Читать книгу LebensLichtSpuren - Nanaja Meropis - Страница 41
SCHLÄGE
ОглавлениеIch liebe den Keller unseres Hauses. Er ist mein Zufluchtsort, wenn ich Schläge vom Vater oder vom Großvater einstecken muss. Meine Mutter weint dann mehr als ich. Ich werde von Schlag zu Schlag verbitterter, wütender, giere aber auch nach Freiheit. Unter dem Haus fühle ich mich sicher wegen der vielen Verstecke, in denen ich meine kindliche Fantasie auslebe. Mein Großvater reißt mich oft aus den Armen meiner Mutter, wenn ich etwas angestellt habe, und verprügelt mich brutal. Wahrscheinlich gibt er die Schläge seiner Kindheit an mich weiter. Ich habe Angst vor ihm. Mein Vater schlägt mich auch, aber nie fest, weil er unsicher ist, nicht mit mir fertig wird. Durch seine Schläge spüre ich noch seine Liebe.
An einem Ferientag spiele ich wieder im Keller. Im Vorratsraum steht ein Steinfass mit Kleie für die Hühner. Es raschelt im Fass. Eine Maus ist darin, versucht panisch, an der glatten Wand des Fasses hochzuklettern. Sie sieht putzig aus mit ihren runden Miniaturaugen und den feinen Barthaaren. Mir ist, als bäte sie mich um Hilfe. Großvaters feste Schritte nähern sich. Ich erstarre. „Was treibst du dich hier wieder rum?“, tönt er, als er mich sieht. Sein Blick erfasst die hilflose Maus, und mit klobiger Hand versucht er sie zu fangen. Wie in Trance beginne ich zu schreien. „Lass sie frei, lass sie frei!“, brülle ich und trommele mit den Fäusten gegen die Beine meines Großvaters. „Weg da, du Lümmel!“, posaunt er und stößt mich weg, so dass ich auf den Steinboden fliege. Ich gebe nicht auf, schreie um so lauter. Mutter erscheint auf der Kellertreppe mit ängstlichen Augen. Einen Moment trifft mein verzweifelter Blick auf den meines Großvaters. Er hält die Maus in der Hand, will sie erschlagen. Doch mein Blick erweicht ihn. Er öffnet die Kellertür und lässt die Maus in den Hof entkommen. Ich habe ihn und seine Schläge besiegt.