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18. Den selben Tag, 22.30
ОглавлениеBěla-Bobina hatte die durchdringende Stimme von der Mutter; wann immer deren Kinder in alle Teile des Hofes und hinter die Tenne gehuscht waren, rief sie die Schar mit Schreien zusammen, die an eine Sirene erinnerten, und das ganze Dorf wußte, daß bei Havráneks gefuttert werden sollte. Ähnlich wie die Groß- und Urgroßmutter war auch Bělas Mutter eine Landarbeiterin. Die arme böhmisch-mährische Hochebene hatte die Rote Armee begeistert begrüßt und die Kommunisten gewählt, die allen versprachen: Wer mit eigenen Händen sät und pflanzt, wird nie mehr Not ernten. Als die Jüngste ihren früheren Mitschüler heiratete, wurde das Paar von beiden Eltern feierlich nach Südböhmen begleitet, in ein malerisches Dorf an der österreichischen Grenze; dort sollte sie Bäuerin werden.
Große und kleine Höfe im ehemaligen Sudetenland wurden nach dem Abschub der Deutschen zunächst von Plünderern und dann von Brandstiftern heimgesucht; nach den «Volksverwaltern», die meist stahlen, was sie nur konnten, spielte hier dann übungsweise eine Friedensarmee Kalter Krieg. In der Mitte der fünfziger Jahre blitzte in dem entvölkerten und verwüsteten Landstrich die Hoffnung auf, als man Tausenden jungen Menschen anbot, hier ihr eigenes Heim zu gründen. Ruinen wurden abgerissen, die besser erhaltenen Häuser sogar verputzt und an das Stromnetz angeschlossen.
Keinesfalls repariert, selbst nach Stalins Tod nicht, wurde das politische System. Bělas Eltern stellten fest, daß sie auch hier nur zwischen dem Schlamm eines schlecht funktionierenden Staatsguts und dem Mist einer miserabel geführten Genossenschaft zu wählen hatten. Sie entschlossen sich für das erste, der Staat schien ihnen ein mächtigerer Beschützer zu sein, doch es lief dabei auf dasselbe hinaus: Sie haben wieder Frondienst geleistet. Was sie vielleicht mehr verdient haben, war für die Katz, in die Stadt fuhr der Bus nur früh morgens, und hier herrschte Ödnis, nicht einmal eine Kneipe oder ein Kino gab’s, selbst keinen Gott, denn die Kirche war Jahre vorher zur beliebtesten Zielscheibe beim Scharfschießen der Panzer geworden. Das Radio strahlte Reden und wieder Reden aus. Also machten sie nach Dämmerung Kinder.
Běla war das siebte und letzte, der Vater soff bereits hoffnungslos, und die Mutter rackerte sich für zwei ab. Wieder klar im Kopf, schlug er die ihm gerade zu nächst stehenden Sprößlinge zusammen, samt Frau, falls die sie schützen wollte. Eines Winters ging er verloren, und sie hofften, er wäre über die Hügel nach drüben gegangen; sie meldeten es einige Tage lieber nicht, um ihn um Gottes willen nicht zurückzubekommen. Sein Traum seit Jugendtagen war die Fremdenlegion, er hatte darüber einst einen komischen Film mit Laurel und Hardy gesehen.
Als das Eis schmolz und man die Jauche zum Felderspritzen in die Karren pumpte, entdeckte man ihn auf dem Boden der Senkgrube. Jemand hat die Mutter anonym angezeigt, sie hätte ihn hineingeschubst; Polizei hat sie nach Budweis transportiert, doch nach einem halben Jahr war sie wieder da, der Augenzeuge ließ sich nicht erkennen, das Gut brauchte zur Erntezeit jede Hand, und außerdem gab es im Kreiswaisenhaus keine sieben freien Plätze.
Die Jüngste, Běla, hatte Mordsglück, in der neunten Klasse eine mitfühlende Lehrerin zu bekommen, die diese vorlaute Göre für weltgewandt hielt und sie im Internat und in der Lehrlingsschule für Verkäufer im «Sozialistischen Gebrauchswarenhandel» in Budweis durchboxte. Im Vergleich mit Zuhause ging es ihr da wahrhaftig besser, und sie fing endlich an, sich zu amüsieren.
