Читать книгу Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2) - Perry Rhodan - Страница 89
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Pen Assid
12. November 2046 NGZ
Drei Tage vergingen, in denen die RAS TSCHUBAI 26.349 Lichtjahre zurücklegte. Über den Zielplaneten war bis auf den Namen Zpud kaum etwas bekannt; dessen Sonne Suzny war ein orangefarbener Stern der K-Klasse, mit 0,81 Prozent der Masse Sols.
Aus dem Ortungsschatten einer roten Riesensonne überprüfte die Ortungsabteilung die nähere stellare Umgebung – es wimmelte von Einheiten der Phersunen. Das Suznysystem war in einen dünnen Schleier aus Vektormaterie gehüllt, durch dessen Lücken ausschließlich Delta-Raumer mit kugelförmiger Steuer- und Antriebseinheit ein- und ausflogen.
»Das Abhören des Hyperfunks gibt kaum Auskunft«, sagte Cascard Holonder bei der abschließenden Besprechung in der Operationszentrale. »Zumindest haben wir aber den Eindruck gewonnen, dass die Phersunen sich sicher fühlen. Die schiere Menge ihrer Raumschiffe schärft nicht unbedingt die Wachsamkeit der Besatzungen. So scheint es zumindest.«
»Nicht zuletzt wegen der Vektormaterie.« Jalland Betazous Emot auf der Stirn verfärbte sich, sodass es nun von Pen Assids Erfahrung infolge tief greifender Unruhe kündete.
»Wer mag es ihnen verdenken«, stimmte sie dem Onryonen zu. »Sie sind die einzigen Wesen, denen offensichtlich Mittel in die Hände gegeben wurden, die Vektormaterie zu steuern.«
Sie rieb sich über die Unterarme und war froh, eine langärmlige Bordkombination zu tragen. So bemerkte niemand ihre Gänsehaut.
»Die Situation erinnert mich an die Lage beim Abyssalen Triumphbogen im Huphurnsystem«, sagte Holonder. »Hier gibt es zwar kein derartiges Monument, aber die gesamte Galaxis Ancaisin ist für die Phersunen ein erobertes Territorium. Ihr Feind, die VECU mit ihrer Vecuia, ist geschlagen.«
»Bis jetzt«, warf Bru Shaupaard ein. »Denn mit eurer Unterstützung werden wir die VECU befreien. Und die Vecuia wird wieder auferstehen.«
Zumindest einen Augenblick lang fühlte Pen Zuversicht für die ungewisse Mission.
*
Getarnt vom Paros-Schattenschirm brachte die RAS TSCHUBAI die ZALTERTEPE-Jet bis auf 3,7 Lichtjahre ans Suznysystem heran. Der Spezialraumer für Erkundung und verdeckten Einsatz schleuste aus. Das Schwesterschiff mit den Gegenstationen der Transmitter an Bord folgte.
Pen Assids Puls beschleunigte sich, als sie den Schutz des Omniträger-Fernschiffs der SUPERNOVA-Klasse verließen. Sie atmete tief durch. ZALTERTEPE-Jets waren vor Fremdortung geschützt wie kein anderer Raumschiffstyp, was das Wichtigste war: nicht entdeckt zu werden. Denn einer Flotte aus Phersunenraumern hatte selbst das Mutterschiff nichts entgegenzusetzen.
Pen konzentrierte sich auf die Anzeigen ihrer Arbeitsstation. Jede ihrer Aktionen zählte, wenn auch vielleicht nicht so viel wie jene Icho Tolots und Jalland Betazous als Pilot und Grau-Späher.
Pen vertraute den beiden. Doch sie gestand sich ein, dass sie sich fürchtete. Die Zuversicht, die Bru Shaupaard ausgestrahlt hatte, war mit ihm in der Suspension entmaterialisiert worden. Allein die Präsenz des Haluters beruhigte sie.
Pen war kein Feigling. Sie hatte bereits mehrere Außeneinsätze absolviert. Aber in einer Space-Jet in eines der bestbewachten Sonnensysteme Ancaisins einzufliegen, um eine Superintelligenz aus einem Verlies aus Vektormaterie zu befreien ... Das war mit nichts zu vergleichen, was sie jemals erlebt hatte. Und sie hoffte, so etwas nie wieder mitmachen zu müssen, sollten sie in einem Stück aus dem Suznysystem zurückkehren.
Ihre Gefühle schwankten zwischen Aufregung und Furcht. Der Einsatz war ein unvergleichliches Erlebnis – und eine unvergleichliche Gefahr.
