Читать книгу Die Fabrik der Zeitmaschinen - Nils Doescher - Страница 24

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Nachdem Irvin, sowie Sarah und Orlando den beiden völlig verdreckten Männern aus dem Krater geholfen hatten, hieß es nun ein geeignetes Versteck für sie zu finden. Irvin und seine Enkeltochter, aber auch der junge Orlando, hatten ihre Häuser ja bei dem Aufprall des angeblichen Meteors verloren. Jetzt mussten sie ernsthaft überlegen, was sie mit diesen zwei Männern anstellen sollten.

Sollten sie vielleicht der Obrigkeit eine Meldung machen, dass dort im Meteor zwei Eindringlinge saßen, die es doch tatsächlich geschafft hatten in das Fabrikgelände zu gelangen. So etwas hat es noch niemals zuvor gegeben. Wie würde Mia Tons reagieren? Da waren sich wahrscheinlich alle unterdrückten Arbeiter auf der Erde einig. Die Tons würde diese zwei Männer mit großer Wahrscheinlichkeit sofort erschießen lassen. Und obwohl Orlando zuerst protestierte, wahrscheinlich wegen seiner zerstörten Hütte, stimmten Sarah und Irvin dafür, den Beiden erst einmal zu helfen. Wenn zwei Menschen so tollkühn waren, auf so raffinierte Art und Weise hier einzudringen, dann mussten sie auch einen ganz besonderen Grund dafür haben.

Die Arbeiten mit den Baggern waren vergessen, jetzt hieß es sich das anzuhören, was diese Männer zu sagen hatten. Egal was für Konsequenzen es für sie bedeuten könnte.

>>Seit doch nicht so laut!<<, flüsterte Sarah als sich die Gruppe um eine der Hütten schlich, die in nächster Nähe des Krater stand und nicht zerstört wurde.

>>Ach Sarah!<<, sagte Irvin, >>Alle sind jetzt in der Arbeit.<<, dabei rüttelte er an der verschlossenen Tür.

>>Okay.<<, sprach nun Jorg, noch immer damit beschäftigt den trocknenden Schlamm von den Kleidern zu klopfen, >>Beide Türen sind verschlossen. Schlagen wir sie ein!<<

>>Super, das wäre dann ein Einbruch!<<, giftete Orlando sofort dazwischen. Maxx und Jorg beachteten die Worte dieses jungen und etwas zu klein geratenen Wichtigtuers gar nicht erst und traten gemeinsam einmal kräftig gegen die Tür des Hintereingangs. Dort war ihr kleines Verbrechen, dass sie hier begingen nur durch einen rostigen Wellblechzaun verdeckt. Aber es schien sowieso völlig egal zu sein, denn hier befand sich zurzeit keine Menschenseele. Irvin hatte recht behalten mit seiner Aussage, dass sich alle Arbeiter jetzt in der Fabrik befanden. Zumindest hier in ihrer Straße. Die einzigen Zeugen für diesen Einbruch waren die Schwebebagger, die stumm auf der zerstörten Straße standen und schon längst zum Einsatz hätten kommen müssen. Niemand protestierte noch weiter und alle fünf Personen betraten das Innere der Hütte. Jorg und Maxx, die sich beide, bevor sie den Krater verließen noch je eine schwarze Tasche um die Schultern legten, achteten gut darauf, dass niemand von den anderen damit in Berührung kam, oder das irgend jemand neugierige Blick in sie hinein werfen konnte.

Sie alle betraten den Küchenbereich der kleinen Blechhütte. Es war nicht besonders sauber, aber es gab einen kleinen Tisch mit vier Stühlen. Jorg Safox setzte sich mit Irvin, Sarah und Orlando an den Tisch, während Maxx stehen blieb. Dieser begann die Schränke zu durchwühlen bis er eine Flasche aus Kunststoff fand.

>>Genau das, was ich jetzt brauchen.<<, sagte er, öffnete daraufhin den Magnetfeldverschluss der Flasche und begann sofort zu trinken.

>>Das ist unser schwarzes Bier, das einzige alkoholische Getränk, welches hier zugelassen ist.<<, verkündete Irvin.

