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TEIL II

Die Vergessenen

8.

Mädchen für alles

Leutnant Joaquim Madeira nutzte seinen letzten freien Tag vor dem Start zum Laufen. Er lief für sein Leben gern und war nicht wählerisch, was den Ort dafür anging. Die endlosen Korridore der CREST II kamen ihm gerade recht.

Es war der 15. April 2090. Am nächsten Morgen würde die CREST II zu ihrer weiten Reise ins Omnitische Compariat aufbrechen. Ab da würde Madeiras Freizeit knapp bemessen sein, gänzlich abhängig von der Willkür von Leuten wie Oberleutnant Sam Tatham. Für diesen Tag aber hatte Madeira sich fest vorgenommen, sich über niemanden zu ärgern und nur zu tun, wonach ihm der Sinn stand. Das hieß: nach dem Sport eine Dusche, ein gutes Essen, ein, zwei Holodramen und dann früh ins Bett. Für einen Tag bei der Terranischen Flotte waren das beinahe paradiesische Aussichten.

Der Hauptgrund für Madeiras gute Laune jedoch war, dass Fähnrichin Luisa Landry ihm Gesellschaft leistete.

Landry gehörte wie er zu den für Landemissionen vorgesehenen Raumsoldaten an Bord. Das bedeutete: Solange sie nicht gerade irgendwo landeten, waren sie für alles zuständig. Ein betrunkener Lagerarbeiter randaliert in der Messe? Bringt ihn doch auf sein Quartier. Wir haben ein Strahlenleck auf Deck 80? Geht das mal lieber schnell abdichten. Ein Offizier hat sich beim Staatsbesuch auf einer fremden Welt den Fuß verstaucht – würdet ihr ihn da bitte rausholen?

Er bog spontan um eine Ecke, und sie hielt mühelos Schritt. Das war ihr kleines Spiel im Labyrinth der Korridore des Riesenschiffs: Jeder durfte jederzeit die Richtung ändern. Ein bisschen Reaktionstraining, damit ihnen nicht langweilig wurde. Und nebenbei lernten sie ein paar Ecken der CREST II kennen, die sie wahrscheinlich nie wieder zu Gesicht bekommen würden, sobald sie erst mal unterwegs waren und es allenfalls noch ins Fitnessstudio schafften.

Aber eigentlich war Madeira nie langweilig, wenn Landry bei ihm war. Sie war etwas jünger als er, und sie war seine Untergebene, deshalb verhielt sie sich vorsichtig. Vor allem Tatham sollte besser nichts mitkriegen, denn der Oberleutnant schätzte es nicht, wenn seine Untergebenen etwas miteinander hatten, wie er es ausdrückte. Er glaubte, dass es sie im Einsatzfall zu sehr ablenken würde. Trotzdem war sich Madeira ziemlich sicher, dass Landry ähnliche Gefühle für ihn hatte wie er für sie.

Sie hielten sich derzeit in einer abgelegenen Gegend des 1500-Meter-Giganten auf, ein wenig oberhalb des unteren Großhangars und somit wahrscheinlich knapp oberhalb der Mondoberfläche. Von außen musste es aussehen, als rage ein stählerner Berg aus der halb unterlunaren Werft empor. NATHAN hatte weite Teile des Erdmonds ausgehöhlt und untertunnelt. Wie viel genau, wusste niemand. Natürlich verschlang es gewaltige Energiemengen, ein so riesiges Raumschiff in der Werftmulde zu stabilisieren und später damit abzuheben. Aber der gewaltige Supercomputer – oder was auch immer NATHAN eigentlich war – hatte beschlossen, dass er die CREST II lieber am Boden als in der Orbitalwerft ausstattete. Dankenswerterweise steuerte er einen Großteil der anfallenden Arbeiten sogar persönlich.

Deshalb begegneten Madeira und Landry in den Korridoren vor allem automatische Transportfahrzeuge und Roboter, sodass die zwei sich fast wie Fremdkörper in einem metallenen Adernetz vorkamen. Und erschrocken aus dem Tritt gerieten, als sie hinter einer Ecke beinahe mit einem Mann und einem Schweberoboter zusammenprallten.

»Whoa!«, rief Landry und taumelte gegen die nächste Wand.

