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8.

Pen Assid

12. bis 13. November 2046 NGZ

Trotz des Gewichts der zwei Suspensionsalkoven hatte Icho Tolot den Treffpunkt fünf Minuten vor Pen Assid als Erster erreicht. Mittlerweile war es Nacht und stockfinster. Auf der Innenseite ihres halb geöffneten Folienhelms projizierte die Positronik des SERUNS eine Darstellung des Waldes, errechnet aus Restlicht, Spektralanalyse und weiteren Ergebnissen der Außensensoren.

Pen lauschte nach Anzeichen feindlicher Annäherung. Sie hörte keine Schritte oder Stimmen, auch kein Pfeifen verdrängter Luft, das beim Fliegen mit Gravopak und durch Gleiter entstand.

Stattdessen zirpten und surrten die Insekten, nachtaktive Tiere raschelten und kreischten im Unterholz. Der Wind rauschte in den Kronen der Bäume. Kühle feuchte Nachtluft stieg ihr in die Nase, es roch nach Harz, Milch und dem Moder der faulenden Blätter. Das Laub unter ihren Füßen federte ihre Schritte ab und quietschte. Biolumineszierende Flugkäfer schwirrten zwischen den Zweigen der Laubbäume umher. Hin und wieder schnappte sich der Blütenkelch einer Hängepflanze, die sich um die armdicken Äste ringelten, einen Käfer.

Jalland Betazou stieß weitere zehn Minuten später zu der Gruppe. Er beteuerte wortreich, dass er sich von der Flora Zpuds nicht einen Moment lang hatte ablenken lassen. Sein Emot schimmerte bläulich-rosa vor Scham, Letzter gewesen zu sein.

Weder Tolot noch Pen sahen einen Grund dafür, Betazous Beteuerung anzuzweifeln. Sie klopfte ihm auf die Schulter und sagte: »Alles gut, Jalland, dir macht niemand Vorwürfe.«

»Ich habe den Erweckungsmodus der Alkoven aktiviert«, erklärte Tolot. »Es dauert nicht mehr lange, bis Gry O'Shannon und Bru Shaupaard aus der Suspension erwachen.«

Der Haluter hatte die mobilen Geräte unter einem umgefallenen Baumstamm versteckt. Selbst in horizontaler Lage überragte ihn das von orangefarbenem Moos überwucherte Totholz.

Pen trug Zweige herbei, die sie von den fächerartigen Gewächsen abgebrochen hatte, die an der Basis der bis zu fünfzig Meter hohen Bäume wuchsen. Sie bedeckte die Suspensionsalkoven damit. Womöglich brauchten sie sie ein weiteres Mal, da sollten sie in der Zwischenzeit wenigstens vor zufälliger Entdeckung geschützt sein.

Fand jemand die Alkoven und versuchte sie abzutransportieren, zu öffnen oder mit geeignetem Gerät zu untersuchen, aktivierte sich automatisch ein Selbstzerstörungsmechanismus. Gleiches galt für den Fall, dass ihre Gruppe nach mehr als drei Standardtagen nicht zurückkehrte. Notfalls vermochte Tolot die Alkoven per Fernzündung zu zerstören.

Während der Haluter den Erweckungsprozess kontrollierte, hielt Pen Wache. Ihr war bewusst, dass die Positronik des SERUNS die Aufgabe ohnehin übernahm, und zwar besser, als sie es mit ihren Sinnen jemals könnte. Aber Pen hasste das Gefühl, untätig zu sein.

Ein Schaben erklang unter der Decke faulender Blätter. Schwarze Fühler, in der Dunkelheit und vor der Farbe des Bodens kaum zu sehen, bohrten sich an die Oberfläche. Faulig-süßer Modergeruch stieg empor.

Am Riesenbaum, vor dem Pen stand, huschte ein federnbewehrtes, achtbeiniges Tier hoch. Es rammte die spitzen Vorderläufe an der Basis eines jungen Triebes in die Borke. Klare Flüssigkeit tropfte aus der Wunde herab. Pen bückte sich danach, nahm das klebrige Liquid mit einer Fingerspitze auf und roch daran. Es duftete nach Milch und Harz.

