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KAPITEL 6

Zehn der Schwerter

»Verdammt, Alastair, ruf mich an! Ich mache mir Sorgen um dich.«

Es war das Ende eines langen Tages, an dem Julie dutzendmal versucht hatte, ihren Freund zu erreichen. Als sie das Itchy Witchy endlich schließen wollte, kam Chief Parsons herein. Misstrauisch schaute er sich um, bevor er sie fragte, wo sie die letzte Nacht gewesen war.

»Zu Hause, in meinem Bett. Wo sonst?«, war ihre verblüffte Antwort. »Werde ich etwa verdächtigt?«

Er zuckte die Achseln. »Wir ermitteln in alle Richtungen«, brummte er, während er geistesabwesend mit einem der Voodoopüppchen spielte.

Diese verflixten Dinger fingen an, Julie auf die Nerven zu gehen. Jeder schien sie anfassen zu wollen. Sie war nur froh, dass keines von ihnen aus weißem Stoff war. Der wäre in der Zwischenzeit so schmutzig gewesen, dass sie die Puppen nicht mehr hätte verkaufen können.

»Es handelt sich also wirklich um einen gewaltsamen Tod?«, fragte sie. Sie fürchtete sich vor der Antwort und wollte doch nichts lieber als Gewissheit.

»Dazu kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt keine Auskunft geben«, erwiderte Chief Parsons ausweichend und legte das Püppchen zurück. Dann sah er sie zum ersten Mal direkt an. »Ich habe gehört, dass Sie einige Zeit mit kriminellen Geisteskranken gearbeitet haben. Ihnen ist doch wohl nicht einer dieser Männer heimlich gefolgt?«

Julie rang nach Luft. »Sie haben vollkommen recht, was meine frühere Arbeit betrifft, aber wenn jemand aus Bridgewater ausgebrochen und mir gefolgt wäre, wüssten Sie es sicherlich.«

Wieder schnappte er sich eine Voodoopuppe, ­diesmal eine leuchtend rote. Julie sah auf seine Finger, die mit den groben Nähten spielten. Für einen so massigen Mann wie ihn waren sie erstaunlich schlank.

»Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass der Fall mit dem Laden hier zusammenhängt«, murmelte er. »Diese Hexensachen …« Er sprach zögerlich, als wäre er sich nicht sicher, was für eine Verbindung das sein könnte.

Julie zwang sich zu einem Lächeln. Hatte sie tatsächlich gerade noch überlegt, ihm von ihrem Fund auf Tante Lauries Grab zu erzählen? Nein, mit Sicherheit würde sie das nun nicht tun. Offenbar zog er sie bereits jetzt als Verdächtige in Betracht. Oder war die Überprüfung ihres Hintergrunds reine Routine gewesen? Außerdem schien er, was Hexerei betraf, auf seine Art ebenso skeptisch zu sein wie sie. Das war zwar eine angenehme Abwechslung vom magischen Irrsinn ihres täglichen Lebens – oder vielmehr, das wäre es, würde er nicht in einem Todesfall in ihrem Umfeld ermitteln.

Entschlossen nahm Julie ihm die rote Puppe aus der Hand und legte sie zurück an ihren Platz. »Ich helfe Ihnen gern, wo ich kann, aber leider weiß ich absolut nichts über Jolenes Tod, Chief.«

»Also gut«, sagte er. »Bitte verlassen Sie in den nächsten Tagen nicht die Stadt! Es kann sein, dass ich weitere Fragen an Sie habe.« Dann ging er, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Nachdem Julie das Itchy Witchy abgeschlossen hatte, sah sie zum wiederholten Mal auf ihr Handy. Alastair hatte sich endlich gemeldet und ihr eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen. Ohne sie abzuhören, drückte Julie die Rückruftaste und zählte die Sekunden, bis er abnahm.

»Wo warst du? Ich habe mir Sorgen um dich gemacht«, fing sie an und bemerkte, wie ihr vor Erleichterung ­Tränen in die Augen traten. Sie blinzelte sie weg.

»Warum?«, entgegnete Alastair. »Ich war in Salem, im Museum, und habe bei der Gelegenheit gleich einen Caterer für die Feier anlässlich Lauries Todestags beauftragt.«

Hektisch überlegte Julie, ob sie ihm die Nachricht von Jolenes Tod am Telefon überbringen konnte. Nein, eher nicht. Sie musste ihn sehen.

