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Geschichte einer Spaltung: Ist die Erde flach?
ОглавлениеSamuel Rowbotham (1816 – 1884) war Erfinder und schrieb 1849 ein Manifest, das auf der Bibel aufbaut. In diesem Manifest »beweist« bzw. behauptet er, dass die Erde keine Kugel, sondern flach ist. Als Beweis gilt das Bedford Level Experiment, das Rowbotham am Bedford-Fluss in England durchgeführt hat. An einer Stelle verläuft der Fluss in einer Ebene komplett gerade und ermöglicht dadurch einen durchgehenden Blick über 9,7 Kilometer. Rowbotham installierte ein Teleskop etwa 20 Zentimeter über der Wasserlinie. Von diesem Punkt aus schickte er ein Boot mit zwei Metern Mastlänge flussabwärts. Wäre die Erde eine Kugel, so hätte Rowbotham seiner Logik nach den Mast am Ende der Strecke nicht mehr sehen dürfen. Er sah ihn aber und fand damit die Bestätigung seiner Theorie, dass die Erde flach sei. An ihrem Mittelpunkt befinde sich der Nordpol und seitlich sei sie von der Antarktis begrenzt. Aus dieser These heraus gründete sich nach dem Tod von Rowbotham 1884 die Universal Zetetic Society. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die neu gegründete Flat Earth Society diese These und vertritt seither standhaft die Meinung, die Kugeltheorie der Erde sei eine Lüge. Fake News!
Bislang hat aus Sicht der Flat Earth Society noch niemand die Wand der Antarktis durchbrochen – somit sei doch völlig klar, dass diese der »Zaun« sei, der die Erde umfasse. Einen weiteren Beweis finden die Anhänger der Flache-Erde-Theorie im Flugzeug. Erinnern Sie sich noch an Ihren letzten Flug? Haben Sie damals den Horizont betrachtet? Der Horizont war gerade, nicht wahr? Keine Spur einer Biegung. Wie kommen also manche Menschen auf die abstruse Idee, die Erde sei eine Kugel? Wäre sie tatsächlich eine Kugel, würden Sie doch nicht den gesamten Horizont sehen, sondern nur einen Teil davon und diesen gekrümmt. Dritter »Beweis«: Sie stehen an einem See und beobachten die Wasseroberfläche; bei Windstille wird diese Oberfläche glatt und ruhig sein. Wäre die Erde eine Kugel, gäbe es weder Seen, Meere noch Flüsse, denn durch die Zentrifugalkraft kämen diese Flüssigkeiten gar nicht zur Ruhe. Außerdem müssten Flüsse durch die Erdkrümmung enorme Höhenunterschiede überwinden. Die Mitglieder der Flat Earth Society könnten noch viele weitere Beweise für ihre Theorie liefern. Jedes Jahr im November diskutieren knapp 1000 Anhänger auf der Flat Earth Conference über neue Erkenntnisse, die ihr Weltbild bestätigen. Durch die entsprechende Kommunikation via Social Media wächst die Bewegung immer weiter und bekommt neue, überzeugte Mitglieder.
Immer wieder versuchen Journalisten zum einen, diese Sichtweise zu verstehen, und zum anderen, den Anhängern dieser Theorie die doch sehr eindeutigen Gegenargumente vorzulegen. Konfrontiert mit dem berühmten Bild, auf dem die Erde vom Weltraum aus betrachtet als Kugel zu sehen ist, reagieren die Adepten der Society lapidar mit »Fake«. Außerdem behaupten die Flat-Earth-Verteidiger, dass Mitarbeiter der NASA dafür bezahlt werden, sich gegen die Flat-Earth-Theorie auszusprechen. Sie behaupten darüber hinaus, dass Schülern eine andere Theorie eingetrichtert wird, damit die Antibewegung nicht zu groß wird, denn die Regierung würde nur davon profitieren, wenn sich das Bild einer Erdkugel durchsetzt.
Um weitere Konfrontationen zu vermeiden, werden viele Kinder der Flat-Earth-Befürworter also zu Hause unterrichtet.* Die Bewegung unternimmt alles in ihrer Macht Stehende, um ihre Daseinsberechtigung unter Beweis zu stellen. Was für ein Spalt zwischen – in diesem Fall buchstäblich – zwei Weltbildern …