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10 – Mayfair, London
ОглавлениеAm Nachmittag des 30. Dezember nippte Alexander Büsking zusammen mit seinem Bodyguard im Claridge‘s den Afternoon Tea aus feinsten chinesischem Porzellan – für 80 Pfund pro Person. Gerade hatte er sich von der in London lebenden Alleinerbin eines deutschen Zuliefererunternehmens für die Automobilindustrie verabschiedet. Neben der Einladung zu dem exklusiven Nachmittagstee mit deliziösen Finger-Sandwiches, frischgebackenen Rosinen-Apfel-Scones an Marco Polo-Jelly sowie Cornish Clotted Cream, Himbeertörtchen, Macarons und Rosè-Chmapagner, hatte er sich in den letzten Wochen noch zahlreiche andere Schmeicheleien einfallen lassen, um die alte Milliardärin zu einem Investment in seinen neuen Hedge Fund zu bewegen.
Wie viele ehemalige Investmentbanker versuchte er sich nach seiner Bankkarriere auf diese Weise selbständig zu machen. Schlechterdings ließen die dicken Fische noch auf sich warten. Trotz intensiven Klinkenputzens hatte bisher weder ein US-amerikanischer Lehrer-Pensionsfonds noch ein europäischer Versicherer angebissen, sondern sich allenfalls Plankton angesetzt.
„Thomas, gilt das eigentlich noch, was du mir letztens erzählt hast? Dass du in Deutschland Leute kennst, die alles für Geld machen, sogar jemanden um die Ecke bringen?“
Als Büsking Thomas Rommel vor zwei Jahren eingestellt hatte, war er noch der Meinung gewesen, dass er eigentlich keinen Personenschutz benötigte. Der über zwei Meter große Deutsche war allerdings ein derartiger Inbegriff des blonden Ariers, dass Büsking sich von seinem SS-Mann-haften Erscheinungsbild Vorteile versprochen hatte. Deshalb hatte er ihn bisher auch ausschließlich zu Geschäftsterminen mitgenommen. Inzwischen sah er sich jedoch durch das merkwürdige Heine-Zitat veranlasst, den Mann vorsichtshalber rund um die Uhr zu beschäftigen.
„Heute mehr denn je. Die…“
„Könntest du dann deine Freunde bitten, für mich eine Journalistin etwas einzuschüchtern? Würdest du mir diesen Gefallen erweisen?“
„Selbstverständlich, Boss. Wie heißt die Dame denn? Und darf ihr dabei auch ein Härchen gekrümmt werden?“
Büsking liebte diesen Euphemismus für die Anwendung schierer Gewalt. Er zögerte für einen kurzen Moment, weil es sich bei der Zielperson um die Tochter seines Freundes Fiete Peters handelte. Er selbst hatte sie als kleines Mädchen das ein ums andere Mal auf dem Schoß gehabt. Aber ihr letzter Artikel war einfach schon zu heikel gewesen. Würden sich daran weitere Nachforschungen anschließen und öffentlich werden, dass er Opfer von Anlagebetrügern geworden ist, könnte er seine Pläne begraben. Bei derart negativer Publicity wäre sein eigener Hedge Fund nichts weiter als eine Totgeburt. Niemand vertraute jemandem Geld an, der noch nicht einmal hinreichend auf das eigene Acht geben konnte.
„Rosa Peters. Und ja.“
Zu Fuß auf dem kurzen Rückweg zum Berkeley Square, wo er kürzlich Büroräumlichkeiten für seinen neuen Hedge Fonds angemietet hatte, schob Büsking noch einmal aufkeimende Gewissensbisse entschlossen beiseite. Jetzt musste jeder sich selbst am nächsten stehen. Wenn es nicht seine eigene Tochter wäre, würde das Fiete genauso sehen.
Büsking ließ sich an seinem neuen Schreibtisch nieder. Seine gleichfalls neue Assistentin, die ebenso gut als Bademode-Modell hätte ihr täglich Brot verdienen können, reichte ihm ein paar Minuten später die Post herein. Er wurde zu Stein. Obenauf lag eine Postkarte ohne Absender und mit der folgenden Aufschrift:
Belsazar aber ward in selber Nacht
Von seinen Knechten umgebracht.
Kaum hatte Büsking sich von dem ersten Schreck erholt, da klopfte es erneut. Zwei Besucher, die ihrerseits anders als seine langbeinige Assistentin ganz und gar nicht danach aussahen, als ob sie im Bikini eine gute Figur machten, stellten sich ihm barsch vor. Der eine kam von der britischen Finanzaufsicht FCA und der andere von Scotland Yard. Der Albtraum, der Büsking seit Jahren verfolgte, begann. Seine schlimmsten Befürchtungen wurden plötzlich zur Realität. Es waren angeblich Emails aufgetaucht, die ihn als Mitglied der „French Connection“ entlarvten.