»Entschuldigung!«, stieß der Mann erschrocken aus und hob beschwichtigend beide Hände. Er trug eine Werkzeugtasche um den Hals, sein Haar war zerzaust, und seine Zivilkleidung wirkte nachlässig, um nicht zu sagen etwas verwahrlost. Er sah aus wie jemand, der nicht häufig unter Menschen kam oder sich nicht um den Eindruck scherte, den er hinterließ.

Noch merkwürdiger war allerdings der fliegende Roboter, der ihn begleitete: ein großes, nachtschwarzes Ei, über dessen Oberfläche leichte Farbreflexe huschten. Madeira hatte eine solche Maschine noch nie gesehen.

»Wer sind Sie?«, fragte er. Instinktiv wanderte seine Hand zur Hüfte, und er bereute es, seine Dienstwaffe beim Sport nicht zu tragen. »Gehören Sie zur Schiffsbesatzung?«

»Mein Name ist Leibnitz«, antwortete der Fremde. »Ich arbeite in der Lunar Research Area. Sie haben vielleicht schon von mir gehört?«, fragte er hoffnungsvoll.

»Nein, das habe ich nicht«, erwiderte Madeira misstrauisch. »Was tun Sie hier? Können Sie sich ausweisen?«

»Wir – das heißt, Monade und ich – mussten bloß ein paar wichtige Funktionstests vornehmen. Sie wissen schon, für den Start. Unsere Anwesenheit ist von NATHAN autorisiert. Wenn Sie mich einfach ...« Er griff nach seiner Tasche.

Fast zeitgleich traten Landry und er auf ihn zu und gaben ihm auch ohne Waffen zu verstehen, was sie von plötzlichen Bewegungen hielten.

»Leutnant Madeira an Oberleutnant Tatham«, sprach der Raumsoldat mit einem Seufzen in sein Komarmband. Er hasste es, seinen Vorgesetzten hinzuzuziehen, aber er musste den Dienstweg einhalten. »Wir haben hier einen Fremden auf Deck siebzehn, Sektor G. Er sagt, sein Name sei ...«

»Was tun Sie denn auf Deck siebzehn?«, unterbrach Tatham. »Das ist ja praktisch auf der anderen Seite des Monds!« Tatham lachte über seinen eigenen Witz.

»Sir«, sagte Madeira. »Fähnrichin Landry und ich waren joggen. Und dabei haben wir diesen Fremden ...«

»Joggen? Fähnrichin Landry, sagen Sie? Und Sie?«

Landry rollte mit den Augen, und Madeira sank in sich zusammen. Leibnitz hatte die Hand vorsichtig von der Tasche genommen und verfolgte den Austausch interessiert.

»Sir«, bat Madeira. »Wir haben hier einen Zivilisten in Begleitung eines Schweberoboters. Er sagt, sein Name sei Leibnitz und er sei von NATHAN autorisiert ...« Madeira streckte verlangend die Hand nach der Tasche aus, und Leibnitz kam der Aufforderung zögerlich nach. In der Tasche schimmerten verschiedene Werkzeuge, wie Madeira sie noch nie gesehen hatte. »Er hat technische Güter dabei. Sagt, er habe irgendwelche Funktionstests vornehmen müssen.«

»Moment!« Tatham schien auf einem anderen Kanal jemanden zu kontaktieren. »Leibnitz, sagen Sie? Ja. Moment.«

Madeira tauschte einen entschuldigenden Blick mit Landry.

»Nichts für ungut«, sagte sie zu ihrem merkwürdigen Gast und schaffte es, von irgendwo ein Lächeln herbeizuzaubern. »Wir müssen das nur eben überprüfen.«

»Kein Problem.« Leibnitz grinste. »Ich finde es gut, wenn Sie Ihre Arbeit ernst nehmen.« Er musterte ihre Trainingsanzüge. »Sogar in Ihrer Freizeit.« Ein Farbreflex lief über die Oberfläche des nachtschwarzen Roboters. Auf merkwürdige Art kam sich Madeira von der Maschine abgeurteilt vor.

»Leutnant?«, erklang Tathams Stimme über Funk. »Da haben Sie ja einen schönen Fang gemacht. Leibnitz ist anscheinend der persönliche Freund unseres Mondgehirns. Was für Sie bedeutet: Wenn er auf Deck siebzehn gern bowlen möchte, dann stellen Sie ihm bitte schön die Pins auf. Entschuldigen Sie sich bei ihm, und eskortieren Sie ihn zur Schleuse, wenn er fertig ist.«

»Verstanden«, bestätigte Madeira knapp.

