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Sechstes Kapitel
ОглавлениеDer Dienst beim Herzog de Saucier war natürlich schwerer, als das Leben bei Madame de Tombel. Für die Besorgung des ganzen, wenn auch zur Hälfte vernagelten, aber immerhin grossen Hauses gab es ausser mir nur noch den verschlafenen, gefrässigen, faulen Maturin, der geradewegs vom Dorfe kam, und obgleich der alte Herzog nicht besonders auf Sauberkeit erpicht war, und der junge Hausherr uns half, gab es übergenug zu tun. Zu essen gab’s knapp, die Kleider, die wir bekamen, waren alt und von anderen Leuten abgetragen. Wir schliefen von elf Uhr abends bis Sonnenaufgang. Ich war jung, mir fiel das nicht besonders schwer, um so weniger, als auch der Marquis, mit dem ich mich, trotzdem sein Vater knurrte, immer mehr befreundete, unser Leben in jeder Hinsicht teilte. Und wir gingen oft zusammen aus, um uns in ihm bekannten Spelunken herumzutreiben, wo wir spielend und zechend so lange zu sitzen pflegten, bis es Zeit war, nach Hause zu gehen, um die Zimmer aufzuräumen. Er war mit mir aufrichtig, besonders, wenn er betrunken war, aber ich verstand nicht alles von seinen Bekenntnissen, obgleich sie mich mit Furcht und Neugier erfüllten. Aber François ausführlich ausfragen, um mir Klarheit zu verschaffen, wollte ich nicht aus Feigheit und Angst, ich könnte aufhören ihn zu lieben. Wir waren wiederholt auch bei Mademoiselle Colette, die François des Streites wegen nicht mehr grollte, und an anderen Orten, fast immer in Begleitung des jungen Mannes, dessen Namen ich nicht kannte, und den alle „Durchlaucht“ anredeten. Ich wusste, dass François häufig von ihm Geld nahm, und einmal, als wir die Treppen zu Ninon hinaufstiegen, hörte ich diese zu Colette sagen:
„Dieser dumme Geliebte des kleinen Marquis ist heute gründlich hereingefallen!“ . . . .
Mir schien, dass sie François und dessen Freund meinte. Ich sagte ihm nichts wieder, aber diese Worte gruben sich tief in mein Gedächtnis. Einmal — wir hatten den Fürsten lange nicht gesehen — kam François spät nach Hause, er war wütend, betrunken, verstimmt.
„Was ist Ihnen, François?“ fragte ich, ohne von meinem Rock aufzusehen, den ich bei einer Kerze flickte.
Ohne zu antworten, seufzte François noch tiefer auf und legte sich, mit dem Gesicht zur Wand, aufs Bett.
Mir schien es, dass er weine.
„Was ist mit Ihnen, François? Sagen Sie es mir. Sie wissen es doch, dass ausser dem Fürsten, niemand Sie so liebt, wie ich. Nun, sprechen wir von Ihrem Freunde, wollen Sie?“ fügte ich hinzu, als François keine Antwort gab.
François wandte mir sein Gesicht mit den verweinten Augen zu:
„Wenn Sie verstehen würden, Aimé! . . . Aber Sie sind ja ein unwissender Knabe, wenn Sie mich vielleicht auch liebhaben.“
„Nun, sprechen wir dann von Ihrem Freunde.“
„Warum quälen Sie mich? Wir werden ihn niemals mehr wiedersehen, er ist nicht mehr.“
„Ist er ermordet, gestorben?“ rief ich aus.
„Nein, er lebt — er hat vorgestern geheiratet,“ sagte François, der, ohne sich zu bewegen, die Oberlage anstarrte.
Ich schwieg, obgleich ich nicht begriff, weshalb die Heirat des Fürsten ihn uns raube.
Aus den Augen François’, die offen und gerade vor sich hinstarrten, flossen Tränen, ohne dass sich sein Gesicht verzog, das fast zu lächeln schien. Nachdem ich das Licht geputzt hatte, setzte ich mich wieder aufs Bett.
„Sie sind darüber sehr traurig?“
François nickte schweigend mit dem Kopfe.
„Alles geht vorüber, alles vergisst man, man findet Neues; ich hatte Louise und habe sie verloren, ich weine nicht, und doch fesselt die Liebe fester aneinander, als die Freundschaft.“
„Du verstehst nichts,“ presste der Marquis hervor, und kehrte sich wieder zur Wand.
Die Uhr schlug zwölf. Ich musste irgend etwas tun. Ich fasste die Hand de Sauciers, der noch immer zur Wand gekehrt dalag, und begann sie zu küssen, während mir selbst die Tränen aus den Augen flossen.
„Lösch die Kerze aus, der Alte wird schimpfen. Und ich tu dir wirklich leid?“ flüsterte François und umarmte mich in der Dunkelheit.