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10.

Das Unwahrscheinliche

»Wie lange ist er schon so?«, fragte Thora Rhodan da Zoltral und trat an Merkoshs Bett.

Perry Rhodan grüßte Chefarzt Drogan Steflov und Sud. Dann trat er auf die andere Seite des Isolierbetts, das eigentlich eher ein halb offener, mit hochkomplexen Diagnose- und Behandlungsgeräten gespickter Tank war, durch doppelte Energiefelder von seiner Umgebung abgeschirmt. Für Thora war Merkoshs Zustand eher von wissenschaftlichem Interesse: Die fremdartige Physiologie des Oproners war faszinