Читать книгу Die Jägerin - Unter der Erde (Band 4) - Nadja Losbohm - Страница 9
7. Kapitel
Оглавление~ Ada ~
Fasziniert von seinen Beschreibungen und den Dingen, die er auf seiner Reise gesehen und erlebt hatte, hörte ich gebannt zu. Es war erstaunlich, wie schnell sich meine Ansichten geändert hatten. Am Anfang hatte mich der Gedanke eher abgeschreckt, Geschichten aus einer Zeit zu hören, von der ich mir kaum vorstellen konnte, dass es sie wirklich einmal gegeben hatte. Es ist wie mit den Erzählungen von den Helden der Antike wie Achilles und Hector. Sie klingen wunderbar, faszinierend und regen unsere Fantasie an. Und dass ihre Namen noch immer bekannt sind, zeigt, dass ihre Geschichten nichts von ihrer Magie verloren haben. Aber sind sie wirklich wahr? Gab es diese großen Kämpfer tatsächlich? Man kann es nur schwer glauben, dass sie einst wirklich existiert haben sollen. Genauso war es mir bei Pater Michaels Erzählung gegangen. Aber je länger er sprach, je mehr ich erfuhr, desto fantastischer und wunderbarer fand ich es. Ich wollte alles hören, alles wissen. Und mir fiel es nicht schwer, die Dinge, die er sagte, zu glauben. Er stammte aus dieser Zeit. Er hatte all das wirklich erlebt. Er war wie ein Bote aus dem elften Jahrhundert, der gekommen war, um mich zu lehren. Und somit hing ich an seinen Lippen und lauschte interessiert und aufmerksam, damit ich ja nichts verpasste.
„Ich werde nie den Augenblick vergessen, in dem ich das Kloster zum ersten Mal sah. Es war der mit Abstand imposanteste Bau, den ich bis dahin leibhaftig gesehen hatte. Die gesamte Anlage bestand aus gelbbraunem Stein und wirkte, als wäre sie aus den Bergen herausgemeißelt worden, die um sie in den Himmel ragten. Die Mauern waren so hoch und so dick, ich war mir sicher, dass es nicht einmal ein Riese geschafft hätte, sie zu zerstören. Steinmetze und Bildhauer hatten die Wände, Säulen und Böden mit wunderschönen Mustern verziert. An diesem Ort war jede Religionsrichtung willkommen. Es gab keinen Streit und keinen Hass über die unterschiedlichen Götter. Somit war auch mehr als nur ein Altar erbaut worden. Für jede Form der Religion gab es einen. Allerdings gab es auch einen Gebetsraum, in dem alle Mönche zusammen sitzen und beten konnten. Oft erfüllten die tiefen, monotonen Gesänge der buddhistischen Mönche die Räumlichkeiten und erreichten auch noch den letzten Winkel des Klosters aus Stein. Wenn ich in solchen Momenten durch die Gänge wanderte und die Klänge vernahm, überzog eine Gänsehaut meinen gesamten Körper und unzählige Schauer liefen meinen Rücken hinab. Ich verstand zwar nicht, was sie sangen, welche Gebete sie sprachen, aber mich überkamen unendlicher Frieden und Ruhe. Kein anderer Gesang vermag solche Regungen in mir auszulösen wie der von buddhistischen Mönchen. Aber es gab nicht nur oberhalb der Erde zahlreiche Räume. Ähnlich wie bei uns war auch dort eine unterirdische Anlage gebaut worden. Nur reichte sie dort noch weiter in die Tiefe und ging über mehrere Etagen. Wollte man die Berge, die uns vor den starken Winden schützten, überqueren, benötigte man mehrere Tage dafür. Aber das Durchhalten lohnte sich, denn hinter den Steinmassen lag ein wahrer paradiesischer Garten: ein Wald aus Zypressen, Akazien, Kiefern und Olivenbäumen. Ein Dschungel mit