Alles in allem aber hat ihr das Leben in den zwanzig Jahren wenig geboten, ein paar Burschen, mit denen sie auf Sausen und in diversen Wochenendhäuschen schlief, einen Sommerurlaub in der DDR, den sie mit der heutigen Mitbesitzerin amerikanischer Wolkenkratzer an der Ostsee durchfror und durchalberte, und einen zweiten Urlaub in Rumänien, den hatte sie größtenteils mit einem Darmkatarrh auf den hoffnungslos verstopften türkischen Klos verbracht. Langsam kam sie dahinter, daß das Schicksal sie gehörig beschissen hat und offensichtlich auch nicht beabsichtigte, sich zu bessern. Der größte Treffer, der ihr vielleicht noch zufallen konnte, war die Hochzeit mit irgendeinem Verkäufer oder Ausfahrer vom Kaufhaus.
Sich dessen endlich bewußt, beschloß sie, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Sie beschimpfte sich, daß sie damals Jarina so dumm hatte wegfahren lassen, glaubte jedoch, es noch gut wettmachen zu können. Damals brütete sie ihren Plan aus, den sie nun mit ihrer närrischen Reaktion auf eine lächerliche Kränkung, wie sie unzählige erlebt und überlebt hatte, selber versaut hat. Sie, die sich in Notlagen mit der ihr angeborenen Schlauheit und ihrem proletarischen Mundwerk immer zu helfen wußte, verspielte selbstverschuldet das wenige, was sie zu Hause mühsam zusammengekratzt hatte, und alles nur, um einem alten Knakker den Hintern zu zeigen.
Als sie atemlos in die Gendarmerie reinplatzte, zu der sie mit untrüglichem Instinkt hinsteuerte, war sie auf sich so wütend, daß sie sich die ersten Minuten nur an die Stirn schlug, bis man beinahe den Arzt rief. Es ging rechtzeitig vorüber, und sie rasselte ihre Geschichte herunter. Daß man sie hier nicht verstand, machte ihr nicht das geringste aus, ohne Scheu, wie sie Gebildete lahmlegt, plapperte sie mit Händen und Füßen drauflos, so daß man sie trotzdem begriff.
Zudem war sie eine der vielen, die den Entschluß faßten, dem Vaterland den Rücken zuzukehren, und die Gendarmen wußten genau, was zu tun ist. Meistens riefen sie einen von den Vertriebenen zu Hilfe, der noch Tschechisch konnte und dem längst aufgegangen war, daß das Unrecht des Nachkriegs ihm ein halbes Jahrhundert Sozialismus erspart hatte. Bělas Glück bestand darin, daß kurz nach ihr die Pfarrköchin eintraf, die hier das Schicksal ihrer Tschechen erörtern wollte.
Die Gendarmen hatten sich überzeugt, daß die gelichtete Reisegruppe weg war und den Flüchtlingen keine Entführung oder andere Gefahr drohte. Sie riefen die Fremdenpolizei an, die sich des Falls in der Urlaubszeit kurzerhand durch das Versprechen entledigte: die Ankunft des Trios im zentralen Flüchtlingslager anzumelden. Die Fahrkarten, erklärte die Köchin, beschaffe sie lieber selbst, die Rechnung schicke sie hierher nach. Běla gefiel ihr besonders gut, einesteils sprach sie eine Mundart, die auch in ihr noch nachklang, andernteils besaß sie den natürlichen Charme von einfachen, aber munteren Menschen, die nichts Vortäuschen. Die Zuneigung der alten Frau brachte die Verkäuferin zu der Ansicht, sie habe zumindest nicht weitere tote Jahre verloren. Mit der Leichtigkeit einer Sonnenblume drehte sie sich der Zukunft entgegen und erwartete nun sehnsüchtig ihre Gaben.
Die erste war der Gärtner, den sie in dem Pfarrgarten wieder erblickte. Bereits gestern früh stellte sie fest, daß er als einziger des ganzen Vereins eine Sünde wert wäre, und tagsüber zwinkerte sie ihm einige Male verschwörerisch zu, was er nur zweimal mit einem scheuen Lächeln erwiderte, sonst aber nichts unternahm. Sie hatte vor, mit ihm im Prater eine Sohle hinzulegen, statt mit dem fetten Fahrer, und sie bedauerte, als sie von der nächtlichen Flucht erfuhr, daß er nicht sie mitgenommen hatte, ja, vielleicht vollführte sie ihr mittägliches Glanzstück mit einem Gedanken an ihn.
