Читать книгу Die Fälle der Shifter Cops - Natalie Winter - Страница 16

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KAPITEL 9

Der Mond

Wütend starrte Julie auf den Computer und war ver­­sucht, ihm einen heftigen Schlag mit der flachen Hand zu ­versetzen. Sie hatte den Rest des Nachmittags damit verbracht, diverse Suchmaschinen mit dem Begriff »Shifter Cops« zu füttern. Das Ergebnis war allerdings gleich null. Entweder war das ein Witz oder … Oder was?

Einzeln hatten die Worte eine Unmenge an Treffern ergeben. Die Ergebnisse, die Julie für »Shifter« gefunden hatte, verwirrten sie allerdings zutiefst. Neben einigen Seiten mit technischem Schnickschnack gab es ein paar Firmen, die das Wort im Namen führten. Am meisten hatte sie jedoch Verweise auf Romane und Filme gefunden, die einen Gestaltwandler, also einen Shifter, als Helden hatten. So gab es nicht nur die klassischen Werwölfe, sondern auch liebestolle Bärenwandler, wagemutige Leopardenwandler und so weiter – was auch immer die Fantasie den Autoren in die Feder diktiert hatte. Doch was bedeutete die Karte, die Mr Blair ihr gegeben hatte? In dieser Hinsicht war sie noch immer nicht schlauer.

Kurz überlegte sie, ob sie einfach die angegebene New Yorker Nummer anrufen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Erstens hätte sie nicht gewusst, was sie sagen sollte, falls dort wirklich jemand abnahm. Und zweitens konnte man doch wahrscheinlich davon ausgehen, dass die Person am anderen Ende der Leitung in dieses Spiel eingebunden war. Rein logisch betrachtet, ließ die Karte nur einen Schluss zu: Madoc Blair von der Polizei in New York hielt sich für einen Gestaltwandler.

Julie seufzte. Offenbar war die ganze Welt verrückt geworden. Sogar Chief Parsons, der Skeptiker in Sachen Übersinnliches, hatte Mr Blairs Einmischung in seine Ermittlungen hingenommen. Das konnte nur eines be­deuten: Mr Blair war wirklich Polizist, sein Ausweis war also nicht gefälscht, und er war von einer übergeordneten Stelle mit der Untersuchung der Todesfälle in Yarnville beauftragt worden.

Jeder hat das Recht auf seinen eigenen Wahnsinn, dachte Julie.

Mr Blair war da keine Ausnahme. Wenn sie sich im Kartenlegen versuchte, dann konnte er ihrethalben als Werwolf den Vollmond anheulen und nackt durch die Wälder rennen, wenn er das wollte.

Die Vorstellung, wie der nackte Mr Blair sein Gesicht dem Mond entgegenhob und ein sehnsuchtsvolles Ge­­heul anstimmte, war so erheiternd, dass sich Julies Laune schlagartig besserte. Ob er bis zum nächsten Vollmond in der Stadt blieb? Vielleicht sollte sie ihm den einen oder anderen Tipp geben, welche Gegenden abgeschieden genug waren, damit er ungestört sein konnte. Obwohl, wenn sie ehrlich war …

Nein, genug, rief sie sich selbst zur Ordnung. Sie hatte schließlich noch etwas anderes vor. Mrs Saintclair wartete auf sie.

Julie sah auf die Uhr. Es war kurz vor fünf. Das Hexenmuseum in Salem hatte bis sieben Uhr abends geöffnet, und Julie hoffte, dass Gleiches auch für die Bibliothek galt. Falls nicht, würde sie Cassandra morgen für ein paar Stunden die Alleinherrschaft über das Itchy ­Witchy überlassen. In jedem Fall musste sie bald mit Mrs Saintclair sprechen und sie fragen, was es mit ihren Andeutungen auf sich hatte.

Außerdem hatte die Dame sie auf eine Idee gebracht: Sie würde in den historischen Dokumenten der Muse­­ums­bibliothek nach ortsansässigen Hexenfamilien suchen, die der schwarzen Magie nicht abgeneigt waren. Realis­tisch betrachtet waren ihre Erfolgsaussichten nicht be­sonders hoch, denn schließlich musste der Mörder von Jolene und Margaret nicht zwangsläufig einer der alten Hexenlinien entspringen. Nein, es war mehr ein Bauchgefühl, das ihr riet, es in Salem zu versuchen. Und hatte sie sich nicht vorgenommen, ihrer Intuition mehr zu vertrauen?