Inmitten dieser Wildnis fühlte sie sich schmerzhaft fehl am Platz. Pen wusste, dass das Gefühl der Fremdheit ambivalent war. Ihre berufliche Heimat waren schließlich die Eigenheiten fremder Sprachen.

Aber Gerüche, Pflanzen und Tiere ... All das nahm Pen wahr, begriff grundsätzlich deren Bedeutung und in Teilen die wissenschaftlichen Hintergründe. Nur erschloss es sich ihr nicht auf der emotionalen Ebene, die ihren Beruf zu einer Berufung für sie machte. Pen sehnte sich danach, auf vernunftbegabte Bewohner Zpuds zu stoßen.

Betazou hingegen genoss die fremde Natur. Er schnupperte an den Blüten orchideenartiger Gewächse, untersuchte Käfer und betastete die Borken der Bäume. Pen fragte sich, welche zusätzlichen Wahrnehmungen ihm die Horchhaut der Quantam an diesem Ort ermöglichte. Bisher hatte sie das Pflanzengeflecht nur als Hilfsmittel betrachtet, um Vektormaterie aufzuspüren.

»O'Shannon und Shaupaard erwachen«, teilte Tolot grollend mit. »Wir können bald aufbrechen.«

Pen beneidete die beiden Teammitglieder nicht um das Gefühl der Verwirrung, das während des Erwachens von ihnen Besitz ergriff. Sie erinnerte sich gut daran, wie es sich anfühlte, aus der Traumwelt der Suspension zurück in die Realität zu finden.

Es dauerte drei, vier Minuten, bis die Terranerin sich zurechtfand.

Bru Shaupaard, der die Suspension noch nie hatte erleben müssen, brauchte ein wenig länger. Seine erste Reaktion galt einer Frage, die Pen stellte. »Wie kommen wir ohne Space-Jet und Transmitter wieder zur RAS TSCHUBAI zurück?«

»Die VECU wird uns mit sich nehmen. Zur RAS TSCHUBAI oder zur wartenden ZALTERTEPE-Jet.«

»Falls das Verlies tatsächlich auf Zpud ist«, schränkte Tolot ein. »Und uns die Befreiung gelingt. Sonst müssen wir einen Notruf senden und uns abholen lassen. Die RAS TSCHUBAI müsste ein riskantes Ablenkungsmanöver fliegen, damit das gelingt.«

Der Haluter unterrichtete Shaupaard vom Tod Wavalo Galparudses.

»Das ist bedauerlich.« Nach kurzem Schweigen fragte Shaupaard: »Wann brechen wir auf? Hat Jalland Betazou schon eine Fährte zum Verlies der VECU gefunden? Und ist Gry O'Shannon einsatzbereit?«

Pen schauderte: Wie rasch hatte Shaupaard den Anflug von Anteilnahme abgeschüttelt, während sie den Verlustschmerz empfand, ohne eine besondere Beziehung zu Galparudse aufgebaut zu haben! Fast, als hätte er ihn niemals wahrhaft verspürt.

*

Pen Assid versuchte, die Umgebung im Auge zu behalten. Doch immer wieder schweiften ihre Blicke zu Gry O'Shannon ab, die neben ihr durch die Dunkelheit lief, von den Kraftverstärkern der SERUNS durch die zwei Meter hohen Gräser der Prärie getragen.

In regelmäßigen Abständen legten sie Rast ein, damit O'Shannon und Jalland Betazou in aller Ruhe nach der Vektormaterie suchen konnten.

Pen vermochte sich nicht vorzustellen, wie das vonstattenging. Ihr hatte der Anblick der annihilierten Himmelskörper im Suznysystem ausgereicht, um nie wieder solchen Mengen der grauen Schleier begegnen zu wollen. Alles an ihr sträubte sich dagegen.