>>Das ist mir egal.<<, sagte Maxx rülpsend, >>Hauptsache etwas zu trinken.<<

Dann reichte er eine weitere Flasche aus dem Schrank an Jorg.

>>Du solltest jetzt auch was trinken. Wir sind völlig dehydriert und brauchen erst mal Flüssigkeit.<<

Jorg nahm die Flasche entgegen und begann auch zu trinken.

>>Wie glauben sie, dass wir ihnen helfen können?<<, fragte Sarah nun, um das Gespräch zu beginnen.

>>Und vor allem möchten wir gerne wissen woher sie überhaupt kommen?<<, polterte Orlando mal wieder dazwischen.

>>Alles zu seiner Zeit!<<, grölte Maxx laut und warf dabei die inzwischen leere Flasche polternd auf den ohnehin schmutzigen Boden, >>Alles zu seiner Zeit. Wir sind nicht hierhergekommen, um uns von Euch ausfragen zu lassen, dafür ist uns unsere Zeit einfach zu kostbar!<<

>>Moment mal!<<, sagte nun Irvin und hob dabei seine Hände. Alle starrten nur ihn an, er blieb völlig ruhig und erzählte weiter, >>Als ihr Beide hier gelandet seid, habt Ihr immerhin unsere Häuser zerstört.<<

Niemand wagte etwas darauf zu erwidern.

>>Wir haben durch Eure Landung hier, so muss es jetzt ganz einfach gesagt werden, alles verloren was wir besessen haben.<<

Noch immer blieb es still, selbst Maxx konnte sich einen weiteren Kommentar verkneifen. Er griff sich lieber ganz still und leise eine zweite Flasche von dem dunklen Bier.

>>Wenn also jemand das Recht hat…<<, erzählte Irvin weiter, >>…mehr zu erfahren, dann sind es auf jeden Fall wir.<<

>>Genau!<<, stimmte Orlando zu, >>Wenn ihr von uns Hilfe bekommen möchtet, dann erzählt erst einmal woher ihr kommt und was Ihr hier überhaupt vorhabt?<<

Jorg drehte sich kurz zu Maxx um und nickte mit dem Kopf, Maxx nickte ihm zurück, auch wenn es ihm eindeutig sehr missfiel. Dann richtete sich Jorg an die drei anderen am Tisch.

>>Nun.<<, begann er zu erzählen, >>Ich bin mir sicher, dass wir alle hier, auf der selben Seite stehen.<<

Dann begann der junge Jorg Safox, gerade zum ersten Mal in seinem Leben auf der Erde angekommen, seine Geschichte zu erzählen. Seine Geschichte, und die, wie er Maxx Coltron kennen lernte.

Er erzählte nur kurz wie er seinen Heimatplaneten verließ. Den wahren Grund dafür wollte er diesen wildfremden Menschen natürlich nicht erzählen. Genauso wenig wie er ihn jemals einem anderen Menschen erzählt hatte. Die Schändung und Ermordung seiner geliebten Frau und die schwere Zeit, die er danach durchlebte, gingen nur ihn etwas an. Er erzählte nur, wie er auf Argon 4 in den Widerstand gelangte, der sich nach den Angriff der terranischen Truppen stärker den je gebildet hatte, und wie er begann, sich für Computertechnik zu interessieren. Nach jahrelanger Ausbildung war Jorg endlich in der Lage mit jedem, auch noch so komplizierten und modernsten Holocomputer der Galaxis umzugehen. Elektronische Türsperren, Augenscanner, holografische Bild- und Tonüberwachung, sowie Datenverkehr im Finanzwesen stellten für den jungen Mann keine Probleme mehr da. Das einzige Hindernis, vor dem diese zwei Widerstandskämpfern jetzt noch standen, war die Tatsache, das sie auf so weit entfernten Planeten wie Argon 4 oder Europa nichts gegen das Terrorregime der führenden Menschen ausrichten konnten, und das ihnen ein so gut ausgebildeter Mann wie Jorg Safox dort absolut nichts nützte. Der Widerstand war völlig unorganisiert, so wie auf allen Planeten, die von Menschen besiedelt waren. Und wie viele solcher Widerstandsgruppen es in der gesamten Galaxis gab, konnte niemand so genau sagen, auch nicht wie lange sie schon alle existierten. Sicher war nur eins: Noch niemals war der Widerstand erfolgreich, denn dafür war die Macht der Menschen auf Erden einfach zu stark. Sie war zu stark und die armen Bevölkerungsschichten ferner Welten waren zu ängstlich, um sich zu erheben. So ging es nun schon seit dem der Mensch damit begonnen hatte, den Weltraum zu kolonisieren, also über achttausend lange Jahre.

