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13.

Geisterstunde

Sie waren etwa eine Stunde lang durch die umliegenden Straßen gewandert und hatten mehrere Gebäude überprüft, als Luisa Landry einen seltsamen Vergleich anstellte.

»Weißt du, woran mich das irgendwie erinnert?«, fragte sie.

Sie standen gerade vor einer sicher hundert Meter langen und ebenso hohen Mauer, die über und über mit Schriftzeichen und Reliefs kantiger Gesichter und Figuren überzogen war. Die Bewohner dieser Welt waren wohl Humanoide gewesen, aber nach wie vor konnten die Menschen nicht einschätzen, wie die Planetarier tatsächlich ausgesehen hatten, weil der vorherrschende Kunststil alles verzerrte und die meisten Bilder riesengroß waren.

»Woran erinnert es dich?«, fragte Joaquim Madeira.

Er und Landry bildeten die Nachhut und sicherten rückwärtig, während Tatham und Jeffries den Weg vorgaben. Leider war es offensichtlich, dass der Oberleutnant nicht recht wusste, wonach genau er eigentlich suchte.

»Social Media«, antwortete Landry.

Zuerst glaubte Madeira, er hätte sich verhört. »Wie bitte?«

»Na ja. Der viele Text. Die vielen Bilder. Und vor allem ... die Belanglosigkeit der Bilder.«

Madeira legte den Kopf in den Nacken und kratzte sich unter dem Helm. Sicher, es waren eine Menge Bilder. Sie waren nicht ganz so uniform wie die Gesichter in irdischen Hieroglyphen, sollten also wahrscheinlich wahrhaftig Illustrationen sein, nicht bloße Zeichen. Ohne viel von Kunst – und insbesondere außerirdischer Kunst – zu verstehen, gab er Landry recht. Ja, die Motive machten keinen sonderlich kreativen Eindruck. Sie waren verschieden und einander doch ähnlich. Manche Gesichter sahen einen an, andere weg, manche wirkten grimmiger, andere gelöster, wobei man den riesenhaften Eierköpfen lassen musste, dass sie alle ziemlich düster wirkten im abendlichen Zwielicht. Manche präsentierten krumme Stäbe oder Scheiben, als wären es wichtige Statussymbole. Nicht, dass sie das allzu glücklich gemacht hätte, sofern die Gesichtsausdrücke irgendwas zu bedeuten hatten. Wenn diese endlosen Text- und Bildwände tatsächlich die hiesige Entsprechung eines steingewordenen Kommunikationsforums waren ... dann hatten die Einheimischen verdammt wenig Spaß gehabt.

»Du meinst, das ist ihr Äquivalent von Katzenbildern oder absurden Karikaturen?«

Landry lachte. »Nein, eher das Äquivalent zu: Seht mich an. Ich bin toll. Ich habe mehr von diesen ... was auch immer sie da in den Händen halten ... als ihr.«

»Mehr Bagels«, scherzte Madeira.

»Mehr Bananen!«, konterte Landry. »Und mein Gesicht ist zwei Meter länger als eures!«

Madeira grinste. »Jetzt, wo du es sagst.« Eigentlich war ihm nicht nach Scherzen zumute, aber das Gealbere mit Landry bot eine willkommene Ablenkung.

»Ich glaube, die Bewohner dieser Welt waren ziemlich eitel«, sagte sie. »Und ich glaube, sie wären unglaublich enttäuscht, dass sie nicht mehr da sind.«

»Was quatschen Sie da hinten?«, fragte Sam Tatham und wischte sich den Schweiß aus dem Nacken. Es war nicht sonderlich warm, aber der Oberleutnant war nervös wie sie alle – und er überspielte es schlecht. »Es wird spät.« Er blickte zum Himmel; die trübe, orangerote Sonne berührte schon den Horizont. »Ich glaube, das alles ist eine riesengroße Zeitverschwendung.«

»Sag ich doch«, raunte Landry. »Social Media.«

Madeira konnte sich ein Prusten nicht verkneifen und handelte sich einen strafenden Blick seines Vorgesetzten ein.

»Wir kehren um«, entschied Tatham und aktivierte sein Funkgerät. »Tatham an Tekener! Was zur Hölle treiben Sie gerade? Hier gibt es nichts, und es wird allmählich dunkel. Wir machen Schluss für heute.«

Tekener antwortete, und Tatham beendete das Gespräch. »War das letzte Mal, dass ich Zivilisten mitgenommen habe«, lamentierte er. Dann kontaktierte er das zweite Team. »Lafayette? Wir kehren zu den Space-Disks zurück.« Er gab Leutnant Jeffries ein Zeichen und machte auf dem Absatz kehrt. Madeira wartete mit Landry, bis Tatham und Jeffries an ihnen vorbeigegangen waren, damit sie wieder die Nachhut übernehmen konnten. Gerade wollte er eine Bemerkung über Zivilisten und Tathams glückliches Händchen mit ihnen machen, als er in den Schatten hinter Landry eine Bewegung sah.