»Der Peilimpuls ist verstummt«, meldete Pen. »Die RAS TSCHUBAI hat ihren Standort planmäßig verlassen, um in den Ortungsschutz der trabantenlosen roten Zwergsonne zu tauchen.«
»Beginne Linearetappe«, grollte Tolots Stimme.
Kurz darauf erschien das wesenlose rötlich-graue Wallen der Librationszone hinter der transparenten Panzertroplonkuppel, unter der die Zentrale lag. Wenige Lichtstunden außerhalb der Bahn des siebten und äußersten Planeten kehrten sie aus dem Linearraum ins Einstein-Universum zurück.
Jalland Betazou keuchte. Pen sah von ihrer Ortungsstation auf. Ein Schauder lief ihr über den Rücken, und eine unnatürliche Müdigkeit ergriff von ihr Besitz.
»Meldung?«, fragte Tolot nüchtern.
Unterbewusst begriff Pen, dass der Haluter ostentativ sachlich blieb, um der Gruppe Halt zu geben. Bewusst wunderte sie sich, wie er im Angesicht des Horrors, den die grauen Schleier und Wolken – die einzigen Überreste des Planeten – ausstrahlten, ruhig bleiben konnte.
Sie erklärte es sich mit den Eigenschaften seines doppelten Gehirns, in dem das Planhirn die Führung übernommen haben musste. Und damit, dass er einige Jahrtausende mehr an Erfahrung aufwies als sie.
»Der siebte Planet des Suznysystem ist zu Vektormaterie annihiliert worden.« Pen rasselte weitere Daten herunter. Ihr war klar, dass Tolot dies längst an der eigenen Arbeitsstation erfasst hatte. Aber es beruhigte sie, die Fakten auszusprechen. Per Hypnoschulung angeeignete und im Training vertiefte Standardprozeduren gaben ihr Sicherheit.
»Der Paros-Schattenschirm steht«, fuhr sie fort. »Die ZALTERTEPE-Jet ist halbstofflich entrückt im Schattenmodus. Der Deflektorschirm ist zugeschaltet. Die Eigenemissions-Absorber und der Hypertaster-Deflektor der Laurin-Antiortung funktionieren tadellos.«
»Die Transmitter sind für den Fall der Fälle bereit«, rief Wavalo Galparudse durch den Antigravschacht in die Zentrale hoch.
»Die Passivortung gibt mir eine Vielzahl an Ortungsreflexen phersunischer Einheiten aus«, sagte Pen. »Aber sie verlieren sich in den Weiten des Systems.«
Sie wischte durch die holografischen Anzeigen, die ihr die Positronik zur Ansicht vorlegte. Von außerhalb der Station waren die abgeschirmten Holos nicht zu sehen, Raumfahrer nannten die Bewegungen »Schattenboxen«.
»Ich bekomme erste Ergebnisse der Hyperfunküberwachung«, meldete sie weiter. »Alles ist ruhig; wir scheinen niemandem aufgefallen zu sein. Dafür habe ich einen ersten prominenten Namen in Erfahrung gebracht – die Kommandantin der Phersunen heißt Daisheg Huttshar.«
*
Schweiß perlte von Jalland Betazous lackschwarz glänzender Stirn. Sein Emot changierte zwischen tiefem Rot und blassem Grau. Aufruhr und Niedergeschlagenheit standen im ständigen Widerstreit. Immer wieder fuhr er sich durch das dichte Haar bis zu den schmalen aufgerichteten Ohren am Hinterkopf.
Pen Assid beobachtete es mit gerunzelter Stirn. Bisher arbeitete der Onryone hervorragend, um ein Manövrieren zu ermöglichen. Keine Sekunde lang löste er die goldfarbenen Augen vom Teleskop, mit dem er ins Sonnensystem Suzny spähte.
Die Dimensionen eines stellaren Systems waren unbegreiflich. Das wurde Pen einmal mehr bewusst, während sie im Inneren einer Metallhülle, nicht größer als ein Wohnhaus, durch das endlose Nichts stürzte.
Doch selbst in dieser unermesslichen Weite drohten sie jederzeit in den Tod zu rasen. Drei Planeten des Systems waren in graue Schleier und Wolken verwandelt worden. Hunderttausende Asteroiden, Meteoriten und Raumschrott mussten im Laufe der Jahrhunderte annihiliert worden sein.
Die ZALTERTEPE-Jet hielt sich an die Flugkorridore der Phersunen, obwohl dieses Vorgehen die Ortungsgefahr erhöhte. Solche astrogatorischen Konstrukte waren üblicherweise unsinnig, es sei denn, die Administration eines Sternsystems wollte den Raumschiffsverkehr in überwachbare Bahnen lenken. An diesem Ort diente es dazu, den Raumschiffen einen sicheren Kurs an der Vektormaterie vorbei zu weisen.