einer einzigartigen Vielfalt an Pflanzen, Blumen und Tieren. Oft zogen heftige Sandstürme über uns hinweg und auf den Wald zu. Es war ein eigenartiger Anblick, wenn man vom Tor des Klosters aus hinauf zu den Gipfeln der Berge sah, die eingehüllt waren vom gelbbraunen Sand. Doch dort, wo wir waren, erreichten sie uns nicht. Es war, als hätte jemand eine Glocke aus Glas über das Kloster gestülpt, die uns einschloss und davor bewahrte, im Sand zu versinken. Allerdings war es auch eine einsame und verlassene Gegend. Weit und breit gab es kein Haus. Wir waren abgeschnitten von jeglicher Zivilisation. Sicher, es fehlte uns dort an nichts, aber es änderte nichts an der Tatsache, dass es das einsamste Fleckchen Erde war, das ich je gesehen und von dem ich je gehört hatte. Ich war unendlich froh, dass ich die Gesellschaft der anderen Mönche hatte. Sie kamen aus aller Welt, jeder Glaubensrichtung und den unterschiedlichsten Kulturen. Ich freundete mich zeitig mit einem aus China stammenden Mönch an, der mir rasch einen Spitznamen gab. Er nannte mich immer „Míngmóu“, was „funkelnde Augen“ bedeutet. Auch ihm war die Besonderheit meiner Augen aufgefallen, und wenn er mit mir sprach oder etwas von mir wollte, rief er: „Míngmóu, tu dies, tu das. Míngmóu, duck dich! Pass auf, Míngmóu!”
Pater Michael lachte lauthals, als er sich an diese Geschichte erinnerte. Gerührt wischte er sich eine Träne aus dem Augenwinkel. „Dieser Mönch war so klein gewesen, aber er war wendig wie ein Fisch im Wasser und hatte sehr viel Humor. Wir mochten uns vom ersten Tag an. Er wurde zu meinem besten Freund. Er und einige andere gaben mir Unterricht in den Kampftechniken, die aus ihrer Kultur stammten. Mönche aus Indien halfen mir mit buddhistischen Meditationsübungen, mich besser zu konzentrieren. Ich lernte mich selbst besser kennen und einzuschätzen. Somit konnte ich auch ein besserer Lehrer werden. Zuerst lernte ich den Stockkampf. Damit konnte ich gut meine Schnelligkeit und Kraft trainieren. Ich lernte all die Dinge, die beim Kampf am wichtigsten waren. Mir wurden sogar die Augen verbunden, und ich musste blind Angreifern ausweichen. Die Mönche sagten, nur so könnte ich mich in der Dunkelheit besser zurechtfinden, denn dadurch, dass mir das Sehen fehlte, musste ich mich auf meine anderen Sinne verlassen. Sie wurden durch diese Übungen um ein Vielfaches geschärft. Es war ein sehr gutes Training. Dann erlernte ich den Schwertkampf und das Schießen mit der Armbrust. Auch vom Pferd aus. Später kamen dann Pfeil und Bogen hinzu. Ich trainierte viel und hart. Nicht nur, weil es notwendig war. Ich tat es auch, weil es mir Spaß machte. Und ich muss gestehen, dass ich auch besser sein wollte als alle anderen, und um das zu erreichen, musste ich viel üben. Ich verbrachte mehr Zeit mit den Trainingseinheiten als die anderen Mönche. Während sie schon beim Abendessen saßen, arbeitete ich noch an meiner Kampftechnik. Und wenn sie morgens bei Sonnenaufgang aufstanden, hatte ich bereits zwei Stunden damit zugebracht, meine Muskeln aufzubauen. Ich habe diese Besessenheit nie ganz abgelegt. Ich weiß, für manche Menschen erscheint dies krankhaft, aber es war mir immer ein Bedürfnis gewesen, perfekt im Kampf zu sein und nicht mehr die Rolle des Unterlegenen zu übernehmen,” gab er zu.
