Читать книгу Die Jägerin - Die Wiege des Bösen (Band 5) - Nadja Losbohm - Страница 14
11. Back again
ОглавлениеEr hatte behauptet, er hätte sich daran gewöhnt, aber das häufige Befühlen meiner Haare sagte etwas anderes aus. Manchmal rubbelte er sogar an einer Strähne herum! Dachte er ernsthaft, die Farbe würde so abgehen? Auch erwischte ich ihn immer wieder dabei, wie er das rote Haar wehmütig anblickte, als würde er sich nach dem Schwarz zurücksehnen. So wie in diesem Augenblick, als wir bei Bratkartoffeln und Spiegelei in der Küche saßen.
„Michael?”
„Mhh.”
„Du starrst mich an.”
Betretendes Schweigen. Dann: „Entschuldige bitte,” sagte er, rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum und schob seinen leer gegessenen Teller auf der Tischplatte umher.
Ich entspannte mich etwas, weil ich nun nicht mehr unter Beobachtung stand und aß meine zweite Portion Bratkartoffeln in Ruhe weiter. Leider hielt dieser Zustand nur so lange an, wie es dauert zu blinzeln, und abermals spürte ich die Augen des Paters auf mir. „Michael, du tust es ja schon wieder,” seufzte ich und stopfte mir eine Ladung Kartoffeln in den Mund.
„Aber doch nur, weil mir der Anblick, wie du isst, gefällt. Ich freue mich über deinen gesunden Appetit,” erwiderte er.
Ich sah von meinem Teller auf. Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch und musterte kauend den Padre. Er war schlagfertig. Das musste ich ihm lassen. Mir wäre diese Ausrede nicht so schnell eingefallen.
Pater Michael lächelte mich an, streckte seine Hand nach meiner Wange aus und tätschelte die pralle Hamsterbacke. „Aber bitte pass auf, dass du dich nicht verschluckst. Es gibt keinen Grund, wieso du schlingen müsstest, Ada,” meinte er, schob seinen Stuhl zurück und stand auf. Zärtlich gab er mir einen Kuss auf die Stirn und nahm dann seinen Teller, um ihn zur Spüle zu tragen.
„Mmmmdoch,” entgegnete ich ihn mit so vollem Mund, dass ich nicht einmal mehr vernünftig reden konnte. „Isch geh heub zum erschten Mal auf die Jagd, Meigall. Esch juckt misch schon toddal!”, nuschelte ich mampfend und grinste den Padre, der gegen den Spülschrank gelehnt stand und mich beobachtete, vor Freude an. Missbilligend verzog er den Mund. Ob nun der Bratkartoffelbröckchen, die ich beim Sprechen über den Küchentisch verteilt hatte, oder der anstehenden Patrouille wegen, konnte ich nicht sagen. Aber höchstwahrscheinlich überwog der Frust über meine heutige Rückkehr auf das Schlachtfeld. Es gefiel ihm gar nicht, dass ich es so eilig hatte, von ihm wegzukommen. Und mir gefiel es nicht, dass die Monster schon wieder für eine längere Zeit hatten tun und lassen können, was sie wollten, während man mich einem Aderlass nach dem nächsten unterzogen hatte. Wenn man meine verletzungs- und entführungsbedingten „Ausfälle” addieren würde, hatte ich sicherlich schon mehr Fehltage als alle Jäger, die es jemals gegeben hat, zusammen. Nicht einmal während meiner Schulzeit hatte ich solch einen miesen Durchschnitt gehabt! Nein, ich musste endlich wieder da raus gehen und die Kreaturen der Nacht daran erinnern, dass ich auch noch existierte. Ich würde zwar niemals wieder das gutmachen können, was die Monster in den letzten Wochen angerichtet hatten, aber wie hatte Pater Michael doch gesagt? Wir müssen an das denken, was vor uns liegt. Und das tat ich und würde mir die allergrößte Mühe geben, die Ausgeburten der Hölle für das büßen zu lassen, was man mir angetan hatte! Rache ist eben doch süß.
Als ich kurze Zeit später endlich durch die Straßen lief, die kühle Luft atmete und den Wind auf meiner Haut spürte, fühlte ich mich lebendig und frei. Plötzlich war alles andere in weite Ferne gerückt. Die Erinnerungen an den Schmerz und die Qualen, die ich durchlitten hatte. Die grausamen Bilder des Kampfes zwischen Pater Michael und der Vampirin. Die abgetrennten Köpfe in der Höhle und die Klänge der markerschütternden Schreie des Opfers, das nach Hilfe gerufen, aber dem niemand….dem ICH nicht geholfen hatte. All das schien auf einmal weit weg zu sein und in eine andere Zeit zu gehören. Ich war nicht mehr das wehrlose Ding, das in einer Kiste eingesperrt lag, das zu schwach gewesen war, um eine Banane anzuheben, dessen Muskeln in den Gliedmaßen so verkümmert und verkrampft gewesen waren, das es sich nicht bewegen konnte und der Anschein erweckt wurde, es hätte nie richtig gelernt, sie zu benutzen. Doch jetzt war ich dies nicht mehr. Jetzt stieß ich mich leichtfüßig vom Boden ab, um mich auf ein Monster zu stürzen. Meine Bewegungen waren geschmeidig und fließend, als ich das Schwert durch die Novembernacht sausen ließ und den Untieren den Garaus machte.
Ja, am Anfang fiel mir meine Arbeit leicht. Aber die Herbstnächte sind lang und somit auch die Patrouillen. Und während ich zuvor noch putzmunter gewesen war und mich rasch von den Anstrengungen erholt hatte, war ich nun an einen Punkt angelangt, an dem mir das Kämpfen nicht mehr leichtfiel. Die Beine wurden schwer, die Arme müde, die Schmerzen in der Hand, mit der ich versucht hatte, eine Wand zu durchschlagen, flammten wieder auf und meine Erholungsphasen dauerten länger. An einem U-Bahnhof schaute ich auf das hell erleuchtete Ziffernblatt, das mir verriet, dass es bereits kurz nach zwei Uhr morgens war. Sieben Stunden waren seit meinem Verlassen der St. Mary’s Kirche an mir vorübergezogen, ohne dass ich es bemerkt hatte. Aber so ist das nun einmal, wenn man Spaß hat, und den hatte ich wahrlich gehabt! Ich hatte beinahe zwei Dutzend Monster vernichtet und dazu drei Vampire erledigt. Trotz der Folgen der langwierigen Verfolgungsjagden und der unbarmherzigen Kämpfe, die ich nun am ganzen Körper spürte, freute ich mich über die hohe Anzahl, aber ich begriff auch, dass es für mich Zeit wurde, nach Hause zurückzukehren.