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Rund um die Mohrenberger Alm I

Heute will ich nichts entdecken, heute bin ich privat unterwegs. Ich wandere also in Richtung Heide, vorbei an der Region der Ziesel und Heidschnucken und tapse alsbald durch das Unterholz schmaler Waldwege. Ein Wigwam steht da. In welchen Film bin ich geraten? Menschen im Zelt? Nix da. Das Tipi ist leer. Daneben ein Gittertor. Auf einem Zettel steht „Eintritt erlaubt“, ich trete ein. Zu meiner Rechten befindet sich ein Holzschuppen, anschließend daran ein Knusperhäuschen. Oben, unter dem Giebel, hängt ein blaues Schild: „Mohrenberger Alm“. Wie jetzt? Eine Holzterrasse. Niemand zu Hause. Ich öffne die Türe. Muffig. So mag früher eine Heurigenschank ausgesehen haben. Wackelige Stühle, ebensolche Tische. Ein Kühlschrank. „Selbstbedienung“ steht darauf, darunter, schon etwas verblasst, „Öffne mich“. Ich öffne dich. Drinnen liegen ein paar Flaschen. Es ist da, was da ist: Neuburger, Weißburgunder, ein paar Schnäpse, Fruchtsäfte. In der unteren Etage ein Stück Speck, Aufstrich, Käse vom Schaf und von der Kuh, unter einem Fliegensturz, ein Laib Brot.

„Eins fünfzig.“ Hinten bei einem Fenster, dessen Laden geschlossen ist, hockt ein alter Mann. Ich erschrecke. „Ich habe Sie gar nicht gesehen“, sage ich. „Ich weiß“, sagt er. Er hält ein Glas in der Hand und sieht mich unverwandt an. Ich nehme ein Stück Käse (von der Kuh), eine Scheibe Brot und bediene mich vom Neuburger, dann gehe ich auf die Terrasse hinaus. Der sonnige Spätsommertag strahlt noch genug Hitze ab, weswegen ich mich in den Schatten setze. Von hier aus hat man eine prächtige Aussicht über die Heimat, das südliche Wien. Weinberge, Hügel, gedrungene Häuser. Peripherie. Trotzdem ich mich nur ein paar Meter aus der Stadt hinausgewagt habe, verspüre ich bereits Sehnsucht nach ihr.

Das Glas ist beschlagen, der pitschkalte Weißwein schmeckt nach Niederösterreich. Ich öffne mein Notizbuch und beginne zu schreiben. Die zweite Auflage meines Reisebuches Von Träumen und Schiffen steht an und ich möchte noch ein paar Texte korrigieren. Gerade gehe ich an Bord des Frachtschiffes MS Karina. Auf diese Fahrt hatte ich mich schon lange gefreut, die Reise ging hoch hinauf in den Norden, in Richtung Mälaren-See. Sie sollte mich noch viel weiter führen – bis hin zu meinem längst verstorbenen Vater. Nur wusste ich das anfangs noch nicht. Ich arbeite und vergesse dabei die Zeit. Das Glas ist längst leer. Wind kommt auf, mich fröstelt.

„Ich bin jeden Tag hier.“ Der Alte steht offenbar schon längere Zeit hinter mir. Ich habe gerade keine Lust auf Unterhaltung, ich will lieber meinen eigenen Gedanken nachhängen. Als ich das nächste Mal aufblicke, sehe ich ihn den Weingarten hinuntersteigen. Er nimmt den Weg, der an den Reben vorbeiführt und am Fuße der Weinberge hinter den ersten Häusern verschwindet. Ich gehe nach drinnen. Der Alte hat mir offenbar eine Botschaft hinterlassen, denn auf dem Kühlschrank steht, mit Filzstift gekrakelt: „Nennt mich Ishmael“.

Der Bioweinbauer, Bastler und Baumstutzer Ernst Mohrenberger betreibt noch ein weiteres Juwel: Die Mohrenberger Alm II, drüben, ein paar Schritte vom 60er entfernt. Am Weg zur Elektrischen mache ich auch dort noch halt.

Wer wissen will, wie sich ein Heuriger anfühlt, muss genau dort hin. Ein paar Radeln Wurst, Liptauer, Sardellenringerln. Wein sowieso. Ich sitze in einem Holz-Salettl, das jeden Moment einzustürzen droht und einem Motiv des Alt-Wien-Malers Franz Barbarini gleicht, und denke mit Wehmut, dass es Orte wie diesen einfach nicht mehr gibt. Dürfte es eigentlich auch nicht, aber der schlaue Herr Mohrenberger hat die Holzhütte auf einen fahrbaren Untersatz gestellt, um den Magistratsrittern, die die Keusche am liebsten abgerissen sähen, zuvorzukommen. Dazu müsste sie aber auf Grund und Boden verankert stehen. Der Don Quijote von P’dorf ficht seine Windmühlenkämpfe schon lange aus. Noch steht das Juwel. Mein Blick streift erneut über die Weinberge, diesmal hügelaufwärts. Zwischen den Reben taucht eine Figur auf, deren Gang ich kenne: der Alte von vorhin. Er bleibt an meinem Tisch stehen und legt zwei Münzen vor mich hin. Eins fünfzig.

„Das Achtel geht auf mich. Du schreibst übers Meer.“ Sagt’s und verschwindet in Richtung 60er.

Wien-TIPPS

5 x Einkaufen

Im Zweiten kauft man die besten Hendln am Karmelitermarkt, Stand 58 bei Tubic Geflügel. Die besten Hamburger Fischbrötchen isst man im Wulfisch, Haidgasse 5, 1020 Wien. Venezianisch/Triestinisch bekochen lässt man sich von Bestsellerautor Wolfgang Salomon in der Spezerei, Karmeliterplatz 2, ebenfalls im Zweiten. Den besten Käse besorgt man in der Lingenhel Käserei, Landstraßer Hauptstraße 74, 1030 Wien. Der frischeste Fisch wartet bei Umarfisch am Naschmarkt, gleich neben der Secession.

5 x Wiener Märkte

Märkte gibt’s in jedem Grätzl, man muss nur wissen wo … zum Beispiel den Flohmarkt an der Kettenbrücke, Hannovermarkt im 20., Volkertmarkt zwischen Prater und Augarten, Viktor-Adler-Markt im 10. und Yppenmarkt im 16. Hieb.

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