»Ist alles in Ordnung?«, fragte Alastair. »Du sagst gar nichts.«

»Wo bist du jetzt? Hast du Zeit, noch schnell bei mir zu Hause vorbeizuschauen?«

Alastair lachte. »Habe ich das gerade richtig gehört? Du hast das Haus als dein Zuhause bezeichnet. Wie wunderbar! Heißt das, was ich glaube, das es heißt?«

»Ja, auch wenn du dich ziemlich umständlich ausdrückst«, antwortete Julie. »Ich werde in Yarnville bleiben – vorläufig.«

Was um Himmels willen tat sie gerade? Hatte sie tatsächlich zugestimmt, in ihrer Heimatstadt zu bleiben? Ein warmes Gefühl breitete sich in ihrem Körper aus und ein Gewicht, dessen Existenz sie lange ignoriert hatte, hob sich von ihren Schultern.

»Ich bin in einer halben Stunde bei dir«, versicherte Alastair ihr.

Sie hörte, wie der Motor seines alten Fords aufheulte. »Fahr vorsichtig!«, sagte sie noch, aber Alastair hatte bereits aufgelegt.

Julie traf gerade rechtzeitig zu Hause ein, um ihre Jacke auszuziehen, als Alastair schon klingelte. Unter dem Arm trug er eine Flasche Champagner. Die Papiertüte in seiner Linken verkündete, dass er einen Zwischenstopp in Yarnvilles einzigem Feinkostwarengeschäft eingelegt hatte. Beim Anblick des knusprigen Baguettes bemerkte Julie, wie hungrig sie war. Kein Wunder – bei all den Ereignissen des Tages hatte sie kaum Zeit zum Essen gehabt.

»Komm rein!«, sagte sie und nahm Alastair die Flasche ab.

Zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit er sich in diesem Haus bewegte, war immer noch etwas merkwürdig. Am Anfang hatte Julie das als störend empfunden, aber mittlerweile hatte sie sich fast daran gewöhnt. Trotzdem wurde es Zeit, dass sie etwas veränderte. Eine neue Tapete oder ein neuer Küchentisch würden ihren Entschluss untermalen, in Yarnville zu bleiben, und ihr ein wenig mehr das Gefühl geben, dass das nun ihr Haus war.

Es tat gut, einen Entschluss zu fassen und die Zukunft zu planen. Vorsichtig legte Julie die Flasche Champagner in den Kühlschrank, auch wenn sie nicht glaubte, dass sie heute noch zum Einsatz kommen würde. Dann griff sie in den unteren Teil des Küchenschranks, wo noch immer Tante Lauries Whiskey »für medizinische Zwecke« stand, holte zwei Gläser und goss großzügig ein.

»Trink!«, befahl sie, und für einen Moment glaubte sie, ein Echo ihrer Tante in ihrer eigenen Stimme zu hören.

Alastairs Augen weiteten sich, aber er gehorchte und kippte die bernsteinfarbene Flüssigkeit in einem Zug hinunter. »Wer ist tot?«, fragte er dann unumwunden.

Julie, die gerade ihr Glas angesetzt hatte, verschluck­­te sich und begann zu husten. »Woher …? Was …? Wie­­so …?«, stammelte sie, als sie wieder Luft bekam.

Alastair schaute sie eindringlich an. »Ich kann sehen, dass du geweint hast. Du bist nervös und schleichst wie die Katze um den heißen Brei herum. Außerdem hast du mich quasi gedrängt, sofort zu dir zu kommen. Ich bin vielleicht alt, aber ganz sicher nicht blöd.«

»Nein«, gab sie zu und goss ihm Whiskey nach. »Jolene ist letzte Nacht gestorben. Es tut mir leid.« Sie griff über den Tisch nach seiner Hand, die sich kalt wie Eis anfühlte.

Alastairs Gesicht verzog sich zu einer Grimasse.

