Читать книгу Erwärmung und Wohlstand oder Abkühlung und Verfall - Norbert Buchner - Страница 11
Warmes Glinde-Interstadial: Expansion nach Südostasien, Australien und Neuguinea
ОглавлениеDie Auswanderer haben Afrika aus Not bei ungünstigem Klima verlassen, aber sie hatten Glück, welches sie vermutlich ihrer neuen asiatischen Heimat zu Gute schrieben: es wurde sehr rasch wärmer und feuchter. Das Glinde-Interstadial setzte plötzlich ein (s.Abb. 2) und es bescherte über den langen Zeitraum von mehr als 5 Jahrtausenden relativ warme Temperaturen – wenn auch mit fallender Tendenz. Die höheren Temperaturen brachten dann auch mehr Feuchtigkeit mit sich.
Das Temperaturniveau war während der Eiszeit keineswegs konstant; es vollführte sogar rasche und große Sprünge (vgl. Abb. 2). Im Laufe der Jahrtausende hob sich die Temperatur in kurzer Zeit – oft innerhalb eines einzigen Jahrzehnts – um mehr als 5°C an und sie fiel dann nach einer längeren wärmeren Phase, einem „Interstadial“, in Stufen wieder auf die früheren Werte ab. Allerdings erreichten die Interstadiale nie die Temperaturen unserer Zwischeneiszeit, des Holozäns.
Die langen wärmeren Interstadiale mussten zur Vermehrung der Menschen und zu Expansionen in neue Räume führen. Die erste Expansion ging nach Südosten, wohl entlang der asiatischen Küsten, denn hier blieb es warm oder es wurde sogar noch wärmer. Die Menschen behielten so auch ihre gewohnte Umgebung bei, die sie mit Nahrung versorgte. So erreichten die Abwanderer schnell auch feuchtwarme Regionen, in denen ein Rückgang der Temperatur zu Ende des Interstadials keinen zu großen Nachteil bedeutete.
Es hat die Forscher immer wieder überrascht, in wie kurzer Zeit die Menschen nach Südostasien und nach Australien gekommen sind. Das langdauernde warme Glinde-Interstadial liefert hierfür eine perfekte Erklärung! Der heute recht heiße und feuchte südostasiatische Raum wies auch noch in kälteren eiszeitlichen Phasen ein akzeptables Klima auf, weswegen sich die Menschen dort schnell verbreiten konnten. Von diesen ersten Einwanderern gibt es in Süd- und in Südostasien noch geringe Spuren: in Indien rechnet man vor allem die dunkelhäutigen Bewohner der Andamaneninseln südlich von Myanmar (Birma) dazu. Für ihre Genvariante auf den Mitochondrien hat man ein Alter von 53 000 Jahren ermittelt. Dies entspricht etwa dem Zeitpunkt der Auswanderung aus Afrika. Als am wenigsten veränderte Nachfahren dieser Abwanderer nach Asien gelten die Aborigines in Australien und die Papuas auf Neuguinea. Diese große Insel wurde erst bei der Beendigung der Eiszeit durch den ansteigenden Meeresspiegel vom damaligen Kontinent Neu Guinea/Australien/ Tasmanien abgetrennt und die Menschen entwickelten sich dann in Isolation weiter.
Um von Südostasien auf diesen Großkontinent mit Zentrum Australien zu gelangen, boten sich den frühen Menschen zwei Wege an. In beiden Fällen mussten allerdings mehrere Wasserstraßen bewältigt werden. Dass sich die Menschen der frühen Zeit schon auf Hochseeschifffahrt verstanden konnten kürzlich Sue O'Connor mit Kollegen von der National University in Canberra zeigen: sie fanden in einer Höhle in Timor, im Osten des malayischen Archipels, Reste von Hochseefischen mit einem Alter von 42 000 Jahren. Die damaligen Wasserwege waren auch kürzer als heute: wegen des abgesenkten Meeresspiegels lag ein beträchtlicher Teil des Sundashelfs trocken und er verband heutige Inseln von Indonesien zu einem riesigen Subkontinent, der im Süden bis Bali reichte. Von dort aus führte ein südlicher Wasserweg nach Australien. Nach dem Osten hin stellte die Meeresstraße vor der heutigen Insel Sulawesi (Celebes) die Grenze des südostasiatischen Festlandes dar. Dieser Weg wies nach Neu- Guinea, dem nördlichen Anhang von Australien. Auf beiden Pfaden mussten die Menschen aber mehrere Strecken bis zu 80 Kilometer Länge durch „Inselhüpfen“ bewältigen.
