Читать книгу LebensLichtSpuren - Nanaja Meropis - Страница 28
HAHNENTOD
ОглавлениеVon den Eltern in den Sommerferien verschickt auf den Bauernhof unserer Vorfahren – ein ärmliches Anwesen voller Wärme und Abenteuer für mich als Kind. Der Bauer schüttet sich nach getaner Arbeit Zucker ins Bierglas, „weil es so bitter schmeckt“. Seine Frau herzt mich, als habe sie mich geboren. Ihre Augen so tief und liebevoll, ihr Körper von der harten Arbeit gebeugt. Der Sommer ist trocken dieses Jahr. Schon seit Wochen kein Regen, nur heißer Wind. Pflanzen und Tiere ducken sich unter den Sonnenpfeilen. Selbst die Vögel verstummen. Fliegen schwirren über dem Misthaufen. Durch den Bauerngarten fließt ein Bach mit spärlicher Strömung. Forellen dösen unter Weidenwurzeln im sauerstoffarmen Wasser. Es gehört zu den großen Gefühlen meiner Kindheit, in den Bach zu steigen und mit den Händen unendlich langsam in die Uferhöhlen des Bachbettes zu tasten, sie vorsichtig unter die Forellenbäuche zu schieben und die Fische mit den Daumen zu streicheln. Im Bauernhof Lärm einer Betonmischmaschine und Stimmengewirr der Maurer. An die Scheune wird ein Kuhstall angebaut. Die Schalbretter für die drei Meter hohe Seitenwand sind schon gesetzt. Über eine Bohle wird mit dem Schubkarren frischer Beton in den Spalt verfüllt. Urplötzlich markdurchdringende Schreie von einem Hahn. Das Tier hat sich zwischen den Schalbrettern verfangen. Ein Maurer grinst und sagt: „Der bringt Glück in die tragende Wand“, und entleert seinen Schubkarren über dem Tier. Sommerbunte Federn versinken im Grau des Betons. Hahnschreie ersticken und mir das Herz.