Читать книгу LebensLichtSpuren - Nanaja Meropis - Страница 17
EISBRUCH
ОглавлениеÜber die vom tagelangen Dauerfrost erstarrten Wiesen stapfe ich auf den Fluss zu. Ein graues, kaltes Tuch spannt sich zwischen Himmel und Erde. Ich liebe den Winter, drücke schon im November meine Nase an die Fensterscheiben meines Kinderzimmers unter dem Dach und sehne mich nach Schneeflocken. Verkrusteter Schnee auf den Wiesen knirscht unter meinen Füßen. Bald erreiche ich den Fluss. Eine dicke Eisschicht bedeckt den sonst quirligen Flusslauf. Eisige Stille liegt über dem Gewässer, in dem ich im Sommer schwimme. Ich stelle mir vor, wie das Wasser unter der Eisschicht dahinströmt, und in mir erwacht ein abenteuerlicher Drang, zur Mitte des Flussbettes zu gehen. Wie in Trance setze ich meine Füße auf das Eis, das von einer Schicht Puderzuckerschnee bedeckt ist.
Es hält stand. Eine unsichtbare Energie treibt mich hinaus. Ein paar Schritte vom Ufer entfernt beginnt das Eis zu knacken. Wie gebannt bleibe ich, der Flusseroberer, erschrocken stehen. Rund um meine Schuhe perlt Wasser aus Eisritzen. Eine furchtbare Angst steigt in mir auf. Ich sehe mich unter einer dicken Eisschicht treiben, ohne Chance, je wieder nach oben zu gelangen. Neben mir schwimmen Fische.
„Leg dich langsam auf den Bauch“, höre ich meinen Großvater in mir sagen. Ich gehorche der Stimme und lege mich unendlich langsam auf das Eis, robbe zum Ufer, fasse einen Weidenast und ziehe mich auf die Böschung. Ich schaue auf den Fluss und fühle, wie der Tod mich wieder entlässt.