Читать книгу Geschichten - Michail Alexejewitsch Kusmin - Страница 22
Erstes Kapitel
ОглавлениеSchon in Paris stellte es sich heraus, dass François, statt der Schatulle aus Palisanderholz, in der der Herzog einen grossen Teil seines Geldes aufbewahrte, eine ähnliche aus dunkelm Eichenholz mitgenommen hatte, in welcher, ausser Rechnungen und Schlüsseln, sich nur eine Summe von Louisdors befand, die gerade ausreichte ohne Sorgen nach Italien zu gelangen, keinesfalls aber uns der Mühe enthob unser Glück weiter zu suchen. Die Schlüssel warfen wir fort, die Rechnungen wurden verbrannt. Nachdem wir weidlich auf unser Schicksal geschimpft hatten, beschlossen wir, da das Geld für ein sorgenloses Leben, sowieso, nicht reichte, es auszugeben, ohne zu geizen. Dieser leichten und angenehmen Beschäftigung gaben wir uns mit einem solchen Eifer hin, dass wir, als wir in Prato angelangt waren, bemerkten, das Geld reiche kaum noch, um nach Florenz zu gelangen und uns dort einzurichten. Dafür aber hatten wir neue Hüte, modische geblümte Kamisols und gefütterte Mäntel, denn der Winter nahte. François’ Mantel war schokoladenfarben, meiner, weil ich blondes Haar hatte, himmelblau. Im Gasthofe am Domplatz bewohnten wir ein Zimmer im zweiten Stock. Neben uns lebten zwei Frauen, anscheinend Italienerinnen. Ich hatte Gelegenheit sie im Korridor zu sehen, als sie zur Messe gingen. Die ältere war klein von Wuchs, hatte eine lange Nase, war ganz in Schwanz gekleidet und schien mir buckelig zu sein, die jüngere, eine etwas magere Blondine, sah mit ihrem bleichen, ein wenig verlebten und schmachtenden Gesichtchen, in einem bescheidenen rosa Fähnchen ganz anziehend aus.
„Habe nichts Besseres zu tun, als jeder Herumtreiberin meine Aufmerksamkeit zu schenken,“ antwortete mir François, als ich ihm meine Beobachtungen mitteilte. Abends ging er mit einem Florentiner, dessen Bekanntschaft er schon unterwegs gemacht hatte, und die er sehr schätzte, weil er glaubte, später aus ihr Vorteil ziehen zu können, in die nächste Taverne. Ich ging nicht mit. Zu Hause horchte ich auf das Geräusch bei unseren Nachbarinnen.
Durch die dünne Bretterwand konnte man hören, dass die Frauen sich anschickten, zu Bette zu gehen. Die Alte brummte laut und schimpfte auf italienisch, die Junge trällerte vor sich hin, während sie, augenscheinlich beim Auskleiden, auf und ab ging, denn von Zeit zu Zeit hörte man, wie Kleidungsstücke aus einer Ecke des Zimmers in die andere geworfen wurden. Ich hustete, der Gesang verstummte, man begann leiser zu sprechen, lachte über irgend etwas, dann wurde an die Wand geklopft, ich tat dasselbe. Darauf wartete ich eine Weile. Als ich hörte, dass im Nebenzimmer alles still geworden war, entkleidete ich mich, und legte mich, ohne die Rückkehr des Marquis abzuwarten, zu Bett. Ich wurde von einem entsetzlichen Lärm geweckt; aus dem Korridor drang Weibergeschrei zu mir herüber, dazwischen die Stimme François’. Im Gang war Licht. Ich steckte, ohne mich anzukleiden, meine Nase durch die geöffnete Tür.
Die Alte aus dem Nebenzimmer drang in einem Deshabillé, das sie durchaus nicht schöner machte, auf François ein, der ohne Gilet und Schuhe, in grösster Unordnung des übrigen Anzuges sich gegen unsere Tür zurückzog; einige Frauen im Häubchen und Männer in Nachtmützen standen mit Kerzen in den Händen im Korridor, aus dem Nebenzimmer klang Schluchzen herüber. Die Alte schrie:
„Es gibt ein Gesetz! Es gibt eine Ehre! Wir sind Edeldamen. Wann hat man gehört, dass sich einer in ein fremdes Zimmer einschleicht sich entkleidet und macht, als sei er in einem öffentlichen Hause?“
François meinte, er habe sich in der Zimmertür geirrt und geglaubt, im Bette schlafe sein Freund.
„Geht man mit seinem Freunde so um, wie mit einer Frau, die man . . . die man . . .“ Hier wurde ihr Geschrei durch ein noch lauteres aus dem Nebenzimmer übertönt.
„Die Ärmste, die Ärmste! Gut, dass ich mich diese Nacht an die Aussenseite des Bettes legte und kitzelig bin. Wasser! Haben Sie nicht Wasser?“
Sie schob mich aus unserem Zimmer heraus auf den Korridor, betrat unsere Nummer, aus der sie gleich wieder mit einem Glase Wasser herauskam. Nachdem das Geschrei noch lange Zeit gewährt hatte, gingen die Leute schliesslich auseinander. Die Alte rief uns noch zum Schlusse nach:
„Ich werde es dabei nicht bleiben lassen! Es gibt ein Gesetz!“
François hatte seine Kleider zurückbekommen, machte jedoch die Entdeckung, dass sein Geldbeutel aus seinem Kamisol verschwunden war. Auch meiner war nicht mehr auf dem Tische, auf den ich ihn gelegt hatte. Infolgedessen hatten wir nicht einmal Geld, um nach Florenz zu gelangen.