Читать книгу LebensLichtSpuren - Nanaja Meropis - Страница 36
MASERN
Оглавление„Du hast zu viel Fantasie“, sagt Mutter und streicht mir durch die feuchten Haare. Draußen trommeln die Regentropfen an den Rollladen. Ihr Lächeln erkenne ich nicht. Ich liege mit Fieber im Bett und weine. Ein Albtraum hatte mich heimgesucht. Meine Augen brennen. Ich sehe alles nur wässrig, die Konturen des Lebens nehme ich nur verschwommen wahr. Schemenhaft bedrohen mich die wenigen Möbel im Raum – wie hungrige Raubkatzen. Mich fröstelt, trotz der hohen Körpertemperatur. Der Raum ist abgedunkelt. Ich liege schon seit mehr als zwei Wochen. Das ist üblich bei Masern. Die Leute sagen, das Licht bedrohe die Masernaugen. Jetzt blendet mich der spärliche Lichtstrahl durch den Türspalt. Mutters Hand auf meinem Haar beruhigt ein wenig. Die Traumschatten der Nacht beben noch in mir. Jede Nacht diese Angsträume. Auch das käme von den Masern, sagte Mutter, als die Träume anfingen. Der letzte Traum hat mir die Urangst gezeigt. Eine riesige grellgelbe Fläche, die mir die Sinne raubt, mit einem winzigen schwarzen Punkt in der Mitte. Mit jedem Herzschlag vergrößert sich der Punkt; pulsierend erwacht die Angst. Schrecklich, dieses innere Zittern. Bald reift der Punkt zum kleinen Fleck, frisst stetig die gelbe Fläche auf, wächst zum wabernden Ungeheuer, verschlingt irgendwann das Gelb. Dann nur noch Schwärze. Mein Herz rast voller Angst in der Nacht, ich schwitze. Mutter nimmt mich in den Arm, gibt mir einen Kuss auf die schweißperlende Stirn. Alles ist gut für diesen Moment.