O'Shannon und Betazou waren hingegen dazu gezwungen, aktiv nach diesem verderblichen Material zu fahnden. Pen stellten sich die Nackenhaare auf, wenn sie nur daran dachte, eine ähnlich enge Verbindung zur Vektormaterie ertragen zu müssen wie ihre Kollegen.

»Konntet ihr bereits etwas ... orten?«, fragte Pen, als sie ein weiteres Mal anhielten. Der Wind beugte die mannshohen Halme, die nach Anis und Milch rochen.

O'Shannon fuhr sich durch die kastanienroten nassen Haare, die sie am Hinterkopf leicht aufgesteckt trug. Die Luft war kühl und feucht.

»Ich bemerke mittlerweile einen diffusen Druck«, sagte sie. »Es hat ein wenig gedauert. Vielleicht, weil ich mich aus der Suspension zurück in die Realität gekämpft habe. Oder weil ich mich an die fremde Umgebung gewöhnen musste. Ich weiß es nicht. Aber Jalland empfindet in diesem Moment ähnlich. Wir müssen triangulieren.«

Tolot stimmte dem Vorschlag zu. Die Terranerin und der Onryone entfernten sich durch das hohe Gras mehrere Hundert Meter voneinander. Die SERUNS maßen die Entfernung und definierten die Basis des Dreiecks, während sich die Grau-Späher gefühlsmäßig ausrichteten, um die Winkel zu bestimmen.

»Damit haben wir zumindest eine grobe Richtung festgelegt«, lobte Tolot. »Steigt auf meine Schultern und Handlungsarme. So kommen wir schneller voran!«

Nachdem alle vier einen Platz gefunden hatten, rannte der Haluter los.

Als er seinen Lauf verlangsamte und anhielt, graute der Morgen.

Vor ihnen lag eine metallische Landschaft, mehr als zweieinhalb Kilometer messend von links nach rechts, knapp weniger als zwei Kilometer in der Tiefe und 500 Meter hoch.

»Ein Raumschiff der Ladhonen«, erkannte Tolot. »Den Ausmaßen nach ein Schiff der TATHUM-Klasse.«

Von der ursprünglich grob rechteckigen Doppelkeilform waren nur die Grundrisse übrig geblieben. Der Raumer war zertrümmert. Die Vegetation Zpuds hatte den Einschlagkrater erobert, in dem Steppengräser im Wind wogten, glitzernd von Tau. Weite Abschnitte des Wracks waren von Sträuchern und dürren Bäume überwuchert, die sich um den geborstenen Stahl rankten.

Teile der Außenhülle ragten wie spitze Felssplitter in den Himmel. Risse zogen sich als breite tiefe Schluchten durch die einst ordentliche geometrische Struktur.

»Wir sollten dort hingehen und nachforschen«, schlug Tolot vor.

»Weshalb?«, fragte Bru Shaupaard. »Dadurch verlieren wir nur Zeit.«

»Weil mich interessiert, welche Waffe die Ladhonen zum Absturz gebracht hat. Und was sie hier gesucht haben.«

Außer dem Cairaner stimmten alle Mitglieder der Gruppe dafür.

*

»Laut der Materialprüfung liegt der Absturz des ladhonischen Raumschiffs etwa 400 Jahre zurück«, sagte Icho Tolot.

Pen Assid stand vor einem der zahlreichen Trümmerstücke, die sie überprüft hatten. Es glich einer stählernen Kralle, die sich anschickte, sie zu zerquetschen. Der bleigraue Himmel trug sein Übriges zu ihrer negativen Stimmung bei.

»In dieser Zeit tauchten die Ladhonen in der Milchstraße auf«, ergänzte Tolot. »Diese hier hatten womöglich noch gegen die in Ancaisin vordringenden Phersunen gekämpft«.

Nieselregen setzte ein. Pen schloss den Folienhelm ihres SERUNS so weit, dass er sie vor der Nässe bewahrte.

Sie wanderten durch die unebene und von Trümmern übersäte Landschaft auf einen Riss in der Hülle zu. Eine Rampe aus Stahl, Steinen und Lehm überwand den Höhenunterschied.