Daß er mit dieser Frau floh, machte sie zunächst nicht stutzig, zu zweit flüchtet sich’s besser! Sie wäre nie darauf gekommen, daß er mit der alten Schachtel etwas haben könnte. Als sie das jetzt sah, zerbrach sie sich den Kopf: Ist sie so gut im Bett, oder hat sie einen Onkel mit Kies draußen, und darin liegt ihr ganzer Zauber?
Jedenfalls reagierte er auch hier auf nichts, und für Běla war die Indianerhaut weiterhin wichtig, sie wollte es sich mit ihr nicht verderben. So füllte sie lieber den Garten mit ihrem Gedröhn, leerte das Backblech voll frischer Buchteln, pumpte dann beim Abschied kräftig die Hand des Pfarrers und versuchte ihm den tschechischen Ahoj-Gruß beizubringen; der Köchin führte sie vor, wie man einen echten Zwickschmatz setzte, und lud sie schon jetzt nach Amerika ein; sie wird ihr, versprach sie, sobald sie in Nijork heiratet, ein Altenteil verschaffen, weil sie wieder eine liebe Großmutter haben möchte.
Die anderen schliefen im Zug sofort ein, und so beäugte sie durch das Fenster die wohlgeordnete Landschaft, genoß die Reise in dem sauberen Abteil und rief Jeee! und Neee! und Ooh! und Du liebe Omi! oder Herrschaftszeiten! als sie schließlich die abendlichen Straßen Wiens erreichten. Die Pianistin, die sich da auskannte, hat das Grüppchen vom Westzum Südbahnhof befördert. Daß sie sich ein Taxi leisten konnte, bestätigte Běla in ihrem Verdacht, und sie schrieb den Gärtner ab.
Was sie jedoch nicht daran hinderte, die beiden unter einem unaufhörlichen Wortstrom zu halten. Sie zeigte mit der Hand, in der sie die ewige Plastiktüte hielt, auf Menschen und Dinge, wobei sie unabsichtlich allen ihre Reizwäsche vorführte, stellte unentwegt Fragen über Fragen, ohne auch nur Antwort abzuwarten, immer wieder von einer neuen Entdekkung fasziniert. Zwischendurch, bereits in der Lokalbahn, gab sie platte Histörchen zum besten und Klatsch aus Budweis und würzte alles mit ihren Urteilen, ebenso verwirrt wie naiv.
Lydia ist gestern nicht entgangen, wie bemüht sie war, Václav zu angeln, es amüsierte sie sogar seine Verlegenheit als Beweis seiner Unerfahrenheit im Flirten. Das alles verlieh ihr die Hoffnung, die sie jetzt brauchte, und als das Mädchen im Pfarrgarten davon abließ, zeigte es außer der Einfalt ihres Geistes auch gewisse Reinheit ihres Herzens. Die Pianistin empfand gegen sie keinerlei Abneigung, eher Mitleid.
Das verließ sie jedoch, als sie jetzt eine Litanei mitanhören mußte, ähnlich unendlich wie die Allee, durch die sie vom Minibahnhof zum Lager zogen. Ununterbrochene Spaliere geparkter Pkws, meistens östlicher Herkunft, kündigten es an, bei einigen fehlten die Kennzeichen, bei anderen Räder, eine traurige Schau jenes Teils von Europa, der den Krieg gewann und den Frieden verlor.
«Also die Jarina», leierte die Verkäuferin unermüdlich, «das ist vielleicht eine Marke für sich, die hat heute Villen mit Schwimmbecken rund um die Welt, eine von uns hörte im Radio Frijurop, daß sie in der Früh ihrem Mann sagt, heute möcht’ ich unbedingt Hummer haben! er schaut auf einem Plan, wo man gerade frische hat, und klingelt da an, daß man gleich kocht, weil sie schon fliegen; aber auch Danuš, mein Kumpel aus der Lehrlingspenne, die hat sich in der ‹Eisernen Jungfrau› einen Australier geangelt, als der dort gerade mit seiner Reisegruppe angekommen ist, so daß sie mit ihm jetzt eine Farm mit Känguruhs hat und zum Friseur mit ’m eigenen Hubschrauber fliegt, und alle ledigen Bekannten ihres Mannes prügeln sich um tschechische Mädeln, denn das ist vielleicht das einzige, was es im Westen nicht gibt, geschickt in allem, vom Herd bis zum Bett, und darüber hinaus klug wie die Affen... was...?»