Es gilt als wahrscheinlich, dass die ersten modernen Einwanderer schon vor fast 50 000 Jahren in Ostasien auftauchten und sich auch bald – noch während des warmen Glinde-Interstadials – in Richtung Australien aufmachten. Die ersten bekannten Felsgravierungen mit abstrakten Mustern in Australien sind etwa 45 000 Jahre alt. Schon vor 30 000 Jahren wurde an der Südspitze Australiens Feuerstein abgebaut und Tasmanien besiedelt, welches damals mit Australien zusammenhing. Allerdings müssen die Menschen unterwegs etwa 5 % der Gene des Denisova-Menschen aufgesammelt haben, eines Homo erectus, einer asiatischen Parallele des Neandertalers.
Auf dem Kontinent Neuguinea/Australien/Tasmanien hat es damals Großtiere gegeben, wie Riesenkänguruhs, nashornähnliche Beuteltiere, groß wie eine Kuh, und sogar einen Beutel-Leopard. Weiter lebten dort flugunfähige bis zu 200 Kilogramm schwere Vögel, ähnlich dem afrikanischen Strauss, sowie Reptilien mit einem Gewicht bis zu einer Tonne. Sie sind alle ausgestorben: nach 35 000 v.h. findet sich in archäologischen Stätten kein Hinweis mehr auf ihre Existenz. Nach dem wärmeren Glinde-Interstadial fiel das Klima gegen 40 000 v.h. über fast 5000 Jahre mit Schwankungen wieder auf ein tiefeiszeitliches Niveau ab (s. Abb. 2). Dies bedeutete Kälte und Trockenheit und Hunger für Mensch und Tier! In Europa ist in dieser Periode der Neandertaler verdrängt worden und schließlich ausgestorben. Die Großtierwelt Australiens könnte sich in dieser Zeit durch Hunger reduziert haben und den Rest könnte ihr der ebenfalls hungernde Mensch gegeben haben.
Als im 17. Jahrhundert n.Chr. die ersten Europäer in Australien eintrafen, fanden sie dort Jäger und Sammler vor, welche in ihrer Lebensweise noch tief in der Steinzeit verharrten. Die Nachfahren der gleichzeitig mit den australischen Ahnen auf dem Kontinent Australien/Neuguinea/Tasmanien eingetroffenen Menschen von Neuguinea hingegen waren fortschrittlicher: sie haben vor 10 000 bis 9 000 Jahren, also lange vor dem Eintreffen weiterer Menschen aus Südostasien, eigenständig den Ackerbau entwickelt, lebten als Bauern und Schweinehirten in Dörfern und verwendeten Pfeil und Bogen und eine vielfältige Keramik. Die Natur hatte ihnen nach der Abtrennung von Australien ein unterschiedliches Schicksal vorgegeben: die Australier lebten in einem vorwiegend sehr weiten und wenig fruchtbaren Land, welches ein Dasein als Jäger und Sammler nahe legte. Ihre Population blieb dünn und damit fehlten ausreichende kulturelle Anregungen und auch ein Überfluss an wirtschaftlichen Ressourcen. Die Ahnen dieser Menschen, die so weit gewandert waren und mehrere Meeresstraßen überwunden haben, mussten anderseits zu den wagemutigsten und vielleicht auch innovativsten Menschen gehört haben. Dafür sprechen nicht nur ihre frühen Felsgravierungen, sondern auch ihre geschliffenen Steinbeile mit Holzschaft. Die Menschen von Neuguinea hingegen fanden ein fruchtbares und vielfach gegliedertes Land vor, das die Entwicklung von Landwirtschaft und von Sesshaftigkeit begünstigte. Die räumliche Begrenztheit von günstigen Landschaften und Höhenlagen setzte der kulturellen Entwicklung aber doch wieder enge Grenzen. Lit.2.2