»Achtung!«, rief Betazou.
Icho Tolot riss die Space-Jet herum. Pen zuckte zusammen. Ihr Herz hämmerte an die Brustdecke. Aus dem Augenwinkel meinte sie, einen grauen Schleier knapp am Rand der Jet vorbeirasen zu sehen.
Pen drängte die bittere Galle zurück und kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit an. Sie konzentrierte sich auf die Ortung, um des Aufruhrs Herr zu werden.
Und weil es ihre verdammte Aufgabe war!
Ein Phersunenraumer änderte den Kurs. »Die energetischen Auswirkungen des Ausweichmanövers wurden geortet«, sagte sie mit belegter Stimme.
Tolot richtete eines seiner drei rot glimmenden Stielaugen auf sie aus. »Ist die Angabe gesichert?«
Pen überprüfte erneut die Ortungsergebnisse, konsultierte die Positronik und nickte. »Ja. Der Raumer nähert sich unserem Kursvektor.«
»Ich wage eine Linearetappe, die uns näher an den Planeten Zpud heranführt. Wenn die Phersunen auf unserem Kurs nichts finden, könnten sie es als Fehlortung einordnen.«
»In Ordnung! Librationstarner aktiv!« Für einen Augenblick erschien wieder das Wabern der Librationszone. Dann wich es der blau, weiß, grün und braun schimmernden Kugel Zpuds hinter der Panzertroplonkuppel.
»Beinahe geschafft«, murmelte Pen.
Die Wucht eines Treffers schleuderte die ZALTERTEPE-Jet aus ihrer Bahn. Die Andruckabsorber kompensierten den Großteil der kinetischen Energie. Bevor Pen durch die Zentrale stürzte, fingen sie die Prallfeldgurte ab.
»Die Phersunen haben uns nicht korrekt in der Ortung!«, rief Tolot. »Sonst hätten sie uns bereits manövierunfähig geschossen oder vernichtet!«
Wieder wechselten sie in den Linearraum. Dieses Mal für einen Sekundenbruchteil. Im Inneren der Space-Jet rumorte es vor lauter winzigen Explosionen, die von Prallfeldern eingedämmt wurden.
»Ich simuliere einen Absturz«, sagte Tolot.
Hinter der Panzertroplonkuppel stürzte ihnen die Oberfläche Zpuds entgegen. Die Positronik meldete erste Risse in der Außenhülle. Der Folienhelm von Pens SERUN schloss sich über ihrem Kopf.
»Blender ausgeschleust!«, rief sie. Die Sonden entfernten sich schnell von der Jet. Sie sandten Emissionen aus, um von ihnen abzulenken.
Noch ein Treffer erschütterte die ZALTERTEPE-Jet. Pen hoffte, dass er auf Glück und nicht auf korrekte Ortungsdaten zurückzuführen war. Dennoch verursachte er weitere Hüllenbrüche und Explosionen.
»Wir müssen die Jet verloren geben«, grollte Tolot.
»Die Transmitter sind außer Funktion!«, schrie Wavalo Galparudse schrill, obwohl das Funkgerät seines SERUNS die Stimme des Cairaners, von Störgeräuschen bereinigt, übertrug. Er stieg die Leiter zur Zentrale hinauf. Der Antigravschacht war in Gefechtssituationen unsicher. »Wir müssen ausschleusen! In Rettungskapseln! Oder in unseren Raumanzügen!«
»Abwarten!« Tolot schien Pen wie ein Fels in der Brandung. »Uns treffen keine Taststrahlen! Korrekt, Pen?«
Sie bestätigte. »Aber man wird unsere Energieechos aufspüren. Durch den Beschuss wurde die Laurin-Antiortung in Mitleidenschaft gezogen.«
»Wir lassen uns so tief wie möglich in Richtung Planetenoberfläche stürzen! Mein Planhirn schätzt das Risiko als vertretbar ein. Auf mein Kommando steigen wir aus!«
Mittlerweile waren alle auf die Funkgeräte der SERUNS angewiesen, nur Tolot hatte keine Mühe, den Lärm des Absturzes zu übertönen.
»Die Transmitter!«, rief Pen. »Warum funktionieren sie nicht, Wavalo?«
Der Cairaner antwortete nicht. Pen drehte sich zu ihm um und sah, dass er verschwunden war. Sekunden später erschien auf ihrem Ortungsholo der Reflex eines flüchtenden SERUNS. Der Träger hatte sich in den HÜ-Schirm gehüllt.
