweitausend Meter aufragen. Links hinter mir liegt die nur wenige Meter niedrigere Rax. Die Wiener Hausberge sind nicht zu übersehen. Getrennt werden die beiden Felsgiganten durch ein Tal, das seinen Namen zu Unrecht trägt: das Höllental. Der Weg, den ich gehe, ist einer der schönsten und spektakulärsten im Nahbereich Wiens. Mal führt er über Steige und Leitern an Felswänden entlang, dann geht’s hinunter zum Flüsschen, über eine Hängebrücke ans gegenüberliegende Ufer, über Waldwege und Pfade, hinauf und hinunter, links und rechts der Bundesstraße, geradewegs in Richtung „Hölle“. Und irgendwann ist sie dann erreicht, bloß, dass sie hier einen profaneren Namen trägt: Kaiserbrunn.

Genau hier ist vor bald dreihundert Jahren Kaiser Karl VI. während eines Jagdausfluges vom Pferd gestiegen und hat einen Humpen herrlich kühlen Quellwassers getrunken. Die Jagd hat ihn erschöpft. Auch das ewige Regieren. Immerhin hat er ein paar kraftraubende Jobs umgehängt bekommen, von denen er sich hier, in den niederösterrei-chischen Rocky Mountains, erholte. Er war nicht nur Kaiser von Österreich, sondern unter dem Namen Károly III. König von Ungarn und Kroatien, als Karel II. König von Böhmen, als Carlos III. Gegenkönig von Spanien, als Carlo VI. König von Neapel und, nach dem Frieden von Utrecht, zum Drüberstreuen auch noch Doppelkönig von Sardinien und Sizilien. Da kann man sich schon mal einen Schluck gönnen. Es blieb nicht bei dem einen. Da ihm das kühlende Nass so gut schmeckte und es zudem auch sein kaiserlicher Hausund Hofarzt für besonders gesund befand, ließ er es durch eigens bestellte „Wasserreiter“ nach Wien bringen. Bei Kaisers gab’s ab diesem Zeitpunkt nichts anderes zu trinken als Wasser aus dem Schneeberggebiet.


Der erste Wiener Wasserleitungsweg

Weitere hundertfünfzig Jahre später, der nächste Coup: Franz Joseph I., Sisi-Bevollmächtigter des nachkriegsösterreichischen Kinounwesens, ließ sich nicht lumpen und machte der Wiener Bevölkerung anlässlich der Eröffnung der Ringstraße ein imperiales Präsent: Die Kaiserbrunnquelle, die einst sein Ur-Ur-Uropa entdeckte, wurde per Schenkungsvertrag der Stadt Wien überantwortet. Noch heute ist die ferne Hauptstadt Eigentümerin des nach ihr benannten „Wiener Wassers“. Der Engländer Antonio Gabrielli wurde mit der Fassung der Quelle und dem fünfundneunzig Kilometer langen Tunnelsystem, das in stetigem Gefälle in Richtung Endverbraucher führt, beauftragt. Zwar kam eine zweite und dritte Wasserleitung hinzu, das vom gelernten Büchsenmeister und siebenfachen Regenten Karl entdeckte Wasser aber sprudelt auch heute noch und erfreut die durstigen Wiener wie am ersten Tag.

Die feierliche Eröffnung der I. Wiener Hochquellenwasserleitung fand am 24. Oktober 1873 beim Hochstrahlbrunnen am Schwarzenbergplatz in Wien statt. Das Tunnelsystem kostete sechzehn Millionen Gulden (für den Monarchen nicht mehr als ein paar Netsch) und wurde als Rettung vor Wasserknappheit und Seuchen gefeiert. Entlang der Strecke baute man dreißig Aquädukte. Heute werden pro Tag zweihundertzwanzig Millionen Liter aus der „Hölle“ nach Wien zum Wasserschloss am Rosenhügel befördert.

Erschöpft erreiche ich die Quelle. Der Tag ist heiß. Sehr heiß. Ich nehme einen Schluck aus meiner Flasche. Es schmeckt schal, lauwarm sowieso. Ein Arbeiter nähert sich dem grün gestrichenen Tor des Wasserschlosses. „Kann man hier einen Schluck Wasser trinken?“, frage ich.

„Nein.“

„Ist das hier nicht die Quelle der Wasserleitung? Ich komme aus Wien, bin durch die Hölle gegangen und dementsprechend durstig.“


Wasserschloss: Von Kaiserbrunn gelangt das Wasser bis nach Wien.

„Dann trinken S’ halt an Schluck“, sagt der muffige Typ, auf dessen blauem Overall die Aufschrift „Wiener Wasser“ prangt.

„Ich würde gerne. Bin ich nicht hier an der Quelle?“

„Ja, aber des Wossa is für Wien und ned für Ihna.“

„Ich komme aber aus Wien.“

„Dann fahren S’ z’ruck und trinken S’ dort an Schluck.“ Der Mann steigt in seinen Dienstwagen und weg ist er.

Ich gehe den gleichen Weg über Stock und Stein zurück, fahre nach Wien und nehme einen kühlen Schluck Wiener Wasser zu mir. Kaisers wussten, was gut ist.

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