Leibnitz legte erwartungsvoll den Kopf schief, obwohl er das Gespräch wahrscheinlich mitverfolgt hatte.

»Tut mir leid, dass wir Sie aufgehalten haben.« Madeira gab Leibnitz seine Tasche zurück. »Wenn Sie fertig sind mit Ihren ... Tests ... begleiten wir Sie sehr gern von Bord.«

»Danke, das wird nicht nötig sein«, sagte Leibnitz. »Aber es würde uns auch nicht stören«, fügte er höflich hinzu. »Schließlich haben Sie Ihre Befehle. Oder, Monade?«

Ein weiterer Lichtreflex, dann schwebte der Roboter los.

»Was ... ist Monade?«, fragte Fähnrichin Landry, um Konversation zu betreiben.

Leibnitz lachte. »Oh, das ist eine Frage, die sich nicht einfach beantworten lässt ... Aber um Sie nicht einfach so abzuspeisen: Monade ist eine Posbi.«

Landry beäugte das schwebende schwarze Ei mit neuer Ehrfurcht.

»Hier entlang«, bat Madeira Leibnitz und Monade zu einer Expresslifttür und rief eine Fahrstuhlkabine herbei.

Auf einmal war er sehr froh, dass auf Raumschiffen der Terranischen Flotte stets größter Wert darauf gelegt wurde, jeden Ort binnen weniger Minuten erreichen zu können.

Die Fahrt mit dem Lift verlief schweigend. Die Lichter der Stockwerkanzeige schimmerten auf Monades nachtdunkler Haut.

Dann öffnete sich die Tür, und sie betraten die Weite des unteren Haupthangars der CREST II. Vierzig umlaufende Galerien, Platz für Tausende und Abertausende Tonnen an Gütern und Fahrzeugen, die über sechs Schleusen mit Prallfeldrampen hinein- und hinausgelangen konnten, darunter 72 Sixpacks der neuesten Baureihe und diverse Gleiter und Landeeinheiten. In der oberen Hemisphäre des Ultraschlachtschiffs gab es einen ähnlichen Giganthangar; dort waren vor allem die größeren Beiboote, die Korvetten, Space-Disks und Dragonflys untergebracht.

Joaquim Madeira konnte nicht behaupten, dass er gewusst hätte, wohin in dieser Riesenhalle er Leibnitz am besten eskortieren sollte. Allerorten fuhren Transportzüge aus den Tiefen der Mondwerft in den Hangar, strömten Techniker und Lagerarbeiter ins Schiff und verließen es wieder. Rollende und schwebende Kräne verluden die Frachtgüter, und Personenfähren glitten wie lautlose Riesenfische durch die oberen Schleusen.

Erst nach einer guten Minute zu Fuß registrierte Madeira, dass Monade unmerklich die Führung übernommen hatte, und ehe er sichs versah, stießen sie auf eine kleine Gruppe Besatzungsmitglieder. Unter ihnen erkannte Madeira Sud von der Medostation und den Mutanten John Marshall.

Madeira und Landry tauschten kurz Blicke. Mit diesen Leuten hatten sie bislang selten zu tun gehabt.

»Leibnitz!«, rief Sud, als sie die Neuankömmlinge entdeckte. Womit sich die Identität ihres Gasts wohl endgültig bestätigt hatte. »Was tun Sie denn hier?«

»Nur eine kurze Überprüfung für NATHAN«, wich Leibnitz aus. »Es ist alles in Ordnung – alles bestens. Dieser junge Herr und die Dame waren so freundlich, mich wieder zurückzubegleiten.«

»Wie geht es Ihnen?«, fragte Sud teilnahmsvoll. »Die jüngsten Enthüllungen ... Das muss doch alles sehr schwer für Sie sein, oder?«

»Was, Sie meinen, weil Sie im Arkonsystem einen Uniformfetzen mit meinem Namen fanden?« Leibnitz lächelte freundlich. »Ich kann mir ebenso wenig erklären wie Sie, wie er dorthin gelangte. Aber es sorgt mich nicht.« Monade schimmerte ruhig. »Natürlich wäre es wunderbar, das Rätsel meiner Vergangenheit eines Tages zu lüften. Aber ich fürchte, dazu braucht es mehr als ein abgerissenes Namensschild.«

»Sie haben das Gedächtnis verloren?«, fragte Landry mit großen Augen und biss sich im nächsten Moment auf die Lippe, als sich alle zu ihr umdrehten.

