Читать книгу Animus oder Die Seele eines Stärkeren - Nik Morgen - Страница 12
Auf der rechten Seite des Todes
ОглавлениеMan sah ihn jetzt nur selten mehr. Und die direkte Begegnung blieb aus, weil sie inzwischen – sprich: seit dem letzten Zwischenfall – unmöglich war. Aber es war auch unbestritten, dass er die Billets alle las.
Wie er sie empfand, dachte man, war nicht wesentlich, nur dass… Sie würden diesen Menschen verändern. Das war das Aufregende.
Aber man trug auch andre Nöte und glaubte oft nicht, dass sich etwas tat; zumindest nichts, was einen rückbetraf.
So lebte man im Zimmer jenes Turmes fort.
Es war nun einmal eine fixe Regel bei dem Spiel – Spiel konnte man’s im Ernst
nicht nennen – dass sein Reich für einen selber ganz unzugänglich war.
Man hatte ja gesehen, was passiert, wenn man’s betrat: Das Leben wurde ausgehaucht, kein Resten blieb zurück von all der Fülle und dem Adel. Die Grenzen waren fix, Einlass nicht gewährt, und einer Missachtung drohte Gewalt.
Ihn im Fall des Zwischenfalls zu stützen wurde einem als Fehler
spätenstens deutlich, da man diesen Übertritt mit einem blutigen Aug einsehen musste.
Und die Bahn blieb frei, eingefahren zu werden;
die Mittel und alle Wege offen, es zu tun,
wie immer er sich dazu entschied.
Wie immer, falls die Fortsetzung folgte – man glaubte nicht daran – dann konnte nur er auf einen zugehn…
Der Tod kam in das Haus und drang in das Zimmer vom Torhüter im oberen Stock.
Alles ging zur Beerdigung im Friedhof bei der Kirche.
Der Morgen war kalt, dunkel und neblig.
Man sah oder hörte kaum den Nächsten neben sich, sah oder hörte nur das Grab, in das der Sarg verschwand; fühlt sich allein und verschleiert, denn der Nebel drang, wenn nicht in alle, dann besonders in des einen Augen, so dass man den Körper dem Gefühl gemäss hinzusetzen wagte und gegen den Grabhügel um die Öffnung in die Erde kniete und unablässig tränte.
Es ging einem nicht um den Tod, der banal war wie ein Handschuh,
und nicht um den Verstorbenen, den man kaum liebte, sondern man war an das lichte Leben erinnert, und das verursachte die gesamte Trauer.
Ihn konnte man nicht sehen; man suchte ihn auch nicht, denn das ging ihn nichts an. Es war das eigene, das einem alleingehörend, einz-elendig Verzweifelte.
Doch dann war die rechte Hand auf dem Kopf.
Ebenmässig ging es durch beide Körperhälften.
Man musste sich nicht umdrehen fürs Erkennen, und das Haar, der Kopf war Widerstand genug für das Entgegnen.
So waren beide in der Gemeinschaft aufgehoben;
der Prozess des Trauerns schloss den Kreis.
Jetzt fand das Leid eine Richtung und versickerte tief in des Grabes
Erde, wo nachher viele Blumenkränze lagen.
Es war das erste Mal, da man verstand, VERSTAND OHNE NACHZUDENKEN, und da die Trauer zu dem grössten Tröster wurde.
Darauf würd man sich noch oft berufen: Man hatte einmal Bedeutung gelebt.
Er, der in der einen Nacht Verwünschungen sprach, stand heut´ auf der rechten Seit des Todes. Er, der Captain, der seine Hand am Metallgerüst vom Torhüter seines Teams geschnitten, hat sie aufgelegt und einen Toten lebend gerettet, der auf dem Grabhügel schon vornüberneigte.
Nach diesem Morgen durft man alles wagen, Weil einem nichts Gravierenderes passieren konnte.