Читать книгу Die Fabrik der Zeitmaschinen - Nils Doescher - Страница 16
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ОглавлениеEs waren nur sieben Minuten, nachdem Mia Tons ihren Wohnbereich in der Sicherheitszone London Süd verlassen hatte. Nun stand sie vor der Tür zum Hauptbüro von Lars Befron. Nicht nur ihrem Vorgesetzten, sondern der Vorgesetzte aller Menschen in der gesamten Fabrikanlage.
Die Fahrt von ihrem Wohnbereich bis zur Hauptzentrale verlief ohne nennenswerte Zwischenfälle. Die junge Frau fuhr in einem Schnellzug, der innerhalb von nur einer Minute durch eine der vielen Unterdruckröhren, in denen sich Züge mit einer Geschwindigkeit von fast dreitausend Kilometern in der Stunde bewegen konnten hierher. Jeder Kontinent, jede Insel und auch jede Stadt auf der Erde waren mit solchen Röhren verbunden, in denen die Züge mit Hilfe des Unterdrucks diese Geschwindigkeiten erreichen konnten. Fast so schnell, wie die Projektile alter, antiker Schusswaffen, die es noch in vielen Ausstellungsräumen zu bewundern gab.
Nach dieser schnellen Fahrt hierher durchquerte Mia nur noch die Sicherheitskontrollen der Zentrale, in denen ihre Augen automatisch von einem Scanner erfasst und einwandfrei als die der Sicherheitschefin identifiziert wurden. Daraufhin gelangte sie mit einem Turbofahrstuhl hinauf in den zweihundertfünfzigsten Stock des Gebäudekomplexes, um dann endlich vor dieser Tür stehen zu können. Mia legte kurz ihren rechten Daumen auf die kleine Glasplatte, die direkt in die Tür eingearbeitet war und nach weniger als einer Sekunde sprang das Signallicht auf Grün. Dazu war eine freundliche klingende Frauenstimme zu hören, die Mias Identität durch einen Lautsprecher herausposaunte, so dass es jeder in diesem Bereich der Zentrale Nord hören konnte. Danach verstummte diese freundliche Stimme wieder, um sofort durch eine wesentlich unfreundlichere ersetzt zu werden. Diesmal war es die rauchige Stimme eines Mannes, die Mia verkündete, dass der Commander noch nicht bereit war, sie zu sprechen, und, dass sie noch einen kleinen Augenblick zu warten habe. Diese kurze Pause nutzte sie, um noch einmal über die letzten zehn Minuten nachzudenken. Was zum Teufel noch mal sollte das alles hier?, dachte Mia.
Wieso bekam sie keinen klar definierten Einsatzbefehl von Befron, so wie es sonst seine Art war. Schon als sie im Zug saß, auch wenn die Fahrt lächerlich kurz war, kam ihr der Gedanke, dass sie vielleicht einen Fehler gemacht hatte. Einen schwerwiegenden Fehler bei ihrem letzten Einsatz. Sie dachte über diese Möglichkeit nach, kam dann aber immer wieder zu dem Schluss, dass es daran niemals hätte liegen können. Sie wusste, dass sie ihren Job am besten von allen machte, obwohl sie ein Mensch war, der es wie die Pest hasste, wenn man sich wichtig tat. Aber sie konnte dies von sich wirklich voller Stolz sagen. Sie führte ihre Aufgaben wirklich perfekt aus. Und das hatte nur einen Grund: Mia Tons, diese junge, gut aussehende und energische Frau, wusste ganz genau was sie wollte und ließ niemals einen Fehler durchgehen. Sie war eisenhart, wofür sie bei ihren Untergebenen berüchtigt war. Sonst wären wahrscheinlich auch nicht so viele Männer, die bei ihrem Anblick nicht nur ans Vögeln dachten, sondern auch versuchten, es in die Praxis umzusetzen, auf irgendwelchen verkommenen Krankenstationen gelandet.
Endlich glitt die Tür vor ihr mit einem sanftem Zischlaut zur Seite auf, und ohne auch nur noch eine Sekunde zu zögern trat sie in die Höhle des Löwen ein, nicht wissend, was sie nun erwarten würde. Lars Befron saß hinter seinem schwarzen, steinernen Schreibtisch. Im Hintergrund waren Hunderte von Bildschirme in die Wand eingelassen, auf denen man die wichtigsten Produktionsabläufe der Fabrik beobachten konnte. Die Decke in diesem viel zu großen Raum bestand aus unzähligen von Ventilationsschächten, aus denen Tag und Nacht kalte Luft zu strömen schien. Alles in diesem Raum war in schwarz gehalten, bis auf die Lichter die von den Bildschirmen ausgingen und das völlig deplatzierte Fell eines außerirdischen Lebewesens, dass vor dem Schreibtisch auf dem polierten Steinfußboden lag.
>>Miss Tons.<<, erklang Lars Befrons Stimme wie aus dem Nichts.
Mia starrte angestrengt in das große Dunkel vor ihr, bis sie endlich den Commander in seinem ledernen Sessel, hinter dem Tisch sitzend erkannte.
>>Gut, dass sie so schnell kommen konnten.<<, sagte dieser nun und drückte dabei eine Taste auf einer winzig kleinen Fernbedienung. Sofort danach verschmolzen die vielen Bildschirme im Hintergrund zu einem einzigen großen und dreidimensionalen Bild, welches sich über die gesamte Breite des Raums erstreckte. Man erkannte die zwei Inseln der Fabrikationsanlagen. Dann, durch einen erneuten Druck eines Knopfes der Fernbedienung Befrons, zoomte das Bild nun direkt an die Westküste der Arbeiterinsel. Mia erkannte dieses Gelände.
