Читать книгу Die Fabrik der Zeitmaschinen - Nils Doescher - Страница 20
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ОглавлениеDas zweite Tonsignal der Sirenen war gerade verstummt und es wurde wieder ruhig im Wohnkomplex, als Irvin aus dem Haus kam, die Tür hinter sich verschloss und sich mit Sarah auf den Weg zum Schnellbus am Ende der Straße machte.
>>Wird auch Zeit, Grandpa!<<, schimpfte sie ihn.
>>Dann stehe ich halt im Bus.<<, gab er friedlich zur Antwort und beendete somit gleich im Voraus jedes weitere Diskutieren über die Sturheit alter Leute.
>>Dann mach doch was du willst!<<, sagte Sarah beleidigt, hakte sich aber trotzdem bei ihm ein, >>Mach doch was du willst!<<
Und so gingen die Beiden in die Richtung der Schnellbushaltestelle, von wo aus sie zur Arbeit gebracht werden sollten.
Sie kamen allerdings nur ungefähr zweihundert Meter weit. Dann nämlich geschah das Ereignis, welches ihr Leben und das Leben aller Menschen auf der Welt, in den nächsten Stunden für immer verändern sollte.
Irvin blieb zuerst stehen.
>>Hörst du das auch, mein Schatz?<<, fragte er Sarah und schaute dabei nach oben in den Himmel. Noch bevor Sarah auch nach oben schauen konnte, hörte sie es. Genauso wie alle anderen Mitbewohner um sie herum, die auch recht spät auf dem Weg zu den Bussen waren. Das Geräusch, welches sie vernahmen, klang fast als ob ein Shuttle abstürzen würde. Aber irgendwie hörte es sich auch wieder völlig anders an. Dann plötzlich brach innerhalb von einem Bruchteil einer Sekunde die Hölle über diese Menschen herein.
Aus den dichten Wolken über ihnen brach ein Objekt mit einem Schweif aus Rauch und Feuer durch die Luft, um mit rasend schnellem Tempo in der Erde einzuschlagen. Genau hinter Irvins und Sarahs alter Hütte, die sich sofort danach durch die Druckwelle des Aufpralls in Millionen Einzelteile auflöste, welche durch die Luft gewirbelt wurden. Diese Welle der Zerstörung breitete sich höllisch schnell aus und riss noch einige andere Hütten mit sich. Diese alten Unterkünfte wurden regelrecht in Fetzen gerissen und fort geweht. Genauso auch der Zaun, durch den einst Sarahs Vater kroch, um sich sein Leben zu nehmen.
Die Menschen, die dazu verdammt waren sich dieses Schauspiel anzusehen, wussten zuerst gar nicht so recht wie sie reagieren sollten. Doch dann endlich schmissen sie sich zu Boden. Keiner konnte mehr sagen, wer so schlau war und es zuerst tat, wichtig war nur das nun alle Menschen in Deckung gingen, denn sofort danach wurden sie von den Resten ihrer Hütten und deren Inneneinrichtungen, von Dreck, Erde und Staub überschüttet. Irvin wusste gar nicht, wie er es so schnell geschafft hatte, aber er spürte den kleinen, zierlichen Körper seiner Enkeltochter sicher unter dem seinen liegen. Er hatte sie so gut beschützt wie er nur konnte. So wie er es ein Leben lang schon getan hat.
>>Was ist denn bloß los, verdammt noch mal?<<, wimmerte sie dabei, und kaum hatte Sarah diese Worte ausgesprochen, da war der ganze Spuk auch schon wieder vorbei. Nur noch kleine Erdklumpen und Sandkörner fielen zu Boden. Die ganze Straße war von einer Staubwolke, die schwer in der Luft hing, verhüllt.
Langsam erhoben sich die Menschen wieder, völlig geschockt von dem, was gerade eben geschehen war. Sie konnten kaum glauben, was sie vor sich sahen. Das Ende des Wohnkomplexes war nicht mehr da, eine ganze Reihe Hütten wie weg geweht, ganz so als ob es sie niemals gegeben hätte. Ebenso die schweren Betonplatten, die zuvor als Weg gedient hatten, sie waren teilweise völlig verschwunden. Das, was zuvor noch die Behausung vieler Menschen war, war jetzt ein großer Krater von gut und gerne zwanzig Meter Durchmesser, in dessen Mitte ein riesiger, rot glühender Gesteinsbrocken lag.