Eilig fuhr sie den Computer herunter, verabschiedete sich von Cassandra und machte sich auf den Weg.

Das Hexenmuseum lag in der Innenstadt von Salem und entsprechend nervenaufreibend gestaltete sich die Park­platzsuche. Endlich fand Julie eine Lücke. Sie schnappte sich ihre Tasche, schloss den Wagen ab und lief los. Ihr blieb nur noch etwas mehr als eine Stunde, bevor das Museum schloss. Ohne nach rechts oder links zu schauen, trat sie auf die Straße. Plötzlich hörte sie hektisches Hu­­pen, dann das Kreischen von Bremsen. Sie wandte den Kopf und sah ein Auto direkt auf sie zu­­kommen. Unfähig, sich zu bewegen, stand sie für den Bruchteil einer Sekunde einfach nur da, bevor zwei starke Hände sie um die Taille packten und nach hinten rissen. Selbst durch ihre Jacke und das Shirt hindurch fühlte sie die Hitze auf ihrer Haut.

»Spionieren Sie mir etwa nach?«, fauchte Julie und versuchte vergeblich, sich aus Mr Blairs Griff zu befreien. Aber sie hatte keine Chance.

Schließlich ließ er sie los und sie drehte sich zu ihm um.

Nun packte er sie an den Schultern und sah ihr direkt in die Augen. »Sie durchgeknalltes Frauenzimmer, was ist eigentlich los mit Ihnen? Haben Sie als Kind nicht gelernt, wie man eine Straße überquert?«

Entgeistert starrte Julie ihn an. Dann hörte sie wüste Beschimpfungen hinter sich. Das musste der Autofahrer sein; er hatte sicherlich mindestens so einen Riesenschreck bekommen wie sie. Mr Blair warf einen strengen Blick in seine Richtung und die Litanei verstummte abrupt. Gleich darauf heulte ein Motor auf und ein Wagen fuhr davon.

Na toll, dachte Julie. Warum hatte sie nicht die Fähigkeit, einen Menschen allein durch intensives Anschauen in die Flucht zu schlagen?

»Wollen Sie nichts dazu sagen?«, fragte Mr Blair und nahm die Hände von ihren Schultern.

Immer noch fühlte sie die unmenschliche Wärme, die von seinem Körper ausging. Doch sie hatte keine Zeit, jetzt darüber nachzudenken. Sie murmelte ein trotziges »Danke« und lief auf wackeligen Beinen los. Aber diesmal sah sie nach links und rechts, bevor sie die Straße überquerte.

Schließlich erreichte sie das Museum. »Blödmann!«, keuchte sie atemlos und stürmte vorbei an dem Pförtner. »Ich habe nicht Sie gemeint«, rief sie zurück, ohne ihren Schritt zu verlangsamen.

Ah, da drüben war die Bibliothek, und sie war noch geöffnet. Julie ging hinein und holte erst einmal tief Luft. Als sie wieder normal atmete, schaute sie sich um und entdeckte Mrs Saintclair an einem wuchtigen Schreibtisch. Sie sah aus wie der Inbegriff einer Bibliothekarin: den Kopf über ein Buch gebeugt, die Lesebrille auf der Nasenspitze, die grauen Haare zu einem lockeren Dutt gebunden. Außer ihr schien niemand mehr da zu sein.

Julie ging zu ihr hinüber und räusperte sich. Mrs Saintclair blickte auf und ihre Augen begannen zu leuchten.

»Miss Mireau, Sie sind tatsächlich gekommen«, sagte sie und legte das Buch zur Seite.

Auf dem Cover war eine junge Frau mit tiefem Dekolleté abgebildet. Hinter ihr stand ein gut aussehender Mann, der die Arme um ihre Taille geschlungen hatte und sie auf den Hals küsste. Auch Mrs Saintclair schien also Nackenbeißer-Romane zu mögen. Julie grinste kurz.