>>Wohnkomplex B. für Burren.<<, sagte Mia, um ihr Wissen zu beweisen.
>>Sehr gut erkannt, Miss Tons!<<, sagte Befron daraufhin, >>Wohnkomplex B. für Burren<< Ihr Vorgesetzter erhob sich völlig geräuschlos aus seinem Sessel und sah der jungen Frau finster in ihre Augen.
>>Miss Tons<<, begann er dabei zu erzählen, >>In wenigen Minuten wird genau dort, in diesem Wohnkomplex, etwas geschehen, das in der über fünftausendjährigen Geschichte dieser Fabrik einmalig ist.<<
Mia glaubte nicht richtig zu hören. Was wollte der alte Commander ihr da bloß erzählen?
>>Ja, sie haben richtig gehört, Miss Tons.<<, erklärte Befron weiter, >>Wir bekommen es hier mit einem schier unglaublich Ereignis zu tun.<<
>>Was wird geschehen?<<, fragte Mia erstaunt, aber auch gleichzeitig extrem neugierig.
Befron wartete wahrscheinlich absichtlich einen längeren Augenblick ab, um so seine folgenden Wörter bessere Wirkung verleihen zu können.
>>Es wird ein Meteorit auf unseren Planeten stürzen, meine liebe Miss Tons.<<, sagte Befron kühl.
Mia starrte auf das Bild hinter dem Commander.
>>Genau in den Wohnkomplex B. für Burren<<
Mia war völlig durcheinander. Sollte das nun ihr Einsatz sein, für den man sie so früh am Morgen aus dem Bett geholt hatte?
>>Commander.<<, räusperte sich Mia, >>Darf ich mir die Frage erlauben, warum die Weltraumüberwachung diesen Meteoriten nicht schon längst abgeschossen hat?<<
>>Das ist eine gute Frage, Miss Tons.<<, sagte Befron und ließ sich wieder genüsslich in seinen Sessel zurückfallen, >>Unsere, ach so geniale Weltraumüberwachung, hat diesen kleinen Meteoriten wohl viel zu spät erkannt.<<
>>Zu spät erkannt!<<, spottete Mia.
>>So zumindest scheint die Situation zurzeit so auszusehen.<<
>>Aber das ist doch wohl lächerlich, Sir. Immerhin leben wir doch im elften Jahrtausend<<
>>Genau das habe ich bis vor wenigen Minuten auch gedacht<<, sprach Befron nun mit ruhiger Stimme, darauf achtend bei diesem Gespräch die Oberhand zu behalten und sich von dieser, wie er sie gerne nannte, arroganten Schlampe, nicht ins Wort fallen zu lassen.
>>Unsere Jungs von der Weltraumüberwachung...<<, erklärte Befron gelangweilt weiter, >>… sind der Meinung, das dieser Meteor viel zu klein wäre, um größeren Schaden anzurichten. Und der Ort, an dem er aufprallen wird, betrifft ja immerhin keine wichtigen Produktionseinheiten.<<
Mia schaute immer wieder auf den Bildschirm.
>>Wenn Sie mich fragen, handelt es sich hier um einen Akt reiner Faulheit und reinen Geizes, dass dieser Felsbrocken nicht einfach abgeschossen wird. Aber leider habe ich so etwas ja nicht zu entscheiden. Ich bin nur dafür da, dass die Fabrik einwandfrei läuft<<
Befron begann mit den Fingern seiner rechten Hand auf dem kalten Stein seines Tisches zu tippeln.
>>Aber mich fragt ja keiner!<<
Ihr Vorgesetzter schien absolut recht damit zu haben, wenn es der Tatsache entsprach das dieser Steinklumpen aus dem Weltraum genau dort einschlagen würde, wie es ihnen vorausgesagt wurde. Er würde wahrscheinlich nur einen sehr geringen Schaden anrichten. An einem Ort, an dem nur unwichtige Arbeiter lebten. Arbeiter, die ohne jede Probleme ersetzt werden konnten. Aber dennoch sollte er genau hier aufprallen. Viel zu nahe an den Fabrikationsanlagen. Und ihn abzuschießen würde normalerweise kein Problem darstellen.
>>Habe ich nicht recht, Miss Tons?<<, fragte Befron nun plötzlich mit einer süffisanten Stimme, dass einem dabei hätte schlecht werden können. Mia nickte mit ihrem Kopf.
>>Sie haben absolut recht, Sir<<, sagte sie selbstsicher, >>Es ist zwar, auch meiner Meinung nach, unverantwortlich von der Weltraumüberwachung, aber soll das Scheißding doch ruhig auf den Wohnkomplex fallen, Sir.<<
Befron nahm seine Hand wieder vom Tisch, lehnte sich in seinem Sessel zurück und begann zufrieden zu lächeln.
>>Also gehe ich davon aus, dass sie ohne jegliche Probleme mit dieser etwas ungewöhnlichen Situation fertig werden?<<
Das war also tatsächlich alles? Mehr nicht? Deshalb hatte man sie überhaupt aus dem Bett geholt, wegen solch einer Lächerlichkeit?
>>Da sehe ich kein Problem, Sir!<<, sprach sie. Sollte doch kommen was wolle. Allein nur die Annahme, dass sie, die allmächtige Sicherheitschefin der Fabrik, nicht mit einem dämlichen Stein aus dem Weltraum fertig werden würde, war geradezu lächerlich.
Lars Befron konnte sich auf Mia Tons verlassen, da gab es für ihn überhaupt keinen Zweifel, auch wenn sich diese zwei Personen eigentlich überhaupt nicht leiden konnten.