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12.

Pen Assid

14. November 2046 NGZ

Pen Assid streckte sich, während der SERUN ihr ein erfrischendes Reinigungsgel ins Gesicht sprühte, das Sekunden später verflog.

Sie hatten die Nacht unter einer Brücke verbracht, im Schutz der Anzüge und von den Positroniken behütet. Aus den Abflüssen waren struppige Federspinnen an die Oberfläche gekrabbelt. Pen hatte sie beim Einschlafen bemerkt. Aber bevor ihr die Augen zugefallen waren, hatte der SERUN die neugierigen Tiere per Ultraschall vertrieben.

Auf den Komfort von Antigravkissen hatten sie verzichten müssen. Also hatten sich die Kampfanzüge in möglichst angenehmer Position versteift und ihre Träger mit Muskelstimulierung und Massagen vor steifen Gliedern bewahrt.

Bru Shaupaard hockte neben Pen auf einem umgedrehten alten Kupfertopf, der grün angelaufen war. Mit den Außenhänden klopfte er einen unruhigen Rhythmus auf die Oberschenkel. Seine goldfarbene Haut schimmerte in den wenigen Strahlen des fahlen Morgenlichts, die den Weg in die Straßenschluchten Bossonus gefunden hatten.

Pen sah den Cairaner fragend an und aktivierte die Außenmikrofone des SERUNS, um seine Worte zu hören. Sofort drangen die explosiv klingenden Stimmen der Dovoin auf sie ein.

Die Eingeborenen dieser Welt trampelten durch die Straßen und Gassen und über die Brücken. Ihre Rufe und Gespräche klangen, als unterhielte sich ein an Keuchhusten erkranktes Terranerkind mit einer Horde aufgeregter Hunde. Wagenräder klapperten auf dem Kopfsteinpflaster. Wäsche flatterte an Leinen im Wind. Kochgeschirr schepperte hinter den Fenstern, die die Bewohner zur Morgenlüftung öffneten.

Im Gegensatz zu Shaupaard hielt Pen den Folienhelm verschlossen, wie sie es seit Betreten der Stadt beschlossen hatte. Es stank in Bossonu nach Essensresten und Magengeschwüren, nach Fäkalien und altem Schweiß. Aus den Schornsteinen stieg rußiger Rauch.

Jalland Betazou und Gry O'Shannon traten zu ihnen. Sie zupften ihre groben Kittel zurecht. Die typischen Kleidungsstücke hatten sie von Santral erworben, um im Falle weiterer Zusammentreffen mit Einheimischen nicht durch die Optik der SERUNS aufzufallen.

»Ich habe uns eine Überfahrt nach Tomonuta gebucht«, informierte Shaupaard sie.

Er führte sie eine halbe Stunde durch Straßen, in denen Händler geschmiedete Kupferwaren, Holzbesteck und Besen feilboten. Sie gingen über Brücken mit mehreren bewohnten Etagen, dann schmale Gassen entlang, wo Bauern Wurzeln und Knollen anpriesen, die auf den Feldern rings um Bossonu wuchsen.

Vor einer Lagerhalle wartete eine Gruppe Dovoin auf sie. »Die dort wollen ebenfalls nach Tomonuta«, sagte der Cairaner. »Sie sind naive Schatzjäger, aber eine willkommene Tarnung für unsere Mission. Euch erwartet jedoch eine Überraschung. Schweigt aber besser, sonst scheitert der Handel womöglich.«

Sie traten zu den Dovoin. Pen erkannte Santral unter ihnen. Der Splitterjäger tat, als hätte er sie noch nie gesehen. Zweifellos auf Anweisung Bru Shaupaards.

Die drei anderen erklärten sich bereit, Pens Gruppe eine Passage nach Tomonuta zu gewähren, wenn sie dafür die Hälfte des Kaufpreises übernahmen.

Ein Dovoin namens Shukkner trat vor. »Das Schiff hat keinen Antrieb und keinen Steuermann. Ich biete beides, meine Dampfmaschine zur kostenlosen Miete und meinen Sklaven Klurn.«

Er zeigte auf einen Wagen, der in einigen Metern Abstand parkte. Das Gefährt schien aus zusammengenieteten Buntmetallplatten und einem hölzernen Auflieger zu bestehen. Der Antriebsblock war geöffnet. Pen erkannte Brennkammer, Dampfkessel, Kolben und Ventile.