»Oh ja, ich liebe Romanzen, je kitschiger, desto besser«, gab Mrs Saintclair zu, die Julies Blick offenbar richtig gedeutet hatte. »Man kann schließlich nie genug Romantik im Leben haben, finden Sie nicht?«

Na ja, dachte Julie und überlegte, was sie sagen sollte. Bislang war sie ohne Mann ganz gut durchs Leben gekommen. Aber vielleicht verwechselte sie auch nur Romantik mit Liebe.

Mrs Saintclair schien keine Antwort erwartet zu haben. »Und bis der Mann meiner Träume, den Sie mir vorausgesagt haben, auftaucht, begnüge ich mich mit diesem Prachtexemplar hier.« Sie zeigte auf das Buch­cover und lächelte. »Aber Sie sind sicher nicht hergekommen, um mit mir über Liebesromane zu sprechen. Was kann ich für Sie tun?« Julie öffnete den Mund, aber Mrs Saintclair fuhr bereits fort: »Nein, sagen Sie nichts! Sie wollen sich das Familienbuch der Mireaus anschauen, habe ich recht?«

Julie starrte sie an. »Welches Buch? Ich wusste nicht einmal, dass so etwas existiert.« Sie biss sich auf die Lippe und fragte sich, welche Geheimnisse Laurie wohl noch vor ihr gehabt hatte. »Eigentlich bin ich hier, um Sie nach meiner Tante zu fragen. Und ich möchte wissen, ob es in der Gegend jemanden gibt, der sich mit schwarzer Magie beschäftigt.«

Mrs Saintclair wurde blass. »Setzen Sie sich!«, sagte sie und deutete auf einen der Stühle, die vor dem Schreibtisch standen. »Ihre Fragen lassen sich nicht in ein paar Minuten beantworten. Ich dachte, Ihre Großmutter oder zumindest Ihre Tante hätte Ihnen von dem Buch erzählt. Laurie war schließlich oft genug hier, um es sich anzuschauen.« Sie warf Julie einen prüfenden Blick zu und erhob sich. »Warten Sie kurz, Kindchen! Ich schließe eben ab, und dann erzähle ich Ihnen alles, was ich weiß.« Damit holte sie einen Schlüsselbund aus ihrer Tasche und entfernte sich. Als sie zurückkam, hatte sie ein großes Buch bei sich. Sie trug weiße Baumwollhandschuhe und reichte Julie ebenfalls ein Paar. »Ziehen Sie die an!«

Verwundert sah Julie erst sie, dann das Buch an. Es war nicht nur alt, sondern musste auch durch viele nicht allzu behutsame Hände gegangen sein. Der lederne Einband war speckig und so abgegriffen, dass die eingeprägten Symbole kaum noch erkennbar waren. Julie wollte es berühren, aber Mrs Saintclair schüttelte den Kopf.

»Nicht ohne die Handschuhe, meine Liebe! Es ist zu Ihrem eigenen Schutz.«

»Wieso? Sind die Seiten vergiftet?«, fragte Julie scherzhaft, denn sie erinnerte sich an Umberto Ecos grandiosen Roman über einen mittelalterlichen Detektiv, der sich ebenfalls mit Handschuhen vor den mit Gift bestrichenen Seiten eines geheimen Buches schützte.

Mrs Saintclair sah sie ohne die geringste Andeutung eines Lächelns an. »Man hat Ihnen wirklich nicht viel über Ihre Familie gesagt, nicht wahr?«, stellte sie mitleidig fest.

Julie versteifte sich. Sie wollte von dieser Frau nicht bedauert werden, sondern endlich wissen, was los war. Mühsam unterdrückte sie ihre Ungeduld, zog sich die Handschuhe an und griff nach dem Buch.

Aber Mrs Saintclair hielt es immer noch fest. »Das ist ein Grimoire«, sagte sie bedeutsam. »Wissen Sie, was das bedeutet?«

»Aber ja, es ist eine Sammlung von Zaubersprüchen«, gab Julie zurück und ließ die Arme sinken. War sie jetzt wieder in der Schule?