Instinktiv riss er den Thermostrahler hoch. »Deckung!«, schrie er.

Landry reagierte gedankenschnell, und Madeira eröffnete das Feuer auf das amorphe, graue Ding hinter ihr. Es sah aus, als wäre es direkt aus dem Boden gewachsen, um Landry einzuhüllen wie eine Amöbe, die ihre Nahrung umschließt. Dann brannte sich Madeiras greller Energiestrahl in das fremde Wesen, und es brach in sich zusammen.

Sein Herz raste. Wahrscheinlich verging bloß eine einzige Sekunde, aber in dieser Sekunde wurde ihm klar, wie furchtbar es gewesen wäre, Luisa Landry zu verlieren.

Gerade wollte er ihr aufhelfen, als sie mit schreckgeweiteten Augen hinter ihn zeigte und nun ihrerseits die Waffe hochriss.

Madeiras Reflexe übernahmen, er sprang zur Seite. Gleichzeitig hörte er Schreie – Tathams Schreie. Madeira legte mit dem Thermogewehr an und sah den Oberleutnant, fast eingehüllt von einem weiteren der unheimlichen Wesen – sowie Dutzende mehr dieser Geschöpfe, überall auf der Straße. Madeira wollte schießen, aber Leutnant Jeffries stand in seiner Feuerzone und wurde ebenfalls angegriffen. In der Ferne hörten sie das Zischen energetischer Entladungen. Lafayette und sein Team? Tekener und Marshall? Madeira wusste es nicht.

»Weg da!«, brüllte er.

Aber bis Jeffries sich des grauen Monstrums entledigt hatte sowie Madeira und Landry wieder freie Schussbahn hatten, war es bereits zu spät: Das amorphe Ding hatte sich ganz über Tathams Körper gestülpt. Auf groteske Weise sah es aus, als wäre der Mann in einem Gallertklumpen gefangen. Nur sein hochroter Kopf und der erstickte Schrei auf seinen Lippen kündeten davon, was für Qualen er litt.

»Sir!«, schrie Jeffries hilflos. »Sir!«

Da fiel Madeiras Blick auf die Hand seines Vorgesetzten, erstarrt im Körper des fremden Wesens – und die Granate, die Tatham zwischen den Fingern hielt und gerade hatte werfen wollen.

»Deckung!«, rief Madeira abermals, keine Sekunde zu früh.

Sie rannten, warfen sich in Deckung, und im nächsten Moment explodierten die Granate in der Hand des Oberleutnants sowie alle weiteren Granaten in seinem Gepäck.

Sam Tatham und das Monster, das sich mit ihm angelegt hatte, waren nicht mehr.

Getrieben vom Adrenalin sprangen sie hoch und eröffneten das Feuer auf die Flut der Wesen, die unvermittelt überall waren. Sie kamen tatsächlich aus dem Boden, sah Madeira im Augenwinkel, stiegen auf wie ein böser Nebel und wälzten sich ihren Opfern entgegen.

»Jeffries! Madeira!« Aufgeregte Stimmen aus dem Helmfunk, von Lafayette, von Marshall und Tekener. Ein paar Straßen weiter fielen ebenfalls Schüsse. »Rufen Sie die CREST II!«, rief jemand. »Wir brauchen Verstärkung!«

»Haben die Sixpacks nicht einen Autopiloten?«, schrie Landry. Jeffries nickte panisch und gab eine Befehlssequenz in sein Multifunktionsarmband ein. »Rückzug!«

In alle Richtungen feuernd, bahnten sie sich einen Weg durch die Dunkelheit zu ihrem Mehrzweckfahrzeug. Binnen der wenigen Momente, die seit dem ersten Angriff vergangen waren, hatten sich die Straßen komplett mit den amorphen Kreaturen gefüllt. Wie zum Schlag der Geisterstunde war die gesamte Stadt zu gespenstischem Leben erwacht.

Nein, diese Art von Phantomjagd ging entschieden zu weit.

Sie brannten sich mit ihren Thermogewehren eine Gasse wie ein Leuchtturm, der sein flammendes Licht durch die stürmische Nacht schickt. Dann tauchte mit brüllenden Motoren die gedrungene Silhouette des Sixpacks vor ihnen auf. Der gepanzerte Rumpf verhieß Sicherheit.

