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14 – Elbchaussee
ОглавлениеAls Fiete Peters die Tür öffnete, wirkte er sichtlich überrascht, aber auch erfreut darüber, seine Tochter Rosa zu sehen. Rosa aber wich seinem Versuch, sie zu umarmen, mit einer flinken seitlichen Ausfallbewegung aus. Beinahe hätte sie dabei Bormann umgestoßen. Ihre Begrüßungsfloskel war kurz und kühl. Aus der Willkommensszene schloss Bormann zweierlei: Zum einen hatten Vater und Tochter sich für eine längere Zeit nicht gesehen, obwohl sie in derselben Stadt lebten. Und zum anderen war es wohl die Tochter, die den Kontakt verweigerte.
Ihr Gastgeber führte sie durch einen langen Flur in einen lichtdurchfluteten, sechs Meter hohen Raum. Für den Entwurf des futuristischen Gebäudes hatte Fiete Peters das Architekturbüro COOPHIMMELB(L)AU angeheuert.
Bormann stellte sich vor und zeigte seinen Ausweis.
„Kölner Staatsanwaltschaft, Abteilung Korruptionsverfahren?“ rief Fiete Peters lauthals aus.
„Was machen Sie denn hier? Meinen Sie der Kölner Bischhof hat mich bestochen?“
Peters lachte hämisch und machte eine ausladende Armbewegung, die das gesamte zweigeschossige Atrium seines Wohnzimmers sowie den atemberaubenden Elbblick einschloss. Gerade lief ein gigantisches rotolivgrünes Containerschiff der China Shipping Line in den von Eisbrechern schiffbar gehaltenen Hamburger Hafen ein.
„Was führt dich zu mir, Rosa? Benötigst du etwa Geld? Die Krankheit der Schreiberlinge?“ fragte Peters weniger böswillig als vielmehr verletzt angesichts des Umstands, dass seine Tochter sich von ihm kategorisch fernhielt.
Doch Rosa sah nichts anderes als eine Provokation darin.
Seit sie ihren Anwaltsjob vor zwei Jahren gekündigt hatte, war sie nicht ein einziges Mal zu ihrem Vater gekommen, um ihn um Geld zu bitten. Zwar war ihr Praktikantengehalt minimal, die Differenz, die sie zum Leben in dieser nicht gerade billigen Stadt benötigte, konnte sie aber bisher ihren während der Zeit in der Großkanzlei aufgelaufenen Ersparnissen entnehmen. Sie sah ein, dass nicht jeder, der Journalist werden wollte, auch zugleich Anspruch darauf hatte, davon vortrefflich leben zu können, zumal es der Verlagsbranche von Jahr zu Jahr schlechter ging. Alles, was sie wollte, war die Chance, der Welt und sich selbst zu beweisen, dass sie zu denjenigen gehörte, die als Journalisten profitable Arbeit leisten konnten.
„Warum versuchst du nicht mal, mich bei etwas zu unterstützen, was ich wirklich tun möchte, statt mich andauernd zu etwas zu drängen, wovor es mich graut?“ platzte es aus ihr heraus.
„Wenn du eine vielversprechende Karriere als Wirtschaftsanwältin wegwerfen willst, so sei es. Meinen Segen hast du nicht.“
Peters ging zu einem Spirituosenkabinett an der Wand und goss aus einem Flakon eine bernsteinfarbene Flüssigkeit in ein Glas.
„Sie auch, Herr Bormann?“
Bormann tippte auf schottischen Whiskey. Er war versucht, schüttelte aber mit dem Kopf.
„Du trinkst doch sonst noch nicht so früh. Hast du etwa finanzielle Probleme, Papa?“ frage Rosa aufmüpfig.
Peters schien verblüfft. Anscheinend hatte sie ins Schwarze getroffen. Der Erklärungsversuch ihres Vaters war nur halbherzig:
„Es ist Silvester, Rosa.“
Rosa entschied sich, ihn jetzt nicht vom Haken zu lassen.
„Kann es etwa sein, dass du und deine Freunde Alexander Büsking und Horst Griedl einem Finanzbetrüger auf den Leim gegangen seid?“
„Wieso denkst du das?“
„Naja, um Kummer in Herzensangelegenheiten kann es sich ja nicht handeln, dafür bräuchtest du ein Herz. Vielleicht liest du auch einfach mal meinen neuen Artikel auf der Website des homo oeconomicus. Außerdem ist mir aufgefallen, dass Alexander Büsking und Horst Griedl seit Neuerem mit ihren ganz eigenen Problemen kämpfen. Und da ihr euch ja in jeden Schlamassel gemeinsam hineinzustürzen pflegt, da dachte ich einfach…“
„Ach sei still!“ herrschte ihr Vater sie an. Er nippte an seinem Scotch und überflog ihren Artikel auf seinem iPhone.
„Was willst du eigentlich von mir?“
„Die Namen der Personen hinter diesem Finanzbetrug. Wer hat es geschafft meinen Vater, den Klügsten unter den Betrügern, hereinzulegen?“
Ihr Vater beobachtete den langsam vorbeischippernden Containerriesen und schwieg. Bormann mischte sich ein:
„Wenn es Ihnen bei der Entscheidungsfindung hilft, Herr Peters: Ihre Tochter wurde vor ein paar Stunden von einer brutalen rechtsradikalen Rockerbande gekidnappt. Diesmal konnte ich sie gerade noch rechtzeitg aus den Fängen dieser Rüpel befreien. Sollte sie aber weiter im Dunkel tappen und bei allen möglichen Kriminellen nach den Namen der Betreiber eines vermeintlichen Schneeballsystems herumstochern müssen, kann ich für nichts garantieren.“
Fieter Peters merkte auf.
„Rockerbande? Gekidnappt? Was ist passiert Rosa?“
Sie winkte lässig ab, womit sie ihrem Vater zu verstehen gab, dass Bormann ihrer Ansicht nach aus einer Mücke einen Elefanten machte. Doch Fiete Peters war jetzt alarmiert. Er wirkte unentschieden. Es gab keinen Zweifel daran, dass er mit sich rang. Offensichtlich war es Bormann gelungen, seinen väterlichen Beschützerinstinkt zu wecken.
Schließlich sagte der knorrige Hanseat:
„Bergkrist. Wendelin Bergkrist. Der andere hieß Friedrich von Wolkenburg. Sein Vater war in den Neunziger Jahren Präsident der Deutschen Bundesbank gewesen. Mit diesen beiden hatten Alexander, Horst und ich Kontakt. Ihr Kapitalanlageunternehmen firmiert unter der Bezeichnung Flash Capital GmbH & Co. KG.“