Neben Shukkner stand der Sklave. Im Gegensatz zu seinem Herrn trug er keine ornamentierte Halskrause aus Kupfer, sondern eine aus Holz, die mit Schnitzereien versehen war. Klurns Haut war dunkler und faltiger, und er ging tiefer gebeugt.

»Zufrieden?«, fragte Shukkner.

Pen machte eine vage Geste mit den Fingern, die sie sich von Santral abgeschaut hatte.

»Außerdem kennt mein Partner den Standort eines Schiffswracks, an dem wir uns Ruder und Schiffsschraube besorgen können.« Der Angesprochene war der Dritte im Bunde, ein Dovoin namens Obshez.

Pen stimmte dem Angebot nach kurzer Rücksprache mit Icho Tolot zu. Sie zahlten Santral den Preis mit Alltagsgegenständen aus dem Bestand der RAS TSCHUBAI, die sie vorsorglich als Tauschmittel mitgebracht hatten, Vibromesser, Ultraschallreiniger und Ähnliches. Pen gab sie als Funde aus den Himmelssplittern aus.

»Eine weitere Bedingung hätten wir noch«, sagte der Dovoin namens Shukkner.

»Die da wäre?«, fragte Pen. Sie hatte gut Lust, dem Kerl mithilfe ihrer Kraftverstärker eine Tracht Prügel zu verpassen. Von einer weiteren Bedingung war keine Rede gewesen.

Seine beiden Begleiter schienen ebenfalls überrascht. Shukkner hatte wohl Verhandlungspotenzial erkannt, nachdem Pen, ohne zu feilschen, ihren Anteil bezahlt hatte.

»Euer Lastentier zieht den Anhänger mit dem Schiff.« Shukkner zeigte auf Tolot, der erneut geschwiegen und den Dovoin die Interpretation seiner Rolle überlassen hatte. Pen sah über die Schulter zu dem Haluter. Dieser zwinkerte ihr mit einem der drei rot glühenden Augen zu.

»Einverstanden!«

*

Pen Assid warf einen letzten, prüfenden Blick auf den Rumpf des etwa fünfzehn Meter langen stromlinienförmigen Schiffes, das mal ein Gleiter gewesen war. Es bestand aus ultraleichtem geschäumtem Metallplastik, was kein seltenes Material war und von vielen Völkern verarbeitet wurde. Aber die Greifstangen für die Expanderarme ließen den Rückschluss zu, dass es aus ladhonischer Fertigung stammte.

Der einstige Antrieb war ausgebaut, ebenso die unbrauchbar gewordenen Leitungen für Energie und Steuerimpulse sowie die Prallfeldprojektoren. Stattdessen hatte Klurn in der verwaisten Aggregatnische die Dampfmaschine seines Herrn installiert und mit der kupfernen Schiffsschraube verbunden.

Shukkner blieb in Bossonu zurück. Eine junge Dovoin stand beim Abschiednehmen vor dem nordöstlichen Stadttor an seiner Seite. Den Gesprächen nach zu urteilen hieß sie Zhitiye, war die Tochter ihres Reisebegleiters Obshez und Shukkner als Lohn versprochen, weil er ihm eine Passage nach Tomonuta verschafft hatte.

»Passt mir gut auf die Herberge auf«, sagte Obshez.

»Pass du auf meinen Sklaven auf«, antwortete Shukkner, aber Pen hatte den Eindruck, als kümmerte es ihn wenig, was mit Klurn geschah. Einzig um die Dampfmaschine schien er sich zu sorgen. Und um die gefiederten spinnenartigen Blyuden, die den Pritschenwagen zogen, auf dessen Ladefläche die übrigen Gefährten Platz genommen hatten. Pen schwang sich ebenfalls hoch.

Die junge Dovoin und ihr Vater fassten sich gegenseitig an den Schultern und sahen einander tief in die Augen. Dann bestieg Obshez den Sitz auf dem Kutschbock neben Klurn, der die Zügel knallen ließ. Die Blyuden liefen los.

Einige Hundert Meter vor der Küste endete die verfallene Straße in einer Dünenlandschaft. Die Dovoin wechselten die Räder des Wagens, anschließend war der Anhänger mit dem Schiff an der Reihe.

Pen stapfte durch den Sand und ließ den Wind ihre Haare durcheinanderwirbeln. Sie sog den Duft nach Salz und Wasser und den eigentümlichen Geruch der Dünengräser ein. Pen klammerte sich an die Empfindungen wie eine Ertrinkende an das rettende Treibgut.