Nun aber wollten sich endlich die richtigen Menschen zusammentun und wirklich etwas unternehmen, auch wenn das bestimmt schon Millionen vor ihn genauso unternommen hatten und sie alle dabei versagt haben. Diesmal aber, sollte es wirklich funktionieren. Es gab unendlich viele geheime Zusammenkünfte, tollkühne Pläne, die zu verwirklichen waren, und vor allem gab es viele Luftschlösser, die dazu bestimmt waren wieder in sich zusammenzubrechen. Aber ohne die kleinste Hoffnung brauchten sich die Unterdrückten gar nicht erst zusammen zu finden. Irgendwann musste das Übel ja schließlich aufhören zu existieren.

Und am Ende war es Jorg Safox der Argon 4 als einziger seiner Widerstandsgruppe verließ, um auf einem entfernten Mond einen Kontaktmann treffen zu können. Dieser Kontaktmann, so hieß es, käme ebenfalls aus einer weit entfernten Welt, in der nur Ausnutzung und Unterdrückung herrschten und wollte mit einem gut ausgebildeten Mann zusammentreffen, der etwas von der modernen und komplizierten Computertechnik verstünde. Wie es hieß, sollte dieser Kontaktmann einen wirklich genialen Plan besitzen. Einen so genialen Plan, dass er, sollte er in die Tat umgesetzt werden und funktionieren, einen vernichtenden Schlag gegen das Regime der Menschen hervorrufen könnte. Einen vernichtenden Schlag gegen die eigene Rasse. So traurig dies auch erschien, aber den Unterdrückten schien kein anderer Ausweg mehr zu bleiben.

Jorg bemerkte, als er seine Geschichte erzählte, dass er die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Zuhörer besaß. Der junge Mann, den sie Orlando nannten, war hin und weg, genauso wie der Alte. In seinen Augen schien sich etwas ganz Besonderes zu regen. Nämlich der Glanz von Freiheit. Bei der jungen Frau, die mit dem Alten verwandt zu sein schien, erkannte Jorg allerdings Vorsicht. Sie schien Jorgs Geschichte zwar zuzuhören, war aber wesentlich skeptischer und nicht von der gleichen wilden Entschlossenheit erfüllt wie die anderen beiden. Eine Reaktion, die Jorg eher von dem Alten erwartet hätte und nicht von der jungen Frau, die ihm in ihrer natürlichen Schönheit übrigens sehr gefiel. Er konnte sich ohne Weiteres vorstellen, für diese Frau wieder Gefühle zu entwickeln. Gefühle, die er seit Riahs Tod nicht mehr empfunden hatte.

Diese rothaarige Schönheit hier schien nur eins zu wollen. Das Jorg seine Geschichte weiter erzählte. Sie wollte mehr hören. Und Jorg tat es, er erklärte diesen Menschen hier nun endlich, wie er dann vor einigen Wochen auf dem Jupitermond Europa auf den Kontaktmann Maxx Coltron stieß. Genau derselbe Kontaktmann, der immer noch im Hintergrund stand und die zweite Flasche Bier genüsslich in sich hinein schüttete. Angst davor, dass Maxx sich hier so stark betrinken würde, dass dann das ganze Unternehmen in Gefahr lief zu scheitern, machte Jorg sich nicht. Er kannte Maxx nun schon einige Wochen und hat selbst erlebt, wie sich sein Partner in der Hotelanlage auf Europa an so manchen Abenden noch viel schneller, mit viel härteren Getränken betrank. Niemals schien Maxx Coltron die Kontrolle über seinen Körper zu verlieren. Jorg war sogar schon soweit zu glauben, dass dieser Mann immun gegen den Einfluss alkoholischer Getränke war.

>>Aber wie haben sie es denn geschafft sich im Inneren eines Meteors zu verstecken?<<, fragte nun der neugierige Orlando, für den diese Frage am aller wichtigsten war und die ihm schon die ganze Zeit über auf seiner Zunge brannte.

>>Nun.<<, erwähnte daraufhin Maxx, ein weiteres Mal laut rülpsend, >>Bei der Ausführung dieses absolut, genialen Plans komme ich jetzt ins Spiel.<<

>>Genial ist er wirklich!<<, musste Irvin beipflichten, >>Ihr habt etwas vollbracht, das noch niemals zuvor ein Mensch geschafft hat. Ihr seid in das Fabrikgelände eingedrungen. Das ist eigentlich völlig unmöglich!<<

>>Ja, dass sind wir!<<, erklärte Maxx stolz, >>Das sind wir!<<

Und Jorg erzählte weiter. Die Geschichte, wie sein Gefährte Maxx auf diese brillante Idee gekommen war.

>>Durch ein Buch?<<, fragte Irvin ungläubig nachdem Jorg die Geschichte zu Ende erzählt hatte.

>>Ganz genau!<<, erklärte Maxx, >>Durch ein uraltes Buch aus der Antike. Einer Zeit als man Geschriebenes noch auf Papier druckte.<<

Irvin äugte Maxx ungläubig an.

>>Und aus einem solchen alten Buch habt ihr die Idee dazu bekommen hier einzubrechen?<<

>>Das ist korrekt. Nur in diesem Buch ging es darum, dass außerirdische Lebewesen, die auch noch auf dem Mars leben sollten, die Menschheit angreifen. Und zwar indem sie sich mit großen Meteoriten auf die Erde fallen ließen. Später stiegen sie dann einfach aus und haben ihren Plan in die Wirklichkeit umgesetzt.<<

Alle schwiegen gebannt. Was für eine unglaubliche Geschichte.

>>Und so kam es dann zu einem Kampf zwischen den Welten.<<, fügte Maxx noch hinzu, >>Ich glaube so in der Art hieß das Buch auch. Irgendwas mit Krieg der Welten.<<

Weiterhin herrschte ungläubiges Schweigen in der Küche.

>>Na ja, dieses Buch wurde vor etlichen Tausenden Jahren geschrieben, wahrscheinlich glaubten die Menschen damals noch an solch einen Blödsinn.<<, erzählte Maxx weiter und musste dann laut loslachen, >>Außerirdische vom Planeten Mars!<<

>>Das glaube ich gerne.<<, erklärte Irvin, >>Immerhin war das noch zur Zeit der vorweltraumlichen Antike.<<

>>Und genau deshalb ist es heute auch kaum noch einem Menschen bekannt.<<, mischte sich nun Jorg wieder ein, >>Einfach genial, nicht wahr?<<

>>Natürlich genial!<<, schrie Maxx laut und dabei Bier verschüttend, >>Einzig und allein die Umsetzung war das Schwierigste daran.<<

>>Und woher habt ihr dieses Buch?<<, fragte Orlando.

>>Natürlich habe ich die Daten dieses Buches aus dem öffentlichen Galaxie-Web. Woher denn wohl sonst?<<

Eine peinliche Pause entstand, in der Maxx sich seine nächsten Worte erst einmal genau zurecht legen musste.

>>Na ja.<<, sagte er, >>Da, wo ich herkomme leben die Menschen genauso wie hier auch in Unterdrückung. Da gibt es natürlich nicht die Möglichkeit ins Galaxie-Web zu gelangen. Aber nachdem ich meinen Heimatplaneten verlassen hatte, konnte ich mich in vielen Passagiertransportern an Holocomputer setzten und so einiges in Erfahrung bringen.<<

Orlando antwortete daraufhin nichts mehr und Jorg fuhr mit seiner Geschichte fort. Dabei trank er sein Bier aus, aber wesentlich langsamer als es sein Freund tat. Er erklärte den Dreien wie sie, nachdem sie auf Europa alles soweit vorbereitet hatten, in eine lahmarschige Marsfähre stiegen, die sie dann zu dem roten Planeten brachte.