»Und es war kein natürlicher Tod«, fuhr sie fort. »Red sagt, sie ist verbrannt. Jemand hat in ihrem Haus ein Feuer gelegt.«

»Na, er muss es ja wissen«, murmelte Alastair und Julie war erstaunt über die Verachtung in seiner Stimme. Mit einem Seufzer, der aus den tiefsten Tiefen seiner Seele zu kommen schien, sprach er weiter: »Ich kann ihn nicht ausstehen. Er ist ein mieser kleiner Wichtigtuer.« Wieder sah er sie eindringlich an, zog seine Hand unter ihrer hervor und legte sie auf ihre Finger. »Da ist doch noch etwas. Was bedrückt dich? Fühlst du dich etwa verantwortlich für Jolenes Tod, nur weil du mir gestern die Zehn der Schwerter gelegt hast?«

»Das auch«, gab Julie zu, »obwohl ich weiß, dass es Unsinn ist.«

»Ja, das ist es, aber nicht aus dem Grund, den du ­vermutest«, sagte Alastair.

Julie starrte ihn an und fühlte die Hitze in ihren ­Wangen.

»Du weist wieder einmal alles Übersinnliche von dir und suchst einen objektiven Grund für deine Schuldgefühle«, erklärte Alastair und strich sich über den Bart. »Ich hingegen glaube, dass du zwar den gewaltsamen Tod in den Karten gesehen hast, der Yarnville heimgesucht hat, aber vergiss nicht, dass du das Schicksal eines Menschen nicht ändern kannst, ma Chère! Das liegt allein in der Hand der Person selbst.« Seine Stimme zitterte ebenso wie seine Hand, die nun nach dem Glas griff.

Er hatte Angst – diese Erkenntnis schockierte Julie mehr als alles andere, sogar mehr als Jolenes Tod und der Fund der blutverkrusteten Puppen auf dem Friedhof. Ihm jetzt von der doppelgesichtigen Gestalt zu erzählen, kam für sie nicht in Frage. Nicht nachdem sie ihm gerade erst vom Tod einer Freundin erzählt hatte. Besser, sie ließ ihn glauben, er hätte recht mit seiner Vermutung, sie mache sich nur Sorgen wegen der Tarotkarten.

»Was soll ich also deiner Meinung nach tun?«, fragte sie.

Alastair starrte nur vor sich hin.

»Hat dich jemand bedroht?«, wollte Julie nun wissen. »Glaubst du, dass es jemand auch auf dein Leben abgesehen hat?«

Vielleicht war das ja der Grund, weshalb er noch nicht wirklich etwas zu Jolenes gewaltsamem Tod gesagt hat­­te. So oder so, es war seltsam und passte nicht zu ihm.

Alastair schwieg noch immer. So langsam machte Julie sich Sorgen.

Sie wiederholte, was sie auch zu Margaret gesagt hatte: »Ich glaube nicht, dass jemand Jagd auf Hexen macht, Alastair – falls es das ist, was dich beunruhigt.«

Er antwortete nicht.

»Vielleicht solltest du mal mit Chief Parsons sprechen«, startete sie einen neuen Versuch. »Er hält mich für eine Verdächtige, du würdest mir also einen Gefallen damit tun.«

Alastair schien plötzlich aus seinem Trancezustand zu erwachen. »Ich habe keine Angst vor dem Tod, und schon gar nicht vor irgendwelchen selbst ernannten Hexenjägern«, erklärte er. »Ich bin bereit, meiner geliebten Laurie zu folgen. Und wer weiß, vielleicht werden wir ja gemeinsam wiedergeboren.« Er stand auf. »Trink ein Glas von dem Champagner für mich mit und lass dir die Sachen schmecken!« Er deutete auf die Feinkosttüte. Dann gab er Julie einen Kuss auf die Wange. »Und fürchte nicht für mich. Kümmere dich um dein Leben! Du weißt, was du zu tun hast.« Er wandte sich zum Gehen.

Julie packte ihn am Arm. »Nein, bleib hier! Ich habe kein gutes Gefühl, wenn du jetzt allein bist.«

Alastair drehte sich nicht um, er warf ihr nur einen eigenartigen Blick über die Schulter zu. Es sah aus, als freue er sich auf etwas – aber worauf? Julie überkam eine Gänsehaut und sie löste ihre Hand.

»Du weißt doch, was man sagt: Man geht niemals so ganz.« Damit steuerte Alastair auf die Küchentür zu und schloss sie hinter sich.


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