»Du machst das gut«, erklang eine Stimme neben ihr.

Pen sah Gry O'Shannon in die grünen Augen, aus denen die Terranerin sie wissend ansah. Ein mitleidiges Lächeln umspielte deren Lippen.

»Konzentrier dich auf deine Handlungen! Wenn du ganz im Hier und Jetzt lebst, ist es erträglicher, Pen. Lenk dich ab, tu etwas, spür etwas! Hauptsache, du denkst nicht an die grauen Schleier der Vektormaterie.«

»Ja.« Pen atmete tief durch. »Danke.«

Sie erreichten die verlassene Stadt Ugnoton, dieses Mal auf dem einstmals offiziellen Weg und nicht durchs Hinterland, das von Heide überwuchert war.

Über eine Rampe ließen sie das Boot zu Wasser. Trotz des geringen Gewichts brach eine Handvoll der Baumstämme, die zu einer schrägen Ebene angeordnet ins Hafenbecken führten.

Die Überfahrt verlief ruhig. Der Seegang war leicht, die Wellenkämme niedrig und die Wellentäler flach. Pen streckte den Kopf in die kühle feuchte Brise. Das lenkte vom stetig zunehmenden Einfluss der Vektormaterie ab.

»Ich sehe keine verdammten Meeresungeheuer«, fluchte O'Shannon. »Wahrscheinlich sind es Nachtjäger, so wie Ephelomuränen. Wir hätten uns die Mühe sparen können, in Bossonu eine Überfahrt zu buchen.«

Pen wunderte sich nur kurz über die Gereiztheit O'Shannons. Sie schob es auf den stärker werdenden Einfluss der Vektormaterie. Wenn Pen bereits sensibel reagierte, wie erging es erst der Wissenschaftlerin? Sie hatte ein weitaus feineres Gespür entwickelt, zumal nach der Abyssalen Dispersion.

Pen fröstelte, als sie daran dachte, was für unvorstellbare Mengen der grauen Schleier auf Ugnoton im Zaum gehalten werden mussten, dass sogar Individuen wie sie, die bisher nicht empfindlich auf den Stoff angesprochen hatten, darunter litten ...

»Welche Mühe?«, fragte Bru Shaupaard so leise, dass Obshez und Klurn sie nicht hören konnten. »Ich habe mich darum gekümmert, und ich begrüße die Tarnung, die uns die Dovoin geben.«

Jalland Betazou, der ähnlich sensibel auf Vektormaterie reagierte wie O'Shannon, schwieg. Er hockte neben Klurn, der am Heck des Schiffes das Ruder führte. Die Horchhaut an Betazous Schläfen und Nacken schien zu zittern.

»Streitet euch nicht, meine Kleinen!« Icho Tolot hatte die Tarnung als Lastentier aufgegeben. Die Dovoin hatten wegen seines Gewichts dagegen protestiert, ihn mitzunehmen. Ausgerechnet von Shaupaard hatten sie sich beruhigen lassen.

Pen lehnte sich zurück und versuchte ein wenig Entspannung zu finden. Sie blickte Tomonuta entgegen. Über der Insel zogen dunkle Wolken auf.

*

Sie ankerten in einer natürlichen Bucht, die Icho Tolot mit seiner Sonde entdeckt hatte. Das Schiff tanzte auf den Wellen, die gegen den felsigen Strand brandeten. Pen trat auf den Steg, den Klurn über den Rand zum Festland geschoben hatte und der bedrohlich wankte, doch der SERUN stabilisierte ihren Lauf.

Tolot war durchs Wasser zum Ufer gewatet, wo er sie erwartete. Er ergriff sie um die Hüften und hievte Pen auf den rutschigen Untergrund. Ihr Kampfanzug strukturierte die Sohlen um. Sofort fand sie besseren Halt und stemmte sich gegen die Windböen, die über Tomonuta peitschten. Der Stoffkittel flatterte. Vorsichtig erklomm Pen den steilen Weg aus Vulkangestein zu einer Ebene, auf der niedrige Pflanzen mit dicken Stängeln und fleischigen Blättern aus schwarzen Felsspalten wucherten.

Der Wind nahm an Intensität zu. Kalte, feuchte Luft stieg aus den umgebenden Höhlen und Schächten in die Höhe.

Jalland Betazou und Gry O'Shannon folgten Pen. Die beiden Dovoin deckten das Schiff mit einer dunklen Plane ab und erklommen ebenfalls das steile Ufer. Zwischen ihnen ging Bru Shaupaard. Icho Tolot bildete den Abschluss.