Überhaupt nicht mehr daran denkend den Bus zur Arbeit zu besteigen, eilten die Menschen zu dem Krater und versammelten sich an dessen Rand, um den Brocken im Inneren bestaunen zu können. Unter ihnen waren auch Sarah und Irvin, die sich wie alle anderen wieder aufgerafft hatten und nun an dem Krater standen. Allerdings kamen sie als Letzte dort an, da sich Irvins alte Knochen beim Aufstehen schmerzend meldeten.
Jeder der Bewohner dieses Komplexes versuchte, diese außergewöhnliche Situation zu begreifen. Niemand schien im ersten Augenblick so recht verstehen zu können, was hier überhaupt geschehen war, obwohl es selbstverständlich ganz offensichtlich war, dass hier ein Meteorit niederging.
Für Sarah und ihrem Grandpa gab es allerdings in diesem Moment nur eine einzige Sache, die zählte. Ihr Haus. Es war nicht nur eingestürzt und zerstört worden. Nein, es war einfach nicht mehr da. Rein gar nichts erinnerte an das Heim dieser beiden Menschen und auch nicht an die Hütten ihrer direkten Nachbarn. Alles um diesen Krater war bis auf Staubkörnchengröße zerstört worden.
Nachdem der erste Schock überwunden war, fingen die Menschen nun langsam an über das zu diskutieren, was gerade über sie hereingebrochen war, vor allem, wie so etwas überhaupt passieren konnte.
>>Wie konnte denn nur ein Meteor durch unsere Atmosphäre gelangen?<<, hörte man die alte Miss Pei sagen. Eine Frage, die prompt vom jungen Orlando, einem Mann, der ebenfalls gerade sein Haus verlor, beantwortet wurde, >>Die Atmosphäre stellt wohl das kleinste Problem dar.<<, gab er wichtigtuerisch von sich, >>Wieso hat die Raumüberwachung das Ding nicht einfach abgeknallt? Das sollten wir uns doch mal fragen?<<
>>Die haben das Ding einfach nicht gesehen.<<, stieß es plötzlich aus der Menge hervor, was mit schallendem Gelächter belohnt wurde.
>>Du Blödmann!<<, schrie Orlando erneut, >>Die Raumüberwachung sieht jedes Staubkorn, das sich der Erde nähert, schon Jahrhunderte vorher.<<
Daraufhin entbrannte zwischen den Bewohnern des Komplexes eine hitzige Diskussion über die Gründe, wie dieser Brocken hier auf ihre Insel stürzen konnte. Worte wie Schlamperei und Pure Absicht wurden laut geschrien. Andere Menschen ermahnten doch besser vorsichtig mit solchen Äußerungen umzugehen, womit sie auch recht hatten, denn die Raumüberwachung hatte zu jenen Tagen nicht nur den Weltraum im Auge, sondern auch die Oberfläche der Erde. Insbesondere die Wohnsiedlungen der meistens unzufriedenen Arbeiter.
Irvin und seine Enkeltochter hingegen hielten es nicht für nötig, sich diesem dummen Gerede anzuschließen. Was sollte es ihnen auch bringen? Vom langen Lamentieren bekamen sie ihr zu Hause auch nicht wieder zurück, also tat der alte Irvin das einzig für ihn Logische, das er tun konnte. Er wollte etwas über diesen Brocken herausfinden, ob er nun absichtlich durch die Atmosphäre gelassen wurde oder nicht. >>Grandpa!<<, stieß Sarah entsetzt hervor, als der Alte sich ganz plötzlich von ihr löste und direkt in den Krater kletterte.