»Galparudse ist ausgestiegen!«, meldete Pen. »Man wird ihn ort...« Sie saß da mit offenem Mund, schluckte schwer und erklärte: »Die Phersunen haben ihn unter Beschuss genommen. Der HÜ-Schirm ist kollabiert. Wavalo Galparudse ist tot.«
Eine Glocke schien sich über sie gestülpt zu haben, sodass sie den Lärm kaum wahrnahm. Der Ortungsreflex, der anzeigte, dass der Cairaner im Strahlenfeuer vergangen war, glühte in ihrer Erinnerung.
»Das könnte von uns ablenken oder eine Fährte zu uns legen.« Pen hörte keine Emotion in Tolots Stimme. Das Planhirn des Haluters ließ im Gefecht weder Trauer noch Bestürzung zu. »Ich aktiviere den Selbstzerstörungsmechanismus! Bringt euch in Sicherheit! Ich hole die Suspensionsalkoven!«
Pen zögerte keine Sekunde. Die Routinen, die sie sich in ungezählten Übungen angeeignet hatte, übernahmen die Kontrolle über ihr Handeln. Der Prallschirm des SERUNS glomm auf. Der HÜ-Schirm wäre energetisch zu auffällig, wie Wavalo Galparudses Schicksal gezeigt hatte.
Ein Countdown zählte rückwärts. Die Positronik sprengte die Panzertroplonkuppel fort, und es riss Pen aus der Jet. Windböen wirbelten sie umher, bevor das Gravopak ihren Absturz mit niedrigstem Energieeinsatz stabilisierte.
Pen sah zurück. Sie erspähte Tolot. Der Haluter brach durch die Wandung des Diskusraumers, Tonnen brachialer, strukturverhärteter Kraft, die selbst Terkonitstahl in Fetzen riss. In den Handlungs- und Laufarmen hielt er zwei rechteckige Gebilde: die Suspensionsalkoven, in denen Gry O'Shannon und Bru Shaupaard entmaterialisiert lagen.
Für einen Augenblick verlor Pen die Orientierung, dann fing sie sich wieder. Doch sie entdeckte niemanden aus ihrem Team, nur die glühenden Trümmer der im Strahlenfeuer der Phersunen vergehenden ZALTERTEPE-Jet. Die Positronik des SERUNS hatte den Chamäleoneffekt der chromatovariablen Außenbeschichtung aktiviert. Das galt sicher auch für die anderen.
Die Wirkung von Deflektorschirmen hätte durch Antiflex-Brillen teamintern aufgehoben werden können, nicht jedoch der chemische Prozess, der die Oberfläche des Anzugs an seine Umgebung anpasste.
»Wie finde ich meine Gefährten wieder?«, fragte Pen die Positronik. Ihr Puls raste, ihr Magen rebellierte. Sie bot alle Willenskraft auf, um nicht in Panik zu geraten.
»Icho Tolot hat vor der Evakuierung der Space-Jet die Koordinaten eines Treffpunkts übermittelt. Wir gehen in einem Waldstück nieder und laufen im Schutz des Blätterdachs zu den anderen Teammitgliedern.«
Nach fünf Minuten landete Pen am Rand einer Lichtung, die von mächtigen, borkigen Stämmen umringt wurde. Braunorangefarbenes Moos wucherte auf der sonnenabgewandten Seite daran empor. Bunt schillernde Käfer schwirrten durch das Gewirr von Zweigen. Breite Kronen vereinten sich in 30 Metern Höhe zu einem beinahe lückenlosen Dach.
Auf der Innenseite des Folienhelms erschien ein Routenvorschlag und die Meldung, dass die Atemluft ungefährlich für Pen sei. Bevor sie sich in Bewegung setzte, sah sie ein letztes Mal zu der Rauchwolke am Himmel, die von der ZALTERTEPE-Jet übrig geblieben war. Der Wind wirbelte sie fort.
Wavalo Galparudse war einen sinnlosen Tod gestorben. Von Energiestrahlen aufgelöst, würde er niemals seinen Lebenstraum von der Befreiung der VECU erleben.
Übelkeit griff nach Pen. Schnell öffnete sie den Folienhelm und erbrach sich. Tränen rannen ihr aus den Augenwinkeln und tropften auf den fremden Boden Zpuds.
Pen atmete tief durch, wischte sich über den Mund und aktivierte die Kraftverstärker des SERUNS. Es blieb genug Zeit für Trauer, nachdem sie es lebendig zurück auf die RAS TSCHUBAI geschafft haben würde.