Pen wischte sich über das Gesicht, das von salzigem Meerwasser benetzt war. Das nasse Haar fiel ihr strähnig ins Gesicht und engte ihr Blickfeld ein. Doch sie wagte nicht, den Helm zu schließen, Wind und Wasser auszuschließen und dem Sog der Vektormaterie zu erliegen.

»Es wird schlimmer!« O'Shannon blieb neben ihr stehen. Sie war blass, und Schatten lagen unter ihren Augen. Sie griff sich an den Hinterkopf, an dem die kastanienroten nassen Haare klebten. »So stark habe ich die Vektormaterie noch nie wahrgenommen, nicht einmal im Abyssalen Schauraum, als ich von ihr aufgelöst wurde.«

»Damals hattest du auch noch nicht die Abyssale Dispersion durchlebt.«

»So wird es sein.« O'Shannon seufzte, ihre Hand zuckte vom Hinterkopf fort, als verursachte die Berührung plötzlich unerträglichen Schmerz.

Der Rest der Gruppe erreichte die Ebene.

»Dann machen wir uns mal auf den Weg«, sagte Obshez in der explosiv klingenden Sprache seiner Art. »Wir wünschen euch viel Erfolg und treffen euch am Schiff, sobald ihr jene Erkenntnis gefunden habt, die ihr auf Tomonuta sucht.«

»Und wo genau liegt euer Ziel?«, wollte Tolot wissen.

Die Dovoin waren bereits losgegangen, drehten sich aber noch einmal um. »Wir wollen zunächst zum Kraterrand!«

»Das können wir ihnen nicht gestatten«, raunte Pen dem Haluter zu. »Es ist zu gefährlich!«

»Was willst du tun?«, mischte sich Shaupaard ein. »Die beiden in Ketten legen? Sie werden die Vektormaterie erblicken und schnell wieder umkehren. Nehmen wir sie mit, dann haben wir die beiden wenigstens im Blick und können sie notfalls unterstützen.«

»Seit wann bist du so fürsorglich?«, spottete O'Shannon gereizt.

Der Cairaner klatschte in die Außenhände, ein Zeichen der Ungeduld. »Seitdem ich mein Ziel vor Augen habe und dennoch Zeit mit endlosen Diskussionen verschwende. Brechen wir auf!«

Dank des Zugangs, den Shaupaard zu den Dovoin gefunden zu haben schien, ließen sie sich dazu überreden, dass Tolot sie auf seinem Rücken trug, damit sie ihr Vorankommen nicht bremsten. Der Rest des Teams erklomm von Kraftverstärkern unterstützt die felsige Landschaft. Die grauen Regenwolken entluden sich zu einem kurzen, aber heftigen Gewitter. Blitze zuckten über den Himmel, Donner grollte, dicke Tropfen prasselten herab.

Sie fanden unter einem Felsvorsprung Zuflucht vor dem Niederschlag, der allerdings bald darauf wieder endete. Die Wolken blieben Tomonuta jedoch treu. Hinter dem Felsen öffnete sich ein Tal zwischen niedrigem, zerklüftetem Basalt. Buschland gedieh auf roter und gelber Vulkanasche und duckte sich vor den kräftigen Winden gegen den Boden. Pen sah keine Federspinnen oder anderes Getier, nur Würmer und ameisengroße Insekten.

Es schlossen sich natürliche Serpentinen an, die den sanft ansteigenden Kraterhang hinaufführten. Nirgends waren Sicherheitsvorrichtungen zu sehen.

Endlich erreichten sie den 40 Meter breiten und leicht abfallenden Kraterrand. Heftiger Wind peitschte Staub und Steine auf. Obshez und Klurn wickelten sich Tücher um die Köpfe. Pen schloss den Folienhelm und zog die Kapuze des Kittels darüber, damit die Dovoin sich nicht über den ungewohnten Anblick wunderten.

»Das ist also das Verlies der VECU!« Jalland Betazou keuchte. Es waren seine ersten Worte, seit sie den Aufstieg begonnen hatten. Immer wieder hatte er die Horchhaut betastet und den Kopf geschüttelt, wenn O'Shannon ihm geraten hatte, sich ein Mittel vom Cybermed injizieren zu lassen, das ihn horchtaub machte.

In diesem Moment schloss der Onryone die Augen und murmelte dem SERUN den erlösenden Befehl zu. Langsam sank er zu Boden und barg das Gesicht in den Händen.

