Читать книгу Erwärmung und Wohlstand oder Abkühlung und Verfall - Norbert Buchner - Страница 21
Natuf, eine neue Frühkultur, im Norden des Nahen Ostens
ОглавлениеZwischen 14 000 und 13 000 v.h. tauchte im Norden des Nahen Ostens eine neue Kultur von Jägern und Sammlern auf, die nach ihrer ersten Fundstätte im Wadi Natuf am Westhang des Judäischen Gebirges in Palästina „Natuf-Kultur“ benannt wurde, denn man hielt sie zunächst für eine örtliche Kultur der Levante. Später fand man aber Natufstätten auch im südlichen Randgebiet des anatolischen Taurusgebirges wie auch am Westrand des Zagros-Gebirges im Irak. Die bisher bekannten südlichsten Fundstätten sind Abu Hureyra und Mureybet am mittleren Euphrat. Die Kultur wies recht neue Merkmale auf. So finden sich eine neue Art der Steinbearbeitung und zahlreiche neue Geräteformen, besonders neuartige Pfeilspitzen. Dies legt nahe, dass die Natuf-Menschen zugewandert sind.
Die Zuwanderer waren Jäger und Sammler. Sie errichteten Rundhütten auf einer Basis aus Steinen mit einer Wand vermutlich aus einem Geflecht von Ästen und Zweigen, welches mit Lehm abgedichtet wurde. Das Dach war innen durch zentrale Holzpfosten abgestützt. Je nach den zeitweise wechselnden Temperaturverhältnissen wurden die Behausungen zu ebener Erde, teilweise in den Boden eingetieft oder vollständig im Boden errichtet, sodass das Dach dann eben mit dem gewachsenen Boden abschloss.
Diese frühe Kultur von Jägern und Sammlern kannte Ackerbau, Viehzucht und Keramik noch nicht; sie sammelte jedoch schon wildes Getreide und andere Körner und Früchte. Skelette und Zähne der Menschen verweisen weder auf Kampfhandlungen noch auf Mangelerkrankungen. Die Menschen sind offensichtlich in eine menschenleere fruchtbar gewordene Umgebung zugezogen, welche sie reichlich ernährte.
Am mittleren Euphrat wurde vor mehr als 13 000 Jahren das Dorf Abu Hureyra von diesen Menschen gegründet, zunächst eine temporäre Siedlung von Jägern und Fischern, welche dem jahreszeitlichen Zug der Gazellen an den Euphrat folgten. Schon in dieser Frühzeit lässt sich eine Bewirtschaftung des Wildangebots beobachten: man trieb die Herden vermutlich in Gatter, tötete dann aber nur junge Böcke. Weibliche Tiere ließ man wieder frei, um den Bestand für die Zukunft zu sichern. Diese Bewirtschaftung des Wildbestandes konnte man später auch in anderen frühen Siedlungen finden und sie ging offensichtlich der Haltung von Haustieren voraus. Auf dem Speisezettel der Menschen standen neben Wild, Fischen und Muscheln zahlreiche Pflanzen und ihre Samen. Die Menschen hatten eine sehr gute Kenntnis von dem sie umgebenden Angebot der Natur: mindestens hundert unterschiedliche genutzte Pflanzen hat man gezählt.
Eine frühe Sonderentwicklung aus dieser Zeit findet sich in Jericho. Diese uralte Stätte der Menschheit liegt im heißen Jordangraben unweit des Toten Meeres, etwa 250 Meter unter Meeresniveau. Wegen der hohen Temperaturen war hier offensichtlich ein Wärmeschutz bei den Hausbauten unnötig: schon in der Frühzeit bauten die Menschen deshalb dort nur oberirdisch. So wurde eine Mauer aus Steinen errichtet sowie ein bemerkenswerter steinerner Turm mit 8 Meter Durchmesser. Er trug einen herausgehobenen überdachten Versammlungs- oder Kultraum – etwa in derselben Größenordnung wie bei zeitgenössischen ebenerdigen oder in den Boden eingetieften Gemeinschaftsbauten. Die Natuf-Gesellschaften hatten nämlich schon recht früh damit begonnen, neben ihren Wohnbauten auch Gemeinschaftsbauten zu errichten.
Das imposante Steinbauwerk von Jericho lässt vermuten, dass die Natuf-Menschen schon mit einem beachtlichen kulturellen Gepäck in den Norden des Orients gekommen sein müssen, welches sich nur über eine längere Vorlaufzeit entwickelt haben konnte. Woher aber stammen die Natuf-Leute? Funde geben hierauf keine Antwort. In Frage kann aber wohl nur der wärmere Süden kommen! Schon seit ihrer Auswanderung aus Afrika haben sich Menschen im Gunstbereich des Persischen Golfs aufgehalten. Das warme Boelling-Interstadial hat nun zweierlei bewirkt: einerseits hat es sicher zu einem Anwachsen der Bevölkerung geführt, sodass Abwanderungsdruck entstand, und anderseits hat es einen Anstieg des Meeresspiegels durch Eisschmelze in arktischen Regionen ausgelöst. Das Meer drang also immer stärker in den Persischen Golf ein und vertrieb Menschen aus ihren angestammten Gebieten. Das könnte – wie schon viel früher – zu einem Ausweichen eines Teils der Bevölkerung in den nun warm und fruchtbar gewordenen Norden geführt haben und die großen Ströme Euphrat und Tigris waren wieder die Leitpfade. Die Menschen haben dabei wohl ihre kulturellen Errungenschaften mitgebracht, welche sie in einem Gunstraum der Eiszeit, der an Süßwasser reichen Tiefebene des Persischen Golfs, entwickelt hatten. Lit. 5.2