Er sah mich an, und es kam mir vor, als würde in seinem Blick so etwas wie Angst liegen. Fürchtete er sich davor, wie ich über den Inhalt dieses Geständnisses dachte? Ich hätte es allerdings nie als „Besessenheit” bezeichnet wie er. Für mich war es eher eiserne Disziplin. Und die hatte sich in Pater Michaels Fall auch wirklich ausgezahlt. Gut, ich hatte niemanden, mit dem ich ihn vergleichen konnte. Aber meiner Meinung nach war er der Beste von allen. Ich war stolz darauf, dass er mein Lehrer war und ich von ihm lernen durfte. Ich hätte mir keinen anderen vorstellen können. Bei so viel Lob musste ich grinsen und entschied mich dagegen, meine Gedanken mit ihm zu teilen. Pater Michael hätte nur einen Höhenflug bekommen, wenn er gewusst hätte, dass ich megamäßig stolz auf ihn war. Mein zufriedenes Grinsen musste zu seiner Beruhigung, dass ich ihn wegen seiner sogenannten „Besessenheit” nicht als bescheuert abstempelte, ausreichen.
„Wie lange bist du in dem Kloster geblieben?”, fragte ich schließlich.
Pater Michael setzte sich in dem Sessel etwas auf, legte den Unterschenkel des linken Beines auf das rechte Knie und stützte seinen Ellenbogen auf die Armlehne. Er lehnte seinen Kopf etwas vor und rieb sich nachdenklich das Kinn. „Meine Ausbildung in dem Kloster aus Stein dauerte etwa zweieinhalb Jahre. Im Jahre 1003, als ich einundzwanzig war, verließ ich diesen wundervollen Ort, der mir so viel gegeben und wo ich so viel gelernt hatte, und reiste nach Norden. Genauer gesagt nach Schottland. Dort wartete mein erster Schützling auf mich. Sein Name war Allistair McFarlan. Auf meinem Weg zu ihm kam ich auch an dem Ort vorbei, an dem mein Elternhaus gestanden hatte. Doch es war nicht mehr viel davon übrig. Ein Feuer hatte es vollständig zerstört, und nur noch einzelne Stützbalken ragten aus der Asche heraus. Ich nahm mir ein paar Momente Zeit und wanderte durch die Überreste, die einmal mein Zuhause gewesen waren, und während ich mit gesenktem Blick umherlief, hörte ich in der Ferne das Rauschen des Flusses, an dem wir das Wasser für uns und die Tiere geholt hatten. Ich hockte mich hin und grub mit meinen Händen in der Asche. Ich fand ein paar verkohlte Reste eines Stuhls, den mein Vater gezimmert hatte. Die Verzierungen, die er einst in das Holz geschnitzt hatte, waren trotz allem noch zu erkennen. Ich grub weiter und stieß irgendwann auf ein Buch. Der Einband war schwarz vom Ruß. Die Seiten waren an etlichen Stellen angesengt. Du erinnerst dich sicherlich an die Bibel, die ich in einem Glaskasten im Wohnzimmer aufbewahre,” meinte er und blickte mich fragend an.
Natürlich erinnerte ich mich an dieses Buch und seinen Anblick, der mich immer traurig machte. Und ich erinnerte mich auch daran, dass Pater Michael mir nie erklärt hatte, was es damit auf sich hatte. Doch nun war der Moment gekommen, in dem er mir verriet, woher er dieses halb verbrannte Buch hatte. Ungläubig sah ich ihn an.
Pater Michael nickte. „Diese Bibel gehörte meiner Mutter. Es war ein Erbstück ihrer Familie. Ich musste es einfach aus der Asche nehmen und aufbewahren,” sagte er und blickte mich um Verständnis bittend an. Mit einem sanften Lächeln nickte ich und konnte zusehen, wie der Padre erleichtert durchatmete. „Ich wickelte das Buch in ein Tuch ein, um es vor weiterem Schaden zu bewahren und verstaute es in meiner Tasche. Dann richtete ich mich auf und blickte mich um. Vor mir sah ich die Felder, die meine Familie und ich bestellt hatten, die aber nun verdorrt waren und den Boden nicht mehr nutzbar machten. Ich fand den Anblick und die Leblosigkeit irgendwie passend, denn das Letzte, das ich dort gesehen hatte, war meine Mutter. Ermordet von den Räubern, die unser Haus überfallen hatten. Mein Vater hatte diesem Ort den Rücken zugekehrt und auch mir. Ich tat das Gleiche und verweilte nicht länger bei meinem alten Zuhause. Je eher ich aufbrach, desto besser war es,” erklärte er mir und blickte grimmig auf seine Hand hinunter, die sich auf der Armlehne zu einer Faust geballt hatte.