Hütten säumten den Weg. Sie waren hauptsächlich aus Materialien erbaut, die aus dem Wrack stammen mussten: Bleche, Kunststoffverkleidungen, Glassitscherben und dergleichen. Federnbewehrte Spinnenwesen huschten zwischen den Gebäuden und Pflanzen umher. Sie gaben zischelnde, manchmal keckernde Geräusche von sich.

Pen trat vor den Eingang einer Hütte. Sie zog am Griff, der aus einem Kabel bestand, das mit Nieten an der dünnen Metallplatte befestigt war. Durch einen schmalen Spalt erkannte sie, dass die Bewohner die Tür mit einem primitiven Riegel verschlossen hatten.

Pen lauschte. Sie vernahm das Flüstern mehrerer Personen. »Die Ladhonen sprechen eine stark verschliffene Form ihrer Sprache, aber der Translator kann genug übersetzen, damit ich den Sinn der Sätze verstehe.«

»Und was sagen die Ladhonen?«, fragte O'Shannon.

»Dass wir abhauen sollen. Sie hätten einen Nichtangriffspakt mit der Stadt Batanos geschlossen, der den Dovoin exklusive Handelsrechte zusichere. Es bestünde daher kein Interesse, mit uns Handel zu treiben.«

»Dringen wir weiter ins Wrack vor!«, empfahl Tolot.

Sie traten durch den Riss in der Außenhülle und folgten dem mit Blechen ausgekleideten Gang ins Innere. Zugleich schickten sie Sonden aus, die das Schiffsinnere vermessen und auskundschaften sollten. Da sie wegen der Entdeckungsgefahr durch die Phersunen nicht die auf höherdimensionaler Basis arbeitenden Antigravs nutzen konnten, würde die Aufgabe mehr Zeit benötigen als gewohnt.

Ihr Team selbst fand keinen Hinweis darauf, was den Absturz der Ladhonen auf Zpud verursacht hatte oder weshalb sie hierhergekommen waren. Sämtliche Schnittstellen zur Positronik des Schiffes, die sie in Betriebsräumen abseits des Gangs aufspürten, blieben tot.

Sie folgten dem Weg, der mit primitiven Leuchtmitteln illuminiert wurde, tiefer ins Schiffsinnere. Hauptsächlich handelte es sich um zischende Gaslaternen aus Buntmetall und dünnem Glas, die nicht nach ladhonischer Fertigung aussahen und Wärme abstrahlten. Gasführende Rohrleitungen verbanden sie miteinander.

Kabel hingen von der Decke, Verkleidungen waren zerborsten oder eingedrückt. An vielen Stellen fehlten sie komplett. Pen sah Servicegänge voller Rohre, Projektoren und Verteilerkästen.

Sie versuchte, ihre Phantasie im Zaum zu halten, doch die Bilder spulten wie automatisch vor ihrem inneren Auge ab. Feindlicher Beschuss traf den TATHUM-Raumer, der Schutzschirm erlosch, die Energiestrahlen fraßen sich durch die Hülle und brachten Maschinen zur Explosion. Die Atemluft schoss durch die Hüllenbrüche ins Vakuum des Alls und riss Ladhonen mit sich.

Pen schüttelte den Kopf, um die Gedanken zu verscheuchen.

Ihr Team ging weiter in Richtung Zentrum. Provisorische Brücken aus Stahlträgern und Kunststoffverkleidungen führten über Schluchten, die von den Gewalten des Absturzes in das Schiff gerissen worden waren. Kalte Luft stieg aus der Tiefe herauf und wirbelte Pens Haare durcheinander; sie roch Metall, Rost und Tod. Immer wieder zweigten Gänge ab. Offen stehende Schotte erlaubten den Blick in ebenso verwüstete Räume und Hallen.

»Vorsicht!«, rief Jalland Betazou. Der Onryone hatte das beste Gehör und musste die Annäherung der Ladhonen bemerkt haben, die in diesem Moment aus den Schatten links von ihnen rannten.

Die Fünfergruppe stürzte sich auf Tolot. Sie hatten ihn als stärksten Gegner identifiziert, den sie ihrer Logik nach zuerst ausschalten mussten.

Das Schauspiel dauerte knapp zehn Sekunden. Pen bekam kaum mit, wie Tolot die Angreifer abschüttelte. Sie gingen zu Boden oder flogen gegen die Wände. Benommen von der Wucht blieben sie liegen.

Der Haluter stieß ein dumpfes Grollen aus, packte sich den Ladhonen, der sich als Erster auf ihn gestürzt hatte und stellte ihn aufrecht vor sich. »Ich habe euch besiegt.« Der Translator übersetzte. »Als Zeichen eures Respekts fordere ich dich auf, mich zu eurem Anführer zu bringen.«

Pen beobachtete die Reaktion des Fremden, den Tolot mit Stärke zu beeindrucken versuchte, wie es den Eigenheiten dieses Volkes entsprach. Der Ladhone betrachtete ihn aus seinem violett schillernden Facettenauge. Es bewegte sich auf einer Art Schiene vertikal hin und her, um die Dimensionen des Haluters zu erfassen.

»Ich werde meinen Stamm nicht in Gefahr bringen.« Er sprach Ladhonisch in dem fremden Dialekt, den Pen in den Hütten draußen gehört hatte.

»Mach dich nicht lächerlich«, grollte Tolot. »Wenn ich wollte, könnte ich das ganze Schiff verwüsten und deinen Stamm auslöschen – auch ohne deine Führung.«

Zum Beweis griff er nach einem stählernen Trägerstück, das auf dem Boden lag, riss mühelos ein Teil davon ab und stopfte es sich in den Schlund.

Das intensive Rot des Hautkamms, der sich über den Schädel des Ladhonen zog, wurde blasser. Die Schwellung klang ab. Offensichtlich hatte der Gefangene eingesehen, dass er Tolots Forderungen besser erfüllte.

Pen schnupperte. Der Ladhone roch ungewöhnlich. Inmitten des Gestanks von Knollen- und Lauchgewächsen, ranzigem Fett und metallischem Blut, nahm sie einen fremdartigen Geruch wahr, den sie nicht zuordnen konnte. Pen befragte den SERUN. Er identifizierte ihre Wahrnehmung als Ausdünstung der ladhonischen Körperdrüsen, genauer als Klar-Hormon, das für erhöhte Aufmerksamkeit sorgte.

Die übrigen vier flankierten sie lauernd, während ihr Anführer sie in eine Halle führte. Vor dem Absturz mochte sie als Übungsgelände für Rekruten dieses Volkes gedient haben, sogenannte Maate. Pen erinnerte sich lebhaft an den Bericht des Siganesen Sholotow Affatenga, der als erstes Besatzungsmitglied der RAS TSCHUBAI einen Ladhonenraumer von innen gesehen hatte. Sie konnte die simulierten Sümpfe regelrecht erkennen, durch die sich die Maate kämpften, ihren Streit darüber hören, welche Strategie wohl den größten Erfolg versprach. Roboterwracks hingen wie Trophäen an den Wänden, Trainingsmaschinen, gegen die die Rekruten einst hatten kämpfen müssen.

Pen stellte sich die in Lumpen gewickelten Ladhonen vor, wie sie sich in den Kampfanzügen ihrer Vorfahren gekleidet den Robotern widersetzten. Sie tänzelten umher, den Expanderarm zwischen den Schulterblättern angespannt, um sich überraschend nach vorne abzustoßen und zum Angriff überzugehen.

Doch das war pure Illusion, die Realität erschreckend. Vom stolzen Kriegervolk war nur ein Haufen zerrupfter Hungerleider übrig geblieben, der auf Nichtangriffspakte mit sogenannten Dovoin angewiesen zu sein schien.

Die Halle verlief über vier Ebenen. Pen erkannte Projektoren für Hologramme, Prallfelder und Lautsprecher. Sie entdeckte Düsen, die sowohl Gerüche versprüht haben mochten als auch Klar-, An- und Ab-Hormone, auf die die jungen Maate sensibel reagierten.

In einem mehrstöckigen Gebäude, das durch nachträglich eingezogene Stahlträger gestützt wurde, stiegen sie eine rostige Treppe hoch. Sie knarzte und quietschte. Stählerne Schotte öffneten sich knirschend vor ihnen. Pen erkannte einen Ladhonen, der ächzend an einem Handrad drehte.

Talgkerzen flackerten und warfen zitternde Schatten an die mit Teppichen geschmückten Wände. Stickereien darauf zeigten Ladhonen im Kampf mit Wesen, die humanoid schienen, gebeugt gingen und auf vorgestreckten Hälsen Köpfe trugen, die wie aus zwei Kugeln zusammengefügt aussahen. Es war stickig in dem Raum, verraucht und muffig.

Auf dicken Kissen, die mit Buntmetallfäden durchwirkt waren, saß ein Ladhone. Der dunkelblaue, fast schwarze Haarflaum, konnte sein fortgeschrittenes Alter nicht verbergen.

»Dies ist der Taath«, stellte ihr Führer ihn vor. Er positionierte sich hinter dem Alten, der eine Art Stammesoberhaupt zu sein schien, und verschränkte die Arme vor der dürren Brust.

Der Titel Taath musste sich von der einstigen Bezeichnung des Raumschiffs ableiten. Alle Schiffe der TATHUM-Klasse trugen das Kürzel TAT mit dem Zusatz einer Nummerierung.

»Wir sind Besucher, Fremde, die gekommen sind, um dieses Land zu erkunden«, übernahm Pen die Verhandlung.

Tolot positionierte sich hinter ihr. Hin und wieder, wenn der Taath sich widerspenstig zeigte, stieß der Haluter ein tiefes Grollen aus. Im Zusammenklang mit Pens milder Para-Gabe des suggestiven Zuhörens war der Widerstand bald gebrochen.

Die Sprache der Wrackbewohner war nicht so verschliffen, wie Pen zunächst befürchtet hatte. Es gelang ihr unverhofft rasch, die semantischen Eigenheiten zu erkennen, die sich im Laufe der Jahrhunderte in das Ladhonische dieses Stammes eingeschlichen hatten.

Was den einst mächtigen TATHUM-Raumer zum Absturz gebracht hatte, vermochte der Taath nicht zu sagen. Dafür berichtete er von seinem Verständnis über ihre aktuelle Heimat.

»Wir leben im Schatten der vergangenen Unvergänglichen«, erklärte er. Die sich überschlagende Stimme drang aus vertikalen fingerlangen Lamellen unterhalb des Auges. Immer wieder legte er den Kopf in den Nacken und starrte Tolot an.

»Im Schatten der vergangenen Unvergänglichen«, wiederholte Pen die Worte des Taath. »Die Bewohner des Wracks leben anscheinend in einem Götterglauben.«

»Und der Titel dieser Gottheit gibt einen deutlichen Hinweis darauf, um wen es sich dabei handelt«, mischte sich Bru Shaupaard ein. Er schien für seine Verhältnisse elektrisiert. »Die VECU ist unvergänglich und doch für den Großteil des Galaxien-Gevierts vergangen, da sie nur noch in Form der Sextadim-Späne besteht.«

Als der Cairaner das Wort ergriff, meinte Pen, Erkennen im Verhalten des Taath entdeckt zu haben. Der Hautkamm pulsierte, während das violette Sehorgan auf dem Cairaner verharrte. Sein Volk mochte für die hiesigen Ladhonen in Legenden weiter existiert haben. Oder siedelten sogar Cairaner auf Zpud?

Pen fragte nach, ob der Taath andere Cairaner kannte. Er bestätigte, dass er zumindest von solchen gehört hatte, dass sie ebenfalls in Wracks lebten.