»Suchscheinwerfer an!«, befahl Jeffries der Fahrzeugpositronik, und armdicke Lichtbündel schossen aus dem Bauch des Wagens hervor. Wo sie auf die Kreaturen trafen, duckten diese sich weg wie aufgeschreckte Nachmahre. »Ins Licht! Sie meiden das Licht!«

»Tekener!«, rief Madeira, als er die beiden Männer entdeckte, die aus der anderen Richtung kamen. »Marshall!«

Der vernarbte Mann, der selbst in der Dunkelheit noch seine Sonnenbrille trug, schoss wild um sich und brachte eine Glibberkreatur nach der anderen zur Strecke. Gleichzeitig stützte er den Telepathen, der sich kaum auf den Beinen halten konnte.

Leutnant Jeffries öffnete den Zugang. Sie sprangen an Bord und halfen Tekener, sobald er sie erreicht hatte, Marshall einzuladen, konnten aber nicht verhindern, dass auch zwei der Kreaturen mit eindrangen. Für ihre Größe waren sie erschreckend schnell; es war, wie sich ausgehungerte Raubtiere vom Leib zu halten.

Landry revanchierte sich für die vorige Hilfe, indem sie eins der beiden Wesen erledigte, bevor es über Madeira herfallen konnte. Das andere stürzte sich auf Jeffries und erwischte ihn am Arm. Mit einem Aufschrei trat Tekener es aus der Schleuse und schoss ihm, als es sich an seinem Stiefel festsaugte, in den gallertartigen Leib.

Landry hieb auf die Kontrollen, und die Fahrzeugtür glitt zu.

»Leutnant!«, rief Madeira und beugte sich zu Jeffries hinunter, der mit schmerzverzerrtem Gesicht neben Marshall am Boden lag und sich den Arm hielt, der aussah, als hätte ihn eine große Nesselqualle erwischt.

»Keine Zeit!«, wehrte Jeffries ab. »Bringen Sie uns hier raus!«

Schon spürten sie die Stöße der unheimlichen Wesen, die den Sixpack umspülten wie eine aufgebrachte Herde.

Mit rasendem Puls warf sich Madeira in den Pilotensitz und übernahm die Steuerung. Landry und Tekener schnallten die Verwundeten an und setzten sich ebenfalls. Dann pflügte der Mehrzweckpanzer durch die Massen der Angreifer in Richtung Space-Disk.

»Lafayette!«, meldete Madeira über Funk. »Tatham ist tot, hier spricht Madeira. Sind auf dem Weg zur Disk. Wie ist Ihr Status?«

»Haben den Sixpack erreicht«, kam die Antwort. »Sind ebenfalls auf dem Weg zur ... Oh. Das ist schlecht.«

Madeira musste nicht fragen, was der Anführer des zweiten Teams mit »schlecht« meinte – er sah es. Sie hatten die Hangardecks der Diskusboote offen gelassen, um jederzeit sofort umkehren zu können. Dies erwies sich nun als fatale Fehlentscheidung – das unterste Deck ihres Beiboots wimmelte vor den grauen Schattenwesen. Wenn sie versuchten, sich den Weg freizuschießen, würden sie zugleich das halbe Raumfahrzeug verwüsten ...

Marshall schloss gepeinigt die Augen und ballte die Hände so fest, dass sich seine Fingernägel ins Fleisch gruben. Blut rann an seinen Fingern herab.

»Was ist mit ihm?«, fragte Madeira.

»Es sind die Wesen«, antwortete Tekener knapp.

»Ihre Gedanken!« Marshall stöhnte. »Sie können nicht ... Es ist so schrecklich ...«

»Da!« Leutnant Jeffries deutete voraus. »Da oben!«

Madeira fiel ein Stein vom Herzen.

Über dem östlichen Himmel ritt auf feurigen Streifen eine Korvette der CREST II heran. Es fühlte sich an wie ein früher Sonnenaufgang.

»CREST-K 1 an Sixpacks«, meldete sich die Stimme von Abhinava Singh Khalsa, dem Befehlshaber der Raumlandetruppen. »Halten Sie sich fest! Wir holen Sie mit Traktorstrahlen hoch.«

Das Letzte, was Joaquim Madeira spürte, ehe ein flaues Gefühl in seinem Magen ihm die Rettung verhieß und er auf dem Weg in den Himmel die Augen schloss, waren die Finger von Luisa Landry, die sich zwischen seine schoben.

Perry Rhodan Neo Paket 24

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