Mir war nicht entgangen, wie viel Wut in seinen letzten Worten mitgeschwungen hatte. Die Erinnerungen an das Zuhause seiner kurzen Kindheit taten ihm weh. Er war immer noch verbittert und zornig auf die Menschen, die diesen Ort zum Beginn seiner persönlichen Hölle gemacht hatten: die Männer, die seine Mutter getötet hatten, und sein eigener Vater.
Ich überlegte krampfhaft, wie ich ihn von diesem traurigen Thema ablenken konnte. Nach einer Weile fielen mir ein paar Fragen ein, und ich räusperte mich, damit er seine Aufmerksamkeit wieder auf mich lenkte. „Warum bist du am Anfang gereist? Warum ist Allistair nicht zu dir gekommen?”, fragte ich ihn schließlich. Ich hatte schon verstanden, dass die Existenz der Monster von den Gräueltaten der Menschen abhängig war. Aber wieso gab es ausgerechnet in unserer Gegend so viele von diesen ekligen Wesen? Lag es am Wetter? Mochten sie die Hitze des Südens nicht?
„Ich glaube, um diese Frage beantworten zu können, muss ich etwas weiter ausholen,” meinte Pater Michael.
Ich nickte und lehnte mich zurück, bereit, einem langen Monolog zu lauschen.
„Ich habe dir doch einmal erzählt, dass die Kirche ein Netzwerk ist. Die einzelnen Gemeinden, egal wo auf dieser Erde sie sein mögen, sind alle miteinander verbunden. Das war schon immer so. Sie können sich untereinander austauschen. Vor Allistair gab es auch schon andere Jäger. Das Gleiche gilt für die Lehrer und die „Seher“. Alle Beteiligten tauchten quasi auf der Bildfläche auf, als auch die Existenz der ersten Monster bekannt wurde, was interessanterweise im Norden der Fall war. Warum auch immer,“ bemerkte er und zuckte lässig mit den Schultern, als wäre der Grund völlig unbedeutend. „Die Jäger stammten und stammen nicht alle aus ein und derselben Region. Sie kamen von überall her. Sie wurden von den „Sehern“ erkannt, die sich wiederum an ihren Priester im Ort wandten und ihm das Gleiche erzählten, wie Bernard mir einst gesagt hatte. Sie sahen Menschen „leuchten“ und nahmen an, sie seien dem Wahnsinn verfallen. Die Kirche wusste natürlich, dass dem nicht so war und gab dem amtierenden Lehrer Bescheid. So war es auch mit Allistair. Man sagte mir, wo ich ihn auffinden würde, und ich reiste zu ihm. Im ersten Jahr durchlief er die gleiche Ausbildung, wie du es getan hast. Als er bereit war, es mit den Monstern aufzunehmen, ging er hinaus in die Welt, um die zu jagen, die seine Existenz notwendig machten. Genau wie du,” erklärte er mir. Für einen Moment schwieg er und lächelte mich an. Sein Blick war verschleiert, als würde er sich an den Tag erinnern, an dem ich zum ersten Mal auf die Jagd gegangen war. Ich bezweifelte, dass es gute Erinnerungen waren, denn im entscheidenden Augenblick hatte ich aus heiterem Himmel moralische Bedenken bekommen und Pater Michael hatte eingreifen müssen, bevor uns das Monster, dem wir aufgelauert hatten, platt walzen konnte. Es war mir schleierhaft, wie ich hatte zögern können. So etwas passierte mir heute nicht mehr. Und ich verstand überhaupt nicht, wieso Pater Michael jetzt neben mir saß und bei dem Gedanken an meine Anfänge lächelte. Vielleicht machte er sich immer noch insgeheim lustig über mich, weil ich, vollkommen unschuldig, keinem Lebewesen etwas hatte antun wollen. Auch wenn es sich dabei um eines der allerübelsten Sorte gehandelt hatte.