»Und weshalb sind eure Ahnen hierhergekommen? An diesen Ort?«

»Wegen der vergangenen Unvergänglichen!«

Shaupaard atmete tief ein. Die Flecken auf seiner goldenen Haut schienen zu tanzen. »Wenn die Ladhonen im Schatten der vergangenen Unvergänglichen leben und sie es war, derentwegen sie hierherkamen, muss das Verlies der VECU nahe sein. So nah, dass sie einen metaphorischen Schatten zu werfen vermag.«

»In erster Linie sind das verbrämte Legenden«, sagte Tolot. »Ein wahrer Kern mag dem aber zweifellos zugrunde liegen. Pen, frag den Taath bitte, wo die Ladhonen die vergangene Unvergängliche vermuten.«

Pen gab die Frage weiter.

Während ihres Gesprächs war der Ladhone an seinem Expanderarm, mit dem er sich an einer Querstange festhielt, vor und zurück gewippt. Sein Facettenauge huschte zwischen Tolot und Shaupaard hin und her. Der Hautkamm des Taaths stellte sich auf und pulsierte blau-rot.

Pen konsultierte die Positronik, die in ihren Datenspeichern Geheimdienstinformationen über die Milchstraßen-Ladhonen besaß, was die Verfärbung bedeutete.

Sie wurde fündig: Der Taath fürchtete sich!

»Im Schlund!«, brach es aus dem Alten heraus. »Im Schlund existiert sie! Dem Schlund, dem wir uns im Leben nicht nähern würden!«

*

Pen Assid schob die Zweige und Äste beiseite, stieg die letzten Sprossen der Leiter hinauf und betrat den Aussichtsposten auf der Außenhülle des TATHUM-Raumers.

»Viel schlauer sind wir jetzt nicht gerade!« Gry O'Shannon stand zwischen den Sträuchern und Bäumen und sah in die Ferne.

»Ich wusste, dass uns der Halt nicht weiterhelfen würde«, versetzte Bru Shaupaard, der hinter Pen die Leiter erklomm. »Reine Zeitverschwendung.«

»Dafür warst du aber geradezu elektrisiert, als der Taath von der ›vergangenen Unvergänglichen‹ erzählte!«, konterte O'Shannon.

Shaupaard antwortete nicht.

Jalland Betazou stieg nun aus der mit Blechen und Kunststoffplatten verkleideten Öffnung im Stahl. Icho Tolot blieb zurück, da die Leiter sein Gewicht nicht getragen hätte. Stattdessen erkundete er das Schiffsinnere, um vielleicht doch noch Zugriff auf Teile der Positronik zu erlangen, die nicht unwiederbringlich zerstört waren. Die Ladhonen hatten sich nicht getraut, es ihnen zu verwehren.

»Immerhin hat er uns die grobe Richtung genannt, in der das Verlies der VECU liegen könnte«, versuchte Pen die Gemüter zu beruhigen. »Auf dieser Basis können Gry und Jalland eine erneute Triangulation versuchen.«

Die Grau-Späher stiegen über die Abgrenzung aus Metallplastik, darauf bedacht in der Deckung der Pflanzen zu bleiben, die sich mal dicht und mal spärlich auf der Hülle des Raumschiffs ausgebreitet hatte.

Zwar blieben die höherdimensionalen Aggregate der SERUNS weiterhin desaktiviert, aber sie befürchteten, dass die Phersunen mittels Spion- und Überwachungssonden nach ihnen suchen könnten.

Federspinnen, die sie bereits mehrmals sowohl in den Wäldern und Steppen als auch im Inneren des TATHUM-Raumers erblickt hatten, flüchteten vor den Grau-Spähern. Silbern schimmernde Flugkäfer schwirrten davon.

Pen und Shaupaard sondierten die Umgebung. Am Horizont schimmerte der Ozean.

»In Abständen von mehreren Dutzend Kilometern kann ich weitere Wracks erkennen«, sagte Pen.

Sie waren teilweise halb im Erdboden versunken und von Pflanzen überwachsen. Kaum eines glich dem anderen. Sie gehörten zu den unterschiedlichsten Völkern Ancaisins.

