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Unzufrieden und gefangen in der Bubble

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Was wir hier sehen, ist das Resultat großer Unzufriedenheit. Diese Menschen fühlen sich als Verlierer der Globalisierung und haben sich jener Meinung angeschlossen,

a) die ihnen am besten gefällt,

b) die aus ihrer Sicht am plausibelsten ist

c) und die einem einzigen Phänomen die Schuld für so ziemlich alles zuschiebt: den Flüchtlingen.

Ein Beispiel dafür, dass viele Menschen zu einfachem Schubladendenken neigen und sich zu schnell eine Meinung bilden, die später für sie unverrückbar ist. Sie verbleiben stur in der einmal erdachten Bubble und fühlen sich generell benachteiligt.

Aber auch die Gewinner der Globalisierung, deren Wohlstand in den letzten zehn bis zwanzig Jahren deutlich gestiegen ist, sind oftmals in ihrer Bubble gefangen. Sie wollen nicht verstehen, wie und warum man denn in der heutigen Welt benachteiligt sein kann. Ich muss gestehen, ich gehörte bis vor Kurzem auch zu dieser Gruppe. Das Leben hat es in beruflicher Hinsicht nämlich sehr gut mit mir gemeint. Meine Ignoranz habe ich aufgegeben, nachdem ich die Forschungsergebnisse von Professor Armin Schäfer von der Universität Münster kennengelernt hatte.5 Schäfer untersuchte den Einfluss vermögender Personen auf die deutsche Politik. Seine Forschungsergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

•Je mehr ärmere Menschen etwas fordern, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit, dass diese Forderungen umgesetzt werden.

•Je größer die Meinungsunterschiede zwischen armen und reichen Menschen sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Politik das tut, was die Reichen wollen.

Das bedeutet: Ärmere Menschen fühlen sich nicht nur benachteiligt – sie sind es auch! 2015 hatte Andrea Nahles (SPD) als Arbeitsministerin einen Armutsbericht erstellen lassen, in dem von Professor Schäfer genau diese Tatsache bestätigt wurde. Aus dem Bericht geht außerdem hervor, dass auch die Meinung der Mittelschicht tendenziell eher ignoriert wird. Das Schockierende ist allerdings, dass wesentliche Bereiche des Berichtes vom Kanzleramt geschwärzt oder umgeschrieben wurden.6 Und wir sehen nur durch rechte Parteien unsere Demokratie in Gefahr?

Angela Merkel als Diktatorin zu bezeichnen, ist ebenfalls die Folge eines überzogenen und falschen Bubble-Denkens. Die Kanzlerin kann jederzeit durch ein konstruktives Misstrauensvotum vom Deutschen Bundestag abgewählt werden. »Echte« Diktaturen verfügen meines Wissens nicht über solche Kontrollorgane.

Die Studie von Armin Schäfer verstärkt meinen Eindruck, dass die Probleme mancher Menschen von der Politik und den Mainstream- Medien kaum gehört oder ernst genommen werden. Untereinander, also innerhalb ihrer Bubble, finden diese Menschen natürlich Gehör, denn sie teilen dieselben Sorgen. Sie klagen ihr Leid ausgiebig auf Social Media oder am Stammtisch. Diejenigen, die lauthals »Diktatorin Merkel« oder »Lügenpresse« schreien, versuchen, ihre eigenen Antworten zu finden und stärken sich – unterstützt durch den Confirmation Bias – gegenseitig in ihren Glaubenssätzen. Die Mainstream-Medien, zum Beispiel die »Süddeutsche Zeitung« oder der öffentlich-rechtliche Rundfunk, bestätigen die Glaubenssätze der Menschen, die sich benachteiligt fühlen, ausdrücklich nicht und werden von ihnen daher pauschal als »Lügenpresse« abgestempelt. Wen wundert es da, dass eine Partei, die den Vergessenen ihre Hand reicht und sagt »Wir verstehen dich«, massenhaft Zulauf bekommt? Noch dazu, wenn in einer parteinahen Zeitung genau das geschrieben wird, was diese Menschen lesen möchten?

Ich denke da zum Beispiel an »unzensuriert.at – Der Wahrheit verpflichtet«. Allein schon der Name der Zeitung suggeriert, dass andere Medien, wie in einer Diktatur üblich, zensiert werden. Hinter »unzensuriert.at« steckt die Firma »1848 Medienvielfalt Verlags GmbH«, die von Martin Graf (FPÖ), ehemaliger dritter Nationalratspräsident, in Österreich gegründet wurde. Der langjährige Chefredakteur (bis 2017) Alexander Höferl war auch Leiter des FPÖ-Kommunikationsbüros und wurde 2017 Pressesprecher des in die Kritik geratenen Innenministers Herbert Kickl (FPÖ). Tatsächlich fühlt sich das Medium der Wahrheit nicht ganz so verpflichtet, wie es dies vollmundig im Namen ankündigt. Eine Undercover-Reportage aus dem Jahr 2017 auf RTL von Stefanie Albrecht zeigt dies eindrucksvoll. Frau Albrecht hatte sich bei der Plattform als Redakteurin beworben und konnte so an den Redaktionssitzungen teilnehmen. In einer Sitzung sprachen die Verantwortlichen offen darüber, dass sie die Plattform nicht deswegen betreiben, weil ihnen der unabhängige Journalismus so sehr am Herzen liegt, sondern weil sie politisch rechte Bewegungen durch positive Berichterstattungen unterstützen möchten.7 Laut eigenen Angaben hatte die Plattform im Jahr 2015 3,6 Millionen Artikelabrufe.8 Aktuellere oder offiziell bestätigte Daten sind leider nicht bekannt.

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