Das galt dem Gärtner, der die Koffer auf den Boden stellte, damit Lydia aufatmen durfte. Er konnte es nicht fassen, wie sie bei ihrer zarten Konstitution mit all dem fertig wurde, was man heute von ihr verlangte. Ihre kindlich dünnen Beine haben ihn mehr als je zuvor gerührt, er fürchtete wieder, sie könnte in ihren wackligen Pumps das Gelenk brechen. Das pausenlose Geschwätz hörte er gar nicht mehr, er hatte nur einen Gedanken: wo sie die Schuhe loswerden konnte.
«Das da muß es sein», sagte er eher ungläubig.
Die Wipfel der Bäume haben bis zum letzten Augenblick den Komplex von Kasernengebäuden verdeckt. Hinter einer Mauer strahlten still in die Nacht Dutzende Fenster hinaus, er überlegte sich, was an ihnen so sonderbar war, und kam dahinter: Es fehlten die Gardinen und vor allem das bläuliche Fernsehlicht, typisch für die leeren Straßen tschechischer Städte. Dennoch atmete er auf, er hatte nur mit Holzbaracken über einem schlammigen Boden gerechnet, mit Brettern verbunden, nur lose auf Ziegel gelegt, wie er das vom Militär kannte.
Auch die Verkäuferin wurde vom Anblick des Lagers so gefesselt, daß sie verstummte. Plötzlich standen sie vor einem Portal, das sie an das alte Budweiser Krankenhaus erinnerte. Davor lag im Anbau eine verglaste Pförtnerloge, aus der endlich bläulich die Zivilisation leuchtete. Ein alter Mann in Uniform saß drin, mit dem Rücken zu ihnen, und sah sich einen Western an; das Heulen der Wilden und das Bellen der Colts drang bis in die Allee raus. Der Gärtner blinzelte zur Pianistin. Sie nickte, ordnete mit den Fingern das nasse Haar und nahm ihre letzten Kräfte zusammen. Ihr Klopfen ans Glas drang durch den Lärm nicht hindurch, also machte sie die Tür auf.
«Guten Abend», grüßte sie, und als der Mann sie wahrnahm, lächelte sie ihn trotz ihrer Müdigkeit an, «wir sind die drei aus Oberösterreich.»
Er schien verwundert.
«Was...?»
Hinter ihm verfolgten die Rothäute auf Pferden eine Kutsche, deren Insassen sich mit dichtem Feuer verteidigten, die Angreifenden kippten malerisch vom Sattel. Sie wiederholte es geduldig.
Im Lärm des Gefechts merkte er jetzt ihren Akzent.
«Flüchtlinge!»
«Ja. Tschechen, wir waren mit einer Reisegruppe hier.»
«Morgen!» sagte er barsch und drehte den Kopf zum Bildschirm zurück.
Sie dachte noch, er hätte nicht verstanden.
«Man hat uns versprochen, wir könnten schon heute hier schlafen. Die Polizei soll angerufen haben...»
«Erst nach der Registrierung», sagte er über die Schulter zurück.
«Und wo findet die statt?»
«Ebenda. Zwischen sechs und zweiundzwanzig. Jetzt ist’s bald elf.»
«Man mußte Ihnen doch melden», ließ sie nicht locker, «daß wir es nicht rechtzeitig schaffen werden.»
Seine Schultern hoben und senkten sich wieder. Der Gärtner fragte von draußen.
«Was sagt er?»
Sie konnte nicht antworten. Soviel Gefühllosigkeit hier, wo man auf ratlose und hilflose Menschen vorbereitet sein sollte, bedrückte sie. Wir interessieren ihn weniger als die abgeschossenen Indianer. Sie fragte zu dem Rücken hin.
«Wo sollen wir also heute schlafen?»
Der Nacken nickte unbestimmt in die Nacht.
«Rundherum gibt’s Pensionen.»
Das Geld war nicht ihr Problem, sie konnte es sich bei Margrit leihen, doch es empörte sie, da er doch mit Mittellosen rechnen mußte.
«Und wer nichts hat?»
«Der... konnte ja zu Hause bleiben, da hatte er doch gewiß was. Fast jeder kommt mit einem Auto zu uns.»
Das hat ihr die Sprache verschlagen.
«Oder», setzte er fort, in die Schüsse und das Hufgetrappel hinein, »es ging ihm dort tatsächlich so schlecht, daß er eine Nacht unter freiheitlichem Himmel gern in Kauf nimmt.»