Der Mars, der zu dieser Zeit nur noch als Müllentsorgungsplanet diente, war für ihre Zwecke einfach ideal. Hier konnten sie alles finden, um ihren Plan in die Wirklichkeit umzusetzen. Und genügend Menschen, die ihnen dabei halfen gab es auch, denn auch hier, auf dem Nachbarplaneten der Erde herrschte hauptsächlich Armut und Unzufriedenheit. Sie bauten dort innerhalb von nur dreiundzwanzig Tagen diese kleine technische Meisterleistung. Den Meteoriten, der in Wirklichkeit gar keiner war. Ein winzig kleines Raumschiff, ausgerüstet mit einer ziemlich alten Sauerstoffanlage, einer ebenso alten Cryo-Gefrieranlage und dem äußeren Tank für die cryogene Flüssigkeit, die man nach dem entleeren absprengen konnte. Mit der Hilfe einer Abschussanlage von der Oberfläche des Mars wurde dieser kleine Brocken, der äußerlich wie ein Gesteinsbrocken aussah, dann abgeschossen, um nach mehreren Tagen Flugzeit pünktlich und haargenau in die Atmosphäre der Erde einzudringen. Fast genauso, wie es einst die Bewohner des Mars in dem antiken Roman von Herbert George Wells getan hatten, den Maxx Coltron in den Tiefen des galaktischen Internets gefunden hatte.

>>Bei dem Aufprall auf der Erdoberfläche hättet ihr zermalmt werden müssen.<<, sagte diesmal überraschenderweise Sarah, >>Niemand kann einen solchen Aufprall überleben, dass ist doch unmöglich.<<

Niemand schien das wirklich glauben zu können, obwohl sie ja nun an diesem Vormittag ganz eindeutig Zeugen geworden waren, dass es möglich war. Immerhin stiegen diese zwei Männer hier ja direkt aus dem Gesteinsbrocken aus.

Somit erklärte Jorg ihnen die technisch einfache Idee, mit der sie dieses Problem am Ende lösen konnten. Sich einfach in einen kompletten, fest gefrorenen Stein zu verwandeln, der dann erst, nachdem er gelandet war, wieder auftaute, war bei diesem ganzen Unternehmen das Einfachste. Die komplette Masse blieb eins und konnte nicht zerspringen. Die einzige Sorge war nur Folgendes: Würde die Weltraumüberwachung den Meteoriten abschießen oder nicht? Da die Zielkoordinaten feststanden und dieser Brocken auf unwichtigem Fabrikgelände landen sollte, dachten die Leute bei der Überwachung wahrscheinlich, dass er viel zu unwichtig sei. Sie hätten ohne jeden Zweifel anders reagiert, wenn der Meteor gedroht hätte, in eine wichtig Fabrikationseinheit der Hauptinsel zu fallen, oder auf Städte wie New York, Paris, Berlin, Moskau oder Peking. Allesamt Hochburgen der Reichen und Schönen, der Politiker und der Finanzbosse. Die Städte der Titanen, die mit jeweils über zwei Milliarden Einwohnern die fünf größten Städte der Erde darstellten.

Hier aber, war es ganz eindeutig etwas anderes. Es war nur die Insel der Arbeiter, dennoch gehörte sie zum Fabrikgelände. Das Fabrikgelände, in dem nun zwei unangemeldete Eindringlinge saßen und einer von ihnen sich langsam mit dem schwarzen Arbeiter-Bier betrank.

All dies erzählte Jorg Safox diesen drei Personen, hier in dieser kleinen Küche der Hütte, in der sie eingebrochen waren, um nun ihr Vertrauen gewinnen zu können. Ob er ihr Vertrauen mit der Geschichte ihrer Erlebnisse allerdings gewann, konnte er noch nicht sagen. Und ehrlich gesagt, war es ihm auch egal, denn während seines langen Gespräches, dass er mit ihnen führte, gingen dem jungen Mann immer wieder ganz andere Gedanken durch den Kopf. Seine schreckliche Vergangenheit und die Ereignisse, die ihn zu dem gemacht hatten, was er jetzt war. Ein Aufständischer anstelle eines friedfertigen Farmers. Er konnte gar nicht anders.