»Wie ich schon sagte.« Leibnitz lächelte nach wie vor. »Kein Grund zur Sorge.«

»Sie kommen!«, rief eine Frau in der grünen Uniform des medizinischen Personals. Eine kleine, weiße Raumfähre glitt heran und setzte auf dem Boden auf.

Da Leibnitz keine Anstalten machte, weiterzugehen, blieben auch Madeira und Landry unschlüssig stehen und wurden Zeugen, wie aus dem Fahrzeug eine geschlossene Medoeinheit herausgerollt wurde. Sie sah aus wie ein weißer Tank mit einem gläsernen Deckel. Der Patient, der darin lag und schlief, war ein Wesen, wie es Madeira noch nie persönlich getroffen hatte. Sein Bild jedoch war im vorigen Jahr immer wieder in den Medien verbreitet worden: Es war Merkosh, der Oproner.

»Wie geht es ihm?«, fragte Sud das Personal, das die Einheit herbrachte.

»Stabil«, antwortete der begleitende Arzt und reichte ihr ein Pad mit Daten. »Keine Auffälligkeiten seit Mimas.«

Sud nickte beruhigt. »Bitte bringen Sie ihn auf die Krankenstation und schließen Sie ihn an – ich bin in einer Viertelstunde da.«

Die Mediker machten sich daran, Merkosh fortzubringen. Madeira warf einen Blick zu Landry; sie pustete die Backen auf und sah zu Leibnitz.

Ich weiß auch nicht, was wir tun sollen, bedeutete ihr Blick. Statt ihren halb offiziellen Auftrag zu erledigen, klebten sie nun an dieser Gruppe fest, die sich angeregt unterhielt. Und sie zogen immer mehr Aufmerksamkeit auf sich.

Als Nächstes schlenderte ein kräftiger Mann mit einer schwarzen Sonnenbrille auf sie zu. Er trug Lederjacke und Stiefel, sein Gesicht war von Narben entstellt. Über der Schulter trug er eine große Segeltuchtasche.

»Hallo, allerseits«, sagte er brummig.

»Mister Tekener«, begrüßte ihn Sud, etwas weniger herzlich als zuvor Leibnitz. »Wie kann ich helfen? Suchen Sie vielleicht jemanden?«

»Ich fliege mit«, antwortete der Neuankömmling knapp und reichte ihr eine Chipkarte. »Hat ja letztes Mal ganz gut geklappt, von daher dachte ich ...« Er hob die Schultern.

»Ach, das wusste ich gar nicht«, entschuldigte sich Sud. »Wo ist Ihre Kabine?«

»Deck vierundvierzig. Irgendwo am Rand, glaube ich. Keine Ahnung, war da noch nie.«

»Kann ich vielleicht helfen?«, erbot sich Landry und streckte die Hand nach der Chipkarte aus. Tekener gab sie ihr, und Landry warf mithilfe der drahtlosen Schnittstelle ihres Multifunktionsarmbands einen Blick auf die gespeicherten Daten.

»Das ist unsere Richtung«, sagte sie und vergewisserte sich, dass Madeira ihr nicht widersprach. »Sie sind so weit versorgt, Mister Leibnitz? Dann lassen wir Sie hier bei Ihren Freunden.«

»Selbstverständlich«, bestätigte Leibnitz. »Vielen Dank.«

»Also dann.« Joaquim Madeira für seinen Teil war froh, der Situation zu entkommen, wenngleich ihr neuer Schutzbefohlener mehr als verwegen wirkte. Sie verabschiedeten sich rasch und machten sich auf den Weg zurück zu den Fahrstühlen. Sud winkte noch einmal, nur John Marshall sandte ihnen besorgte Blicke nach.

»So«, machte Tekener, während sie auf den Lift warteten, und schob seine Brille hoch, um ihre Trainingsanzüge zu mustern. »Und Sie sind?«

»Soldaten der Raumlandetruppen«, sagte Madeira. »Leutnant Madeira und Fähnrichin Landry.«

»Raumlandetruppen!«, wiederholte Tekener. »Und ist das ein guter Job?«

»Wenn man landet, der beste«, antwortete Luisa Landry.

Tekener lachte trocken. »Vielleicht sollte ich mir das einmal anschauen ...«

Perry Rhodan Neo Paket 24

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