>>Hey, Irvin<<, schrie irgendein Mann aus der Menge, >>Du brichst dir noch deine alten Knochen!<<, was wiederum nur Gelächter unter den Menschen auslöste. Es sah auch wirklich gefährlich aus, wie der alte Mann dort in den Krater, mehr auf seinem Hintern als auf seinen Beinen herunter, rutschte.
>>Grandpa!<<, schrie Sarah erneut, >>Bitte lass das sein! Komm zurück bevor du dich verletzt.<<
Sie hatte zuvor noch versucht ihren Großvater am Ärmel zu packen, aber vergeblich.
>>Er wird verbrennen!<<, schrie diesmal eine Frauenstimme aus der Menge, >>Der Brocken ist doch noch glühend heiß.<<
Doch Irvin konnten all die Warnungen nicht von seinem Plan abhalten, sich diesen Meteor genauer anzusehen. Irgendetwas, so erschien es ihm, kam ihm an diesem Gesteinsbrocken aus dem Weltall seltsam vor. Natürlich hatte Irvin in seinem arbeitsreichen Leben, dass er bis zum jetzigen Zeitpunkt führte und in dem er nur in der Fabrik gearbeitet hatte, noch niemals zuvor einen Meteoriten gesehen, aber dennoch war er sich absolut sicher, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Jeder Mensch in der weiten Galaxis wusste selbstverständlich, was ein Meteorit ist und wie er sich verhält, wenn er auf einem Planeten mit einer Atmosphäre wie die der Erde einschlägt. Und genau daran musste Irvin denken als er sich dem Brocken immer weiter nährte. Ein Meteorit wird durch das Eintauchen in die Atmosphäre verdammt heiß und es braucht eine ganze Weile bis dieser sich dann wieder abgekühlt hat. Dieser Meteor hier allerdings, und das erkannte Irvin sehr schnell, strahlte im ersten Augenblick auch eine große Wärme aus, aber nur für sehr kurze Zeit. Das Glühen auf seiner Oberfläche, das man sofort nach dem Aufprall beobachten konnte, war bereits verschwunden, was wirklich mehr als merkwürdig war.
Während alle Menschen um den Kraterrand Wetten abschlossen, wie nahe Irvin dem Brocken käme, bis dieser ihn verbrennen würde, erkannte er, dass der Meteor tatsächlich schon nach wenigen Minuten fast vollständig abgekühlt war. Er war nur noch lauwarm. Und als die Hand des Alten langsam und vorsichtig die Oberfläche des Gesteins berührte, ging ein Raunen durch die Menge.
>>Das kann doch nicht wahr sein!<<, sagten die meisten von ihnen fast gleichzeitig.
Es war ein Ausdruck des Triumphs auf dem Gesicht von Irvin zu erkennen, als er hoch zur Menge schaute, ganz besonders als sein Blick bei Sarah stehen blieb, die ihn böse anstarrte. Doch bevor sie ein Wort sagen konnte drängelte sich Orlando an der jungen Frau vorbei und kletterte ebenfalls den Kraterrand herunter.
>>Das kann doch wohl nicht sein!<<, sagte dieser dabei, >>Was zum Teufel ist hier bloß los?<<
Empört berührte auch er den Brocken und verbrannte sich die Hände genauso wenig wie zuvor Irvin. Von da an gab es kein Halten mehr, alle Menschen, die zuvor noch in den Krater glotzten, begannen nun damit, in ihn hinein zu steigen und den Brocken aus dem Weltraum zu berühren. Wie konnte dieser Meteor bloß so unglaublich schnell abkühlen? Dies war eine sehr berechtigte Frage, die sich jeder in diesem Augenblick stellte.
Die Antwort darauf war natürlich ganz einfach, nur war keiner von ihnen in der Lage, darauf zu kommen, dass das Innere dieses Brockens mit einer gefrorenen Flüssigkeit gefüllt war. Einer Flüssigkeit, die für diese rasante Abkühlung sorgte. Und eine Flüssigkeit, die zwei leblos scheinende und tief gefrorene Menschen in sich trug. Zwei Menschen die absolut leblos erschienen, es aber nicht waren. Ganz im Gegenteil.
Einer von ihnen schien sogar zu träumen.