Diese Gedanken ließen ihn nicht los.

Wieder schweifte er in die Vergangenheit ab.

Erst viele Stunden später erwachte Jorg aus seiner Bewusstlosigkeit, nachdem die sechs Männer seine Farm überfallen hatten.

Es war tiefe Nacht geworden und er hatte die ganze Zeit über vor seinem Haus gelegen. Der Wüstensand, in dem er lag, hatte sich inzwischen so stark abgekühlt, dass er erst jetzt bemerkte, wie erbärmlich er fror und am ganzen Körper zitterte. Er sammelte seine Gedanken. Was war geschehen? Wieso lag er im Sand? Wieso fror er so heftig? Dann versuchte er seine Augen zu öffnen, was ihm nicht gelang. Sein gesamtes Gesicht war nur noch eine Maske aus getrocknetem Blut und erst beim dritten Versuch brach sie auf. Sein erster Blick rief ihm alles, was geschehen war mit einem Schlag wieder ins Gedächtnis. Nur wenige Meter entfernt von ihm lag seine tote Frau im Wüstensand. Völlig nackt, so wie man sie und auch ihn erst am Morgen aus ihrem Bett gerissen hatte. Das, was einmal ihr Kopf war, war nur noch eine breiige Masse die im Laufe des warmen Tages im Wüstensand groteske Formen angenommen hatte. Mehrere Wüstenratten, die hier heimisch waren, hatten sich bereits an dem toten Körper herangemacht. Von der Hirnmasse war kaum noch etwas übrig.

Jorgs erster Impuls wäre gewesen, sofort aufzuspringen und diese verdammten Viecher zu verscheuchen, aber nur bei dem Versuch der kleinsten Bewegung spürte er ein Trommelfeuer von Schmerzen durch seinen Körper jagen. Die unzähligen Stellen, an denen er getreten wurde, und sein Gesicht bestanden nur noch aus Schmerzen. Er schrie laut auf und blieb liegen. Er blieb einfach nur liegen und schaute auf das grausige Schauspiel vor ihm. Dann wurde ihm bewusst, dass er es nicht zulassen durfte, dass diese Ratten das, was von Riah übrig geblieben war, hier und jetzt verspeisten. Erneut versuchte er sich zu erheben und merkte erst jetzt, dass sein gesamter Rücken, seine Arme und auch Beine wie Feuer brannten. Er hatte den ganzen Tag völlig nackt in den Sonnen gelegen. Den Sonnenbrand, den er sich dabei zugezogen haben musste, konnte er eigentlich nicht überleben, so schlimm musste er sein. Dennoch schaffte er es nach mehrmaligen Versuchen sich endlich zu erheben, nur um sich sofort wieder zu übergeben.

Es dauerte mindestens eine Stunde bis er soweit war und neben der Eingangstür des Hauses gelehnt auf dem Boden saß. Sein Rücken brannte dabei so, als ob er in einer Badewanne voller Salzsäure liegen würde. Sämtliche Gedanken schossen ihm durch seinen Kopf, in dem es unerbittlich hämmerte, ganz so als würde er jeden Moment explodieren. So wie der von Riah.

