Читать книгу Muttermilch - Nora Ikstena - Страница 13

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Ich war vielleicht sieben oder acht Jahre alt, als ich eine der dramatischsten Episoden meiner Kindheit erlebte. Ich verlor darüber fast die Sprache. Es war ein schöner Herbstnachmittag, meine Freundin von nebenan und ich lasen gegenüber vom Hippodrom goldgelbe Blätter auf. Durch die Bäume drang ein kräftiger Brandgeruch, aber das erschien uns nicht verdächtig, da in den Gärten der Häuser, die die verblichene Pracht der Rennbahn umgaben, im Herbst häufig jemand etwas verbrannte.

Der Geruch wurde jedoch stärker, und plötzlich schossen durch das Dach des Hippodroms riesige Flammen empor. Sie verschlangen das schöne Vorkriegsgebäude in unglaublicher Geschwindigkeit, und schon bald waren Schreie und die Sirenen von Rettungs- und Feuerwehrwagen zu hören. Wir standen wie versteinert da und schauen auf dieses Bild der Zerstörung. Die Taschen vollgestopft mit Gold. Aus einem der Rettungswagen sprang meine Mutter heraus. Mit hysterischen Schreien warf sie sich zwischen die Feuerwehrleute, griff sich einen Eimer, schöpfte Sumpfwasser aus dem Graben und rannte zu dem in Flammen stehenden Gebäude. Völlig verschreckt und weinend lief ich ihr hinterher. Die Feuerwehrleute fingen uns bei den Tribünen ab, gerade, als das brennende Dach einstürzte.

Während meine Mutter im Rettungswagen eine Beruhigungsspritze bekam, versuchte ich stotternd zwei Wörter auszusprechen: nach Hau-se. Ich erinnere mich noch gut an den kurzen Weg vom abgebrannten Hippodrom zu unserem Haus. Ich führte meine Mutter an der Hand, sie blickte ins Nirgendwo und ging folgsam mit mir mit. Die ganze Zeit weinte ich und versuchte, diese zwei kleinen Wörter zu sagen: nach Hause.

Es wurde eine richtige Walpurgisnacht. Der Beruhigungseffekt der Spritze ließ bald nach und meine Mutter demolierte die ganze Nacht ihr Zimmer. Großmutter schloss mich im Badezimmer ein. Der Stiefvater versuchte, in ihr Zimmer zu kommen. An meine Ohren drangen die Schreie meiner Mutter. Ihr Henker, schrie sie, Henker, Henker, Henker. Großmutter stand an der Glastür und bat sie weinend, aufzuhören. Dann verfiel meine Mutter in Wehklagen. Dann hörte man das Klopfen der verstörten Nachbarn. Und dann war es still. Eine erlösende Stille, die sich mit der Dunkelheit im Badezimmer vermischte, in dem ich schluchzend saß und immer noch leise versuchte, diese Worte zu sagen: nach Hause.

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