Mrs Saintclair nickte. »Das stimmt. Aber das Grimoire der Mireaus ist ein besonderes Exemplar. Es ist hell und dunkel zugleich.«

»Das heißt, es enthält sowohl schwarze als auch weiße Sprüche?«, fragte Julie zögernd. »Wie kann das sein? Die Frauen meiner Familie waren allesamt weiße Hexen.«

»Das hat man Ihnen erzählt«, erwiderte Mrs Saint­clair. Ihre Augen blitzten und ihr Gesicht wirkte merkwürdig zufrieden.

»Wie meinen Sie das?«, wollte Julie wissen.

»Nun, ich kannte Ihre Familie recht gut«, erklärte Mrs Saintclair. »Leider starb Ihre Mutter zu früh, um ihren Platz als Nachfolgerin Ihrer Großmutter einzunehmen. Und als dann Ihre Granny von uns ging, waren Sie noch viel zu jung. Also musste Laurie wohl oder übel die Position einnehmen, die eigentlich Ihnen vorbestimmt war.«

Mit dieser Information war Julie noch immer nicht schlauer. Was hatte das denn mit schwarzen und weißen Hexen zu tun?

Als habe Mrs Saintclair ihre Gedanken gelesen, sagte sie: »Die Hexen in Ihrer Familie sind abwechselnd hell und dunkel. Soweit ich weiß, war Ihre Großmutter eine schwarze Hexe. Ihre Mutter wäre eine weiße Hexe ge­­worden, hätte sie bis zur Entfaltung ihrer Macht gelebt.«

Fassungslos starrte Julie sie an. »Nur mal ange­nom­men, ich würde an Hexerei glauben – was ich nicht tue –, ­wollen Sie mir sagen, ich wäre eine schwarze Hexe? Das ist absurd.«

»Meine Liebe, Sie belügen sich selbst«, behauptete Mrs Saintclair. »Werden Sie wach! Sie sind schon einmal vor der Verantwortung davongelaufen. Das wird Ihnen kein zweites Mal gelingen. Sie sind nach Yarnville zurückgekehrt, in den Ort, in dem die Mireau-Hexen geboren werden, leben und sterben. Es ist Ihre Bestimmung, hier das Erwachen Ihrer Macht zu erwarten.«

Stumm schüttelte Julie den Kopf.

»Sagen Sie, haben Sie in den letzten Tagen seltsame Dinge erlebt?«, fuhr Mrs Saintclair erbarmungslos fort. »Vielleicht hatten Sie verstörende Träume. Deshalb sind Sie doch eigentlich zu mir gekommen, nicht wahr?«

Entsetzen überkam Julie. Woher wusste die Frau das?

Ihr Gesichtsausdruck musste sie verraten haben, denn Mrs Saintclair sprach weiter: »Glauben Sie mir, Sie können nichts dagegen tun. Ihre Tante hat vergeblich versucht, die Linie zu unterbrechen, aber Sie haben ja gesehen, was aus ihr geworden ist: Sie wurde krank und starb vor ihrer Zeit. Dasselbe wird mit Ihnen geschehen, wenn Sie sich der Macht verweigern.«

Nun reichte es Julie. »Sie sind ja verrückt«, krächzte sie und stand auf. Ihr Mund fühlte sich trocken an, ihre Kehle war wie ausgedörrt.

Mrs Saintclair, die das Grimoire jetzt fest an ihre Brust presste, lachte auf. »Nein, ich bin nicht verrückt. Ich bin die Bibliothekarin.« So, wie sie die letzten beiden Worte betonte, mussten sie eine bestimmte Bedeutung haben, die Julie nicht kannte. »Doch zumindest teilweise haben Sie recht«, gab Mrs Saintclair zu. »Ich werde verrückt. Das ist das Schicksal aller Menschen, die sich zu lange mit Zauberbüchern beschäftigen. Aber noch ist es nicht so weit.«

Julie war sich da nicht so sicher. Vorsichtig wich sie einen Schritt zurück.

Verflixt, wie sollte sie nur aus der Bibliothek herauskommen? Mrs Saintclair hatte abgeschlossen, daran er­­innerte sie sich. Wo war nur der Schlüssel? Suchend sah Julie sich um. Und was war mit dem Grimoire? Sie wollte es unbedingt mitnehmen. Zwar glaubte sie nicht alles, was Mrs Saintclair ihr erzählt hatte, aber es schadete sicher nichts, in den Aufzeichnungen ihrer Familie zu lesen.

