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Viertes Kapitel

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Inhaltsverzeichnis

Ich weiss nicht, wie ich auf die Brücke gelangte; es war augenscheinlich schon spät, denn die Lichter in den Buden am Kai waren verlöscht und niemand kam vorüber. Müde vom Umherirren durch unbekannte Strassen, von Liebe, Eifersucht und Wut zerrissen, ohne mir sagen zu können wohin ich meine Schritte lenken solle, lehnte ich mich ans Brückengeländer und begann in den schwarzen Fluss hinunterzustarren, auf dessen vom Winde gekräuseltem Wasser der Widerschein einiger weniger Sterne zitterte. Der Gedanke an Selbstmord lockte und schreckte mich zugleich. Die Hauptsache war, dass man dann nicht an die Zukunft zu denken brauchte. Aber das Wasser ist so dunkel, wahrscheinlich sehr kalt; beim Ertrinken steht so viel unwillkürlicher Kampf mit dem Tode bevor, es ist dann schon besser sich zu erhängen, das kann man auch am Tage tun, wenn alles viel heiterer ist. Unter solchen Gedanken hatte ich nicht bemerkt, dass ein Häuflein Menschen mit einer Laterne die Brücke betreten hatte; alle waren der Kälte wegen in ihre Mäntel eingewickelt, den Stimmen nach konnte man annehmen, dass die Gesellschaft aus zwei Frauen und vier Männern bestand. Als die Leute an mich herangekommen waren, leuchtete der Laternenträger mir ins Gesicht und sagte mit grober Stimme:

„Was ist das für ein Kerl? Ein Selbstmordkandidat?“

„Ha! ein bekanntes Gesicht,“ kam es aus der Gruppe, „ist das nicht gar das Küken von Madame de Tombel, der bezaubernden Louise?“

„Ein Aas — diese Dame,“ sagte eine heisere Frauenstimme.

„Aber was macht dieser kleine Adonis hier? Warum steckt er nicht im Bette seiner Herrin, sondern steht auf der Seinebrücke herum?“ fragte ein Mann von niederem Wuchse mit seiner Fistelstimme.

„In der Tat, wohin gehen Sie allein, ohne Mantel, zu dieser Stunde? Das ist durchaus nicht so ungefährlich!“ meinte, mich beiseite nehmend, François de Saucier (ich erkannte ihn jetzt an Augen und Nase). Ich erzählte ihm kurz, aber ziemlich verwirrt, meine Geschichte. Er lächelte und sagte ernst:

„Wunderschön, aber ich sehe bloss, dass Sie sehr naiv sind, und dass Sie kein Obdach haben. Diese Nacht verbringen Sie am besten mit uns. Wir überlegen dann was weiter zu tun sein wird. Über Nacht kommt Rat, nicht wahr?“ Dann schloss er sich wieder der Gesellschaft an und erklärte laut:

„Freunde, Mademoiselle Colette, für heute vergrössert sich unsere Gesellschaft um diesen reizenden Jüngling, er heisst Aimé, wer hat etwas dagegen? Als Herrin des Hauses hast du das erste Wort, Colette.“

„Er ist der Siebente und läuft Gefahr ohne Anschluss zu bleiben,“ sagte ein hochgewachsenes Frauenzimmer, das Colette angeredet wurde.

„Oder noch schlimmer, er raubt jemand von uns seinen Anschluss.“

„Zum Teufel, so rührt euch doch, auf der Brücke bläst ein Höllenwind und das Licht in der Laterne geht zu Ende! Zu Hause werden wir uns schon verteilen,“ rief der Laternenträger.

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