Читать книгу Dialog statt Spaltung! - Patrick Nini - Страница 12

Was unsere Sturheit mit unserem Gehirn zu tun hat

Оглавление

Jeder Tag liefert uns zig Beweise dafür, dass die Erde nicht flach ist. Einige der Strukturen, die wir Tag für Tag nutzen – der Flugverkehr, unser GPS-System, die Kommunikation via Satellitennetz – würden nicht funktionieren, wenn die Erde eine Scheibe wäre. Warum also hält sich diese Sichtweise trotzdem so hartnäckig? Es ist ja nicht so, als hätte die wissenschaftliche Gemeinschaft nicht versucht, die Anhänger der Flat-Earth-Theorie vom Gegenteil zu überzeugen.

In der Schule lernen wir, wie eine sachliche, faire Diskussion abläuft: Die eine Person vertritt den Pro-Standpunkt eines Themas und die andere Person den Kontra-Standpunkt. Beide untermauern ihren jeweiligen Standpunkt mit Fakten, bis einer der beiden erkennt, dass er einem Irrtum aufgesessen ist. Nach der Diskussion wird der Gewinner gewählt, also derjenige, dessen Argumente überzeugender waren. Ein weiterer Sieg für den rationalen Diskurs! So einfach ist es bei emotional tief verankerten Themen leider nicht.

Menschen sind von ihrer Grundkonstitution her nicht in der Lage, ihre Überzeugungen schnell oder einfach zu ändern. Das hängt nicht nur mit ihrer Erziehung zusammen, sondern ist auch neurologisch begründet. Die amerikanischen Hirnforscher Kaplan, Gimbel und Harris haben 2016 einen Versuch durchgeführt und die Hirnaktivitäten von 40 Probanden im Computertomografen gemessen.1 Die Versuchspersonen ordneten sich politisch dem liberalen Spektrum zu und wurden zunächst mit der unpolitischen Aussage konfrontiert, Albert Einstein sei der größte Physiker aller Zeiten. Manche haben erst nachdem ein paar Argumente vorgebracht wurden, ihre Meinung geändert. Niemand hat sich aber dagegen gesträubt, seine Meinung zu ändern. Es ist ungefähr so, als würde ich meiner Mutter erzählen, Samsung-Handys seien besser als Huawei-Handys. Ich weiß nicht, ob es so ist – aber meine Mutter würde mir hier vertrauen und diese Beurteilung akzeptieren, weil sie selbst keine Meinung dazu hat. Obwohl sie ein Handy der Marke Huawei besitzt, ist sie emotional nicht an den Hersteller gebunden.

Ganz anders sieht die Sache bei politischen Themen aus. Die Probanden des Experiments wurden mit Aussagen konfrontiert, die ihre innerste politische Überzeugung angriffen und infrage stellten. Den Forschern fiel nun Folgendes auf: Anders als bei der ersten Konfrontation gab es dieses Mal so gut wie keine Aktivität im orbitofrontalen Cortex des Gehirns, dem Bereich also, in dem rationale, kognitive und logische Prozesse stattfinden. Stattdessen waren sehr hohe Messwerte im dorsomedialen präfrontalen Cortex, in der Inselrinde sowie im Mandelkern (Amygdala) des Gehirns zu sehen. Man kann sich das fast so vorstellen, als würde man ein Wespennest mit bloßer Hand entfernen. Der präfrontale Cortex und die Amygdala sind für die emotionale Bewertung von Situationen zuständig, für die Früherkennung von Gefahren und die Konditionierung von Angstreflexen. Die drei Forscher stellten auch fest, dass diese Hirnbereiche umso stärker aktiv wurden, je emotionaler das Thema für den Probanden war.

Man erkennt daran deutlich: Wird jemand mit einer Äußerung konfrontiert, die sein Weltbild angreift, so wird nicht etwa der Teil seines Hirns aktiv, der sich um die rationale und objektive Verarbeitung kümmert, sondern der Teil, der rasche, emotionale und lebensrettende Entscheidungen trifft. Es ist, als hätten wir einen Aufpasser oder strengen Wächter in unserem Hirn, der bei Angriffen auf unsere Überzeugungen sofort Alarm schlägt. Und sobald dieser aktiv geworden ist, spielt es keine Rolle mehr, wie stark die Gegenargumente mit Beweisen untermauert sind: Das Gehirn ist im Alarmzustand und gibt erst wieder Entwarnung, wenn die Angriffe eingestellt werden.

Dialog statt Spaltung!

Подняться наверх