»Zumindest sieht es danach aus, als würde sich hier jemand um eine gewaltige Menge Vektormaterie kümmern.« Gry O'Shannons Stimme zitterte, die letzten Worte erahnte Pen in dem Stammeln mehr, als sie zu verstehen. Die Wissenschaftlerin sackte auf die Knie.

Pen fühlte ebenfalls den Einfluss, während sie gebannt in die Caldera starrte, angezogen und abgestoßen zugleich. In den Kraterwänden waren vereinzelt Gebäude zu sehen. In den Tiefen ragte ein gewaltiger grauer Kubus auf.

Vektormaterie!

Pen kniff die Augen zusammen. Sie trat unwillkürlich mehrere Schritte zurück, um den Anblick nicht weiter ertragen zu müssen.

»Der Kubus hat über 200 Meter Kantenlänge«, sagte Icho Tolot. »Die Vektormaterie ist durch einen Schutzschirm von der Normalmaterie isoliert, sogar von der Luft.«

»Woher weißt du das?« Wieder stach Pen das graue Wallen in die Augen. Sie ging neben O'Shannon in die Knie und krallte sich in den staubigen Boden. Ihr Magen rebellierte, doch sie zwang die bittere Galle zurück.

»Ich kann nicht feststellen, welcher Natur der Schutzschirm ist, aber er muss existieren. Sonst gäbe es eine sofortige Kettenreaktion und Annihilierung der Umgebung. Jetzt verstehe ich auch, warum es keine Sicherheitseinrichtungen gibt. Es ist unmöglich, sich dem Kubus zu nähern. Zum einen aufgrund der Ausstrahlung der Vektormaterie, zum anderen wegen des Schutzschirms.«

Pen wunderte sich, dass die Dovoin ruhig blieben und nicht die Flucht ergriffen. Waren sie im Laufe der letzten Jahrhunderte mutiert, wie Tolot es von den Meeresjägern vermutete? Hatte die Nähe zur Vektormaterie ihre Vorfahren aus Ugnoton vertrieben, jedoch die Bewohner Bossonus über Generationen hinweg schleichend verändert?

Zumindest Fragen mussten Obshez und Klurn doch auf den Zungen ihrer Luftmünder brennen!

Was ist das für ein riesiger Würfel?

Weshalb verhaltet ihr euch so seltsam?

Stattdessen gesellten sie sich zu Bru Shaupaard, der ebenfalls unbeeindruckt schien. Sie raunten ihm etwas zu, was Pen nicht verstehen konnte. Ihr war, als würde er Klurn einen Gegenstand zustecken. Und mit einem Mal ging der Dovoin los.

»Warte!«, schrie Pen, zumindest versuchte sie es, doch es drang nur ein heiserer Ruf über ihre Lippen. »Du darfst nicht ...!«

»Beruhigt euch«, sagte Shaupaard. »Klurn sucht dort etwas und ...«

Icho Tolot stürzte los. Er warf sich auf die Laufarme und rannte in Richtung des Dovoin. Nach wenigen Metern krümmte er sich zusammen, rutschte ein Stück den Abhang hinab und blieb liegen.

Pen rappelte sich auf und vergrößerte die Darstellung auf der Helminnenseite: Klurn schlitterte über einen steilen Abschnitt hinter dem Kraterrand auf eine Serpentine zu. Dort angekommen wanderte er mit schnellem Schritt, aber ohne erkennbare Sorge weiter.

Ein erbärmliches Stöhnen drang aus dem Funklautsprecher. O'Shannon wälzte sich in konvulsivischen Zuckungen auf dem Boden und gab unmenschliche Laute von sich. Betazou stöhnte, die Horchhaut zitterte wie Espenlaub, das Emot leuchtete in einem dumpfen Blau.

»Es zerreißt mich«, wimmerte O'Shannon.

»Paralysiere Gry und Jalland«, befahl Tolot über Funk. »Ich empfange ihre Vitalwerte. Sie sind alarmierend!«

Pen folgte der Anweisung, dann schleppte sie sich zu Shaupaard. »Warum hast du Klurn gewähren lassen?«

»Das erkläre ich euch spät...« Der Cairaner verstummte und stieß einen Warnruf aus.

Ein Tor öffnete sich in der Felsenwand links des Kubus aus Vektormaterie. Ein phersunischer Roboter glitt aus dem Tor. Er hielt auf Klurn zu, der sich rechts von dem mutmaßlichen Verlies den immer steiler und steiniger werdenden Hang hinabmühte und auf ein Gebäude zuging.