Geduldig wartete ich, bis Pater Michael mit dem Amüsieren fertig war. Irgendwann hob sich der Schleier der Vergangenheit, der vor seinen Augen gehangen hatte, und er sah mich mit festem Blick an. „Ein großer Unterschied zwischen meiner Arbeit heute und damals ist, dass ich mit auf die Jagd ging. Ich war ständig und überall dabei. Ich konnte helfen und eingreifen, wenn es nötig war. Allistair war nicht auf sich selbst gestellt, so wie es später bei allen anderen Jägern der Fall war. Ich glaube, für Allistair war diese Tatsache am Anfang sehr beruhigend. Für mich war es das definitiv,” meinte er und klang äußerst wehmütig.
Ich überlegte, wie sehr er diese Zeit vermisste, in der er tatkräftig mitgeholfen hatte, die elenden Kreaturen der Nacht in die ewigen Jagdgründe zu schicken. Er hatte mich mehrmals ermahnt, mich vorzusehen, nicht einfach unüberlegt und blauäugig loszustürmen. Ich wusste, dass er sich immer Sorgen um mich machte, wenn ich auf meine Patrouillen ging. Wie sehr er es sich aber wünschte, mit mir zu gehen, konnte ich in diesem Moment nur erahnen.
„Wir legten weite Strecken zurück, meist zu Fuß. Nur selten konnten wir die Bequemlichkeit eines von Pferden gezogenen Wagens in Anspruch nehmen. Aber irgendwie mussten wir den Monstern schließlich hinterherreisen, die meist dort anzufinden waren, wo sich Menschen aufhielten, die damals noch weit voneinander entfernt lebten. Die Kreaturen der Nacht mussten ihre Beute suchen, nicht so wie heute, wo die Bevölkerung auf einem Fleck lebt und sich quasi auf einem Silbertablett präsentiert. Nein, am Anfang zogen die Monster weiter und verstreuten sich in alle Himmelsrichtungen,“ erklärte er.
Wie in der Schule hob ich die Hand und bat um Erlaubnis, eine Frage zu stellen. Pater Michael nickte mir ermutigend zu. „Wenn sie sich in alle Richtungen verteilt haben, heißt das, es gibt auch noch woanders diese Monster und sie können ungehindert ihr Unwesen treiben?“, fragte ich empört nach.
Pater Michael zuckte mit den Schultern. „Es ist nicht sicher, wie weit entfernt von unserer Stadt noch weitere Monster existieren. Niemand weiß, woher sie gekommen sind, wohin sie gehen oder wie lange sie eigentlich leben. Einen Grund, ihr gewohntes Jagdgebiet zu verlassen, haben sie jedenfalls nicht. Hier ist das absolute Paradies für sie. Die Stadt vibriert vor Leben…und vor Schandtaten,” fügte er hinzu und lächelte, als er sah, wie sehr mich diese Erklärung frustrierte.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und starrte auf meine Bettdecke. „Das ist doch Mist!”, grummelte ich verärgert, als hätte man meine Person beleidigt. Neben mir spürte ich, wie sich die Matratze bewegte, als Pater Michael seine Unterarme auf sie stützte. Aus dem Augenwinkel warf ich ihm einen wütenden Blick zu.
„Allistair und ich waren deswegen ebenfalls frustriert. Ich verstehe also, was deswegen in dir vorgeht,” meinte er und legte seine Hand auf meinen Arm.
Ich hatte mit der Berührung nicht gerechnet, und es erschreckte mich, dass ich ihn plötzlich auf mir spürte. Ich fuhr zusammen und rutschte von ihm weg, was Pater Michael sofort dazu veranlasste, seine Hand zurückzuziehen. Wir sahen uns mit großen Augen an. Ich glaube, ich verwirrte und verletzte den Pater mit meinem Ausreißen. In seine Stirn gruben sich tiefe Falten. Seine schwarzen Augen beobachteten mich wachsam, und sein Mund war zu einer schmalen Linie geworden. Seine Kiefer mahlten angestrengt, während sie sich zu entscheiden versuchten, ob sie sich zu meiner Reaktion äußern oder lieber versiegelt bleiben sollten. Es war Pater Michael anzusehen, dass er herauszufinden versuchte, was er von alledem halten sollte. Aber selbst wenn er mich gefragt hätte, ich hätte ihm keine Antwort geben können. Ich wusste genauso wenig wie er, was ich davon halten sollte. Es war einfach so plötzlich und unerwartet geschehen. Ich hatte ihm sicherlich nicht wehtun wollen.