Einfach hier sitzen bleiben und sterben! Das wurde dann, nachdem sich sein Körper ganz langsam an eine sitzende Haltung gewöhnt hatte, sein einziger Gedanke. Wieso sollte er denn überhaupt noch leben? Jetzt war es doch gelaufen. Entschied er sich zu sterben, dann würde es sowieso nicht mehr lange dauern. Sein Körper war schon so stark durch die Hitze des Tages dehydriert, dass seine Zunge angeschwollen war wie eine Zitrone. Er konnte kaum noch Luft holen und würde spätestens zur Mittagszeit, wenn die zwei Sonnen hoch am Himmel standen, tot sein. Und dann? Innerhalb weniger Tage würden ihre toten Körper von den Aasfressern vollständig vertilgt sein und nur noch zwei Skelette übrig bleiben. Das war irgendwie ein tröstlicher Gedanke. Zumindest in diesem Augenblick der absoluten Hoffnungslosigkeit. Jorg stellte sich vor, wie in vielen Monaten, wenn nicht sogar Jahren, irgendjemand hier vorbei kam und sie finden würde. Zwei Skelette im Wüstensand, die zu Staub zerfielen, wenn man sie berührte. Dann fiel ihm ein, dass er so etwas, von zwei zu Staub zerfallenden Skeletten, doch schon irgendwann einmal in seinem Leben gehört hatte. War es noch zu Zeiten, als er als kleiner Junge einmal in der Woche die Schule in der Hauptsiedlung besuchte? Erzählte da nicht einmal ein Lehrer von einer solchen antiken Legende? Von zwei Skeletten die zu Staub zerfielen, nachdem man sie berührte? Irgendeine dumme Geschichte von einem Glöckner und einer Zigeunerin. Was immer das auch Gestalten sein mochten.

Nein. Nein. Nein.

Was sollte das denn bloß? Wieso dachte er denn ausgerechnet jetzt an das wenige, das er einmal als Kind gelernt hatte. Jorg stieß absichtlich mit seinem Kopf gegen die Hauswand, um wieder klare Gedanken fassen zu können. Er saß hier schwer verletzt, wahrscheinlich auch mit einem schlimmen Sonnenstich, an der Wand seines Hauses und vor ihm lag der geschändete Leichnam seiner Frau. Das, und nichts anderes, war in diesem Moment die Realität.

Wieso hatten ihn diese Männer überhaupt am Leben gelassen? Ging es ihm als nächstes durch seinen Kopf. Warum haben sie ihm denn nicht auch den Schädel weggeschossen? Wahrscheinlich wollten sie ihn absichtlich am Leben lassen, damit er genau das hier erleben sollte. Oder dachten sie etwa, dass er in der Sonne sterben würde? Er konnte sich all dies nicht erklären und blieb einfach weiter vor dem Haus sitzen. Dabei dachte er nach, wie er sich entscheiden solle. Weitermachen und überleben? Oder einfach sitzen bleiben und sterben?

Was sollte er tun?

Erst als der Morgen graute und die erste Sonne im Norden aufging (die zweite sollte nur 24 Minuten später folgen), da hatte Jorg sich entschieden, was er zu tun hatte. Sterben. Nein. Auf gar keinen Fall. Er entschloss sich nicht zu sterben. Er wollte weiterleben, allein weil er wusste, dass es Riah auch so gewollt hätte. Niemals, so glaubte er, hätte sie sich überhaupt, nachdem er sie gekauft hatte, in ihn verliebt wenn er nicht so denken würde.

Ja, dachte er, ich werde weiterleben. Und das tat er dann auch. Auch wenn es schwer war. Zuerst musste er sich um sich selbst kümmern. Unter den schlimmsten Schmerzen gelang es ihm sich in das Haus zu bewegen. Dort versorgte er seine Wunden, nahm langsam und vorsichtig Flüssigkeit zu sich und behandelte den schlimmen Sonnenbrand mit spezieller Brandsalbe. Und noch bevor er sich schlafen legte, unter den allerschlimmsten Anstrengungen, begrub er Riah an Ort und Stelle. Direkt vor dem Eingang seiner Farm, die nun dazu verurteilt war eine Geisterfarm zu werden. Hier weiterzuleben und zu arbeiten, dass beabsichtigte Jorg an diesem Morgen auf gar keinen Fall.

Nach getaner Arbeit setzte er weder einen Grabstein noch ein Kreuz auf das Grab Riahs, denn sämtliche christliche Symbole waren schon vor Jahrtausenden ausgestorben. Genauso wie die dazugehörigen Religionen. Heutzutage beteten die Menschen nur noch ihre überwältigenden technischen Errungenschaften an. Mehr nicht.

Jorg ging einfach ins Haus, trank erneut Wasser und legte sich schlafen.