»Dort!« Pen zeigte Shaupaard die Richtung an. Sie vergrößerte die Darstellung der Kameras auf ihrer Helminnenseite. »Die längliche Formation, die wie eine riesige Schlange in der Landschaft liegt. Ich kann an manchen Stellen kupferroten, schraffierten Stahl erkennen.«

»Die einzelnen Segmente der Schlange wirken zylindrisch«, sagte der Cairaner. »Das könnte mal ein Raumschiff der Shenpadri gewesen sein.«

Pen stimmte ihm zu. »Die Umgebung des Raumschiffs scheint verwaist. Aber ich kann Bewegungen auf der überwachsenen Außenhülle erkennen, schlangenförmige Wesen mit weißem Federkleid, tatsächlich Shenpadri.« In der Milchstraße trat dieses Volk der ehemaligen Vecuia als kosmische Archäologen auf, sogenannte Ruinenhüter.

O'Shannon und Betazou kehrten zurück und bestätigten den Richtungshinweis des Taaths. »Die Gegend sieht aus wie eine Art Raumschifffriedhof«, sagte der Onryone, der sich einen Grashalm in den Mundwinkel gesteckt hatte. »Die Wracks scheinen zu verschiedenen Zeiten Bruchlandungen hingelegt zu haben. Sie sind unterschiedlich stark bewachsen, manche stärker zerlegt als andere. Aber ich sehe keinen Hinweis auf den Grund ihres Absturzes.«

Shaupaard klatschte in die Außenhände. »Man wird sie abgeschossen haben, so wie uns. Das genauer zu untersuchen ist nicht Teil unserer Mission. Für mich sind die Raumschiffe lediglich ein Hinweis darauf, dass die Völker der Vecuia zu allen Zeiten versucht haben, die VECU zu befreien.«

Pen ignorierte die Ungeduld des Cairaners. Sie empfand eine morbide Faszination beim Anblick der Hochtechnologie, die im Schoß der Natur verging und Leben beherbergte, das neue Wege beschritt. Um manche Wracks waren Siedlungen entstanden, während die Umgebung anderer Trümmerhalden verwaist war.

Sie ging zur gegenüberliegenden Seite des Aussichtspostens und entdeckte weit entfernt den Ring eines cairanischen Augenraumers, dessen Energiekugel im Ringinneren erloschen war. Ohne sie wirkte das Raumschiff wenig bedrohlich. Dabei waren solche Schiffe in der Milchstraße der Inbegriff militärischer Macht.

Einige Wracks waren isoliert. Zum Beispiel der kaum überwachsene Kubus. Wachtürme und Wälle waren im engen Umkreis errichtet worden. Einem ihr bekannten Volk der Vecuia konnte sie das Raumschiffswrack nicht zuordnen. Zwischen anderen schien reger Handel zu herrschen. Befestigte Wege verbanden sie miteinander. Von Tieren gezogene oder von Dampfmaschinen angetriebene Wagen fuhren darauf. Manche Straßen führten so weit von den Raumschiffstrümmern fort, dass Pen nicht erkannte, wo sie endeten.

»Hier gibt es viele interessante Dinge«, sagte O'Shannon in das Schweigen. »Aber Vektormaterie kann ich weder sehen noch spüren, außer dem diffusen Druck. Der wird zwar stetig stärker, aber wir scheinen derzeit weit davon entfernt zu sein.«

Jalland Betazou stimmte ihr zu. Auch Shaupaard fand keinen Hinweis auf das Verlies der VECU und drängte zur Eile.

Ein Ruf drang aus dem Schacht, durch den sie auf den Aussichtsposten geklettert waren. Pen lief zu der Öffnung und sah Icho Tolot am Grund stehen. Seine drei roten Stielaugen glommen in der Dunkelheit.

»Kommt, meine Kleinen!«, rief er. »Ich habe jemanden entdeckt, der uns behilflich sein könnte!«

Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2)

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