«Was...» wollte der Gärtner fragen, doch er verstummte, als er das Beben von Lydias Schultern bemerkte und sie schluchzen hörte.
«Lydia... was ist??»
Für das Mädchen Běla fand hier neben dem Fernsehen noch ein unverständliches Theater statt. Sie hatte keine Ahnung, um was es geht, und Tränen gehörten nicht zu ihrer Natur. Bereits in der Kindheit begriff sie: Was man sich nicht selber nimmt, heult man sich nicht herbei! Und Václav hat bislang bei Lydia keine Träne gesehen. Weinend sah sie noch älter aus, und so zwang sie sich die ganze Zeit, ihm ihren Kummer nicht zu zeigen. Jetzt aber, nach der Anspannung der letzten Monate, löste sich ihre Selbstbeherrschung.
«Liduška, was ist mit dir...?»
Das Geschehen im Fernsehen ging mit einem Filmschnitt in eine leisere Szene am Lagerfeuer über, so daß auch der Wächter das Schluchzen nicht mehr überhören konnte. Er drehte sich wieder um. Er hat hier zu viele Tränen gesehen, als daß sie ihn noch rühren könnten, aber auch wenige Frauen, wie sie eine war. Sie paßte nicht in das ihm vertraute Bild. Er spürte eine Regung, ihr seine Haltung zu erklären.
«Das ist eine Anordnung von Amts wegen, Gnädigste, in der Nacht darf man hier keinen aufnehmen. Dort draußen wußte man das wahrscheinlich nicht. Können Sie nicht im Auto übernachten?»
Als hätte man ihn für sie bestellt, kam in diesem Augenblick ein roter Kleinbus aus der Allee und bog zum verschlossenen Tor ab. Der Fahrer ließ das Fenster runter.
«Leutchen», kreischte draußen Bobina auf, «kommt her! das ist aber ein Volltreffer.»
Auch der Mann hinter dem Steuer erkannte sie und rief begeistert.
«Es lebe Budweis! Aber ohne uns! Kann mir der Alte da aufmachen?»
Verblüfft schaute der Gärtner auf das Fahrzeug, das gestern abend vor ihrem Hotel auf dem Stadtplatz parkte.
«Er hat ihn für siebentausend rausgerückt», rühmte sich der Zauberer vor dem Zeugen seines Erfolgs, «ein Geschenk des Himmels, das auszuschlagen wäre Undankbarkeit gewesen.»
Die Pianistin nahm sich inzwischen zusammen. Jetzt konnte sie den anderen die Lage klarmachen.
«Erst morgen früh um sechs, vorher will man uns nicht reinlassen!»
Was ihr als eine Katastrophe erschien, hörte sich für den Glückspilz wie die Nachricht der Nachrichten an.
«Na denn, worauf wartet ihr noch, Herrschaften? Das muß gefeiert werden!»
Sein klangvoller Auftritt zwang auch den Westernfan, aus seiner Loge herauszukommen.
«Wo hier offen?» verhörte ihn der Mann im Wagen, «aber nix Spelunka, Ia Lokal, und offen bis quattro, compris?»
«In Baden», meldete der Alte gehorsam.
«Weit von hier?»
«Nein... sechs Kilometer... immer geradeaus...»
«Also einsteigen, einsteigen!» er öffnete alle Türen.
Da schau mal! wunderte sich die Verkäuferin, die ihn auf der ganzen Reise nur eines einzigen und zugleich letzten Blickes gewürdigt hatte, der Onkel ist flott...! Sie schickte ihm einen Probeballon hinüber.
«Ich bin blank.»
«Keine Angst», sagte er, was sie auch von ihm erwartete, «heute bin ich dran! Sie mit den Koffern», trieb er ungeduldig das Paar an, «nach hinten, und das Fräulein zu mir, wie heißt du, Kätzchen?»
«Běla, doch man nennt mich Bobina.»
«Na prima, mich hat man Genosse genannt, jetzt bin ich wieder Herr Strniště Josef. Aber für dich immer nur Pepi, Pepíček. Abfahrt!»
Die Nacht roch ihm nach Freiheit, Welt und Geld und jetzt noch nach junger Haut dieses vollbusigen Pflänzchens mit dem sexy Arsch, der ihm schon gestern aufgefallen war. Sie sah nicht so aus, als würde sie sich zieren, wenn er sie mit seiner dicken Brieftasche bekannt machen würde, geschweige denn mit seinem noch immer flinken Josefik.