Erst am nächsten Morgen, als es Jorg körperlich tatsächlich schon etwas besser ging, verließ er das Haus, dass sein Leben lang seine Heimat war, mit der Absicht nie mehr zurückzukehren. Er bestieg sein Shuttle und fuhr direkt zu der Farm von Riahs Familie. Bevor er sich endgültig absetzte, so beschloss er, musste er ihnen selbstverständlich mitteilen was geschehen war.

Doch es war genau das eingetreten, was er in seinen schlimmsten Befürchtungen schon geahnt hatte. Wenn die Truppen der Regierung marodierend über fremde Planeten zogen, dann taten sie dies meist gründlich. Und nachdem Jorg, nach einer einstündigen Fahrzeit, bei der Farm von Riahs Familie ankam, musste er feststellen, dass auch hier die Truppen gewütet hatten. Und zwar noch viel, viel schlimmer als bei ihm zu hause. Das Farmgebäude war nur noch eine verkohlte Ruine, die Kakteenfelder waren von Sprenggeschossen verwüstet und von den Bewohnern hatte man hier niemanden am Leben gelassen, wie Jorg verbittert feststellen musste. Er war tatsächlich noch mit seinem Leben davon gekommen. So viel Glück hatten tatsächlich nur die allerwenigsten. Obwohl Jorg in diesem Augenblick, als er die Überreste der Familie betrachtete, garantiert nicht an das Glück dachte noch am Leben zu sein.

Die gesamte Familie wurde ermordet. Die Köpfe von Riahs Eltern, ihren zwei Schwestern und sogar den zwei jüngeren Brüdern, die noch im Kindesalter waren, steckten abgeschlagen auf eisernen Stangen im Wüstensand. Sie schienen ihn mit vorwurfsvollen Blicken anzustarren. Wieso bist du noch am Leben und wir nicht? Jorg verweilte nicht lange. Er begrub niemanden und fuhr einfach weiter. Dieses Leben hier war für ihn zu Ende.

Nur wenige Tage später verließ er den Planeten, versteckt als blinder Passagier im Frachtraum eines Transporters und machte sich auf den langen Weg, den er brauchte, um sich dem Widerstand anzuschließen. Obwohl er genau wusste, dass der Widerstand früher oder später auch nur zum Tod führen konnte. Kämpfend sterben. Das sollte von jetzt an sein Motto sein, so lange er noch lebte.

Als er sich später in einer weiteren fernen Welt einer Widerstandsgruppe anschloss, berechnete man als allererstes seinen Intelligenzquotienten und stellte erstaunt fest, dass es sich um einen überaus intelligenten jungen Mann handelte, der sein Leben zuvor nur als Farmer fristete. Man bot ihm sofort an, eine Ausbildung an holografischen Computern zu machen, was er auch sofort annahm. Und dann, eines Tages, schickte man ihn voll ausgebildet auf einen Mond mit dem Namen Europa, um sich dort in einem Hotel mit einem Kontaktmann namens Maxx Coltron zu treffen.

>>Ist alles mit dir in Ordnung?<<, fragte Sarah plötzlich und riss Jorg damit aus seinen Gedanken. Die junge Frau schien die einzige gewesen zu sein, die bemerkte, dass etwas mit diesem seltsamen Gast aus dem Weltraum nicht stimmte.

>>Alles in Ordnung.<<, log Jorg, >>Alles in Ordnung.<<

Dann, nachdem nun eine kleine Pause entstanden war, in der Irvin, Sarah und ihr großmäuliger Nachbar Orlando diese Neuigkeiten erst einmal sacken lassen mussten, wandte sich Irvin plötzlich zu Maxx, der noch immer das Bier der Bewohner dieses Hauses trank. >>Das ist ja alles gut und schön.<<, sagte er, >>Aber wie denkt ihr, soll es jetzt weitergehen?<<

>>Ja.<<, fügte Sarah hinzu, >>Was habt ihr denn jetzt überhaupt vor?<<

Und genau auf diesen Augenblick hatte Maxx Coltron die ganze Zeit über gewartet, denn diesen Teil der Geschichte zu erzählen, das fiel ganz eindeutig in seinen Aufgabenbereich.

Die Fabrik der Zeitmaschinen

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