»Geben Sie mir das Buch und lassen Sie mich hier raus!«, befahl sie so ruhig, wie sie konnte.

Mrs Saintclair lachte gackernd. »Sonst tun Sie was? Verwandeln Sie mich in ein Huhn?«

Das war irgendwie naheliegend. Julie verkniff sich ein Grinsen.

»Das können Sie nicht«, behauptete Mrs Saintclair. »Noch nicht.«

»Sind Sie sicher?«, fragte Julie. Mit klopfendem Herzen trat sie wieder einen Schritt auf Mrs Saintclair zu. »Wussten Sie, dass ich nun schon fast zwölf Monate in Yarnville lebe? In einem Jahr kann viel geschehen. Kräfte können sich entfalten …« Sie zwang sich zu ei­­nem Lächeln, von dem sie hoffte, dass es selbstbewusst und vielleicht sogar ein wenig bedrohlich wirkte. Dabei sah sie Mrs Saintclair direkt ins Gesicht. Dann streckte sie langsam die rechte Hand aus. »Geben Sie mir das Buch!«

Mrs Saintclairs Augen weiteten sich. »Das … Das können Sie nicht tun«, stammelte sie.

Etwas geschah mit Julie. Sie fühlte sich gut. Verdammt noch mal, gut war gar kein Ausdruck dafür. Es war ihr nie besser gegangen.

Vielleicht ist das die Nähe zum Grimoire, dachte sie und erschrak vor sich selbst. Aber sie brauchte dieses Buch, und sie würde alles tun, um es in die Finger zu bekommen. Selbst wenn das bedeutete, diese Frau hier in Schrecken zu versetzen. Sie blähte die Nasenflügel und sog den Geruch der Angst ein, der von Mrs Saint­clair ausging.

»Das Buch gehört rechtmäßig meiner Familie. Ich als Erbin der Mireau-Hexen fordere Sie ein letztes Mal auf, es mir auszuhändigen.« Julie war selbst erstaunt über diese pompösen Worte, doch sie bewahrte eine steiner­ne Miene – das hoffte sie zumindest.

Drei Herzschläge lang geschah nichts, dann hielt ihr Mrs Saintclair das Grimoire mit zitternden Händen entgegen. »Nehmen Sie es! Ich hoffe, Sie wissen, was Sie tun.«

Julie schnappte sich das Buch. Sie hätte schwören können, dass es sich wie ein lebendiges Tier an sie schmiegte. Gleich würde es anfangen zu schnurren. Oh nein – wurde sie jetzt auch schon verrückt?

»Und den Schlüssel!«, forderte sie.

Mrs Saintclair kramte in ihrer Tasche und zog ihn schließlich heraus. Ohne ein Wort warf sie ihn auf den Schreibtisch. Julie griff danach und lief in Richtung Ausgang. Auf den ersten Blick hielt sie die Frau, die sich im Glaseinsatz der Tür spiegelte, für eine Fremde. Langes dunkles Haar umspielte ein bleiches Gesicht mit scharfen Wagenknochen, blaue Augen leuchteten unter geraden, dichten Brauen. Sie wirkte dem Wahnsinn nahe, die Freude an der Grausamkeit war ihr deutlich anzusehen.

Als Julie verstand, dass sie ihr eigenes Abbild sah, fiel jegliche Hochstimmung von ihr ab. Was hatte sie nur getan? Sie drehte sich um. Mrs Saintclair stand immer noch da, wo Julie sie verlassen hatte, und starrte sie mit einem nicht zu deutenden Ausdruck an. Furcht war es nicht mehr, aber auch keine Erleichterung, weil Julie endlich ging.

Julie blinzelte. »Es tut mir leid. Ich lasse den Schlüssel am Eingang liegen. Sie können ihn sich dort abholen.« Sie schluckte. »Es tut mir leid«, wiederholte sie, als Mrs Saintclair keinerlei Reaktion zeigte. »Ich wollte Ihnen keine Angst machen.«

Aber das stimmte nicht. Sie hatte es genossen, die Frau mit ihren Kräften zu drangsalieren.


Die Fälle der Shifter Cops

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