Die Maschine erinnerte an zwei Kegel, die an den schmal zulaufenden Seiten miteinander verbunden waren und aus violett schimmernden Shillad bestanden, einem für die Phersunen typischen Metall.

»Ein Roboter!«, rief Tolot über Funk. »Ich schalte auf Planhirn. So kann ich Sinneswahrnehmungen gezielt unterdrücken und auf Hinweise des Kampfanzugs reagieren.«

Pen sah den Abgrund hinab zu der Stelle, auf der der Haluter liegen geblieben war. In diesem Moment rannte er los und pflügte durch Staub und Gestein den Innenhang der Caldera hinunter. Ein urtümlicher Schmerzensschrei drang ihm über die Lippen.

Tolot traf auf den phersunischen Roboter und rammte ihn aus der Flugbahn. Der Haluter musste die Struktur seines Körpers verhärtet haben.

Die Kampfmaschine hatte nicht mit dem Angriff gerechnet. Tolot war im Tarnmodus der chromatovariablen Oberfläche des Anzugs herangerauscht. Und selbst, wenn der Roboter ihn geortet hätte, aus welchem Erfahrungsschatz sollte die Positronik die Gefährdung durch ein Wesen berechnen, das seinen Körper zur Widerstandskraft von Terkonitstahl verwandeln konnte?

Dem Zögern von Sekundenbruchteilen verdankte Tolot, dass er trotz der Strukturverhärtung, die seine Beweglichkeit einschränkte, die Maschine packte. Mit den freien Fäusten hieb er auf das Shillad ein.

Die Hülle des Kampfroboters brach. Elmsfeuer waberten über das zum Vorschein quellende Innenleben. Er stürzte den Hang hinab und explodierte.

»Weitere Roboter!«, warnte Shaupaard.

Pen hatte die Maschinen ebenfalls gesehen, brachte jedoch kein Wort mehr heraus. Sie begriff, dass sie nicht nur Tolots Kampf beobachtet hatte, sondern zeitgleich die sie auszehrende Vektormaterie. Nur mithilfe der Kraftverstärker hielt sie sich auf den Beinen, obwohl der Cybermed ihr hartnäckig davon abriet.

Tolot raffte sich auf. Er stürmte wieder los, ein Wimmern ausstoßend, das Pen an den Gesang eines sterbenden Wals erinnerte. Der Haluter packte Klurn, aktivierte den Gravopak des Kampfanzugs und schoss vorwärts.

Pen fühlte sich emporgehoben. Tolot hatte die Fernsteuerung über ihren SERUN übernommen. Betazou, O'Shannon und Shaupaard schwebten ebenfalls in die Höhe. Dann war der Haluter heran und ergriff Obshez mit dem freien Handlungsarm.

»Deine Vitalwerte sind alarmierend, Pen!« Tolot richtete den Paralysator auf sie und drückte ab.

Der unerträgliche Schmerz verebbte, allerdings konnte Pen sich nun nicht mehr bewegen.

Die Paralyse betäubte ihre muskulären Funktionen und körperlichen Empfindungen, nicht aber ihre Wahrnehmung. Dennoch bekam sie kaum etwas von ihrer Umgebung mit, außer dem Vorbeihuschen von Gestein.

Basalt.

Obsidian.

Tuffit.

Buschland auf roter und gelber Vulkanasche war zu sehen. Dann wieder Vulkangestein.

Unter Pens Schädeldecke ziepte und zerrte es. Sie nahm eine erdrückende Last wahr, aber es war nicht die gleiche wie beim Anblick der Vektormaterie. Es war eher eine mentale Last. Pen fühlte sich an ihre Jugend erinnert, an ein Drogenexperiment und den Tiefpunkt, der daraufhin gefolgt war.

Schließlich endete der Flug. Der SERUN positionierte Pen rücklings auf den Boden und versteifte sich, um sie in ergonomischer Lage zu betten. Alle Funktionen des Kampfanzugs erstarben. Das Letzte was Pen sah, war Tolot, der einen Felsen packte und vor das wolkenverhangene Sonnenlicht hievte.

Dann war da nur noch Finsternis.

»Shaupaard. Obshez. Klurn.« Jedes Wort des Haluters hätte ein Todesurteil sein können, so sehr klirrten sie vor kalter Wut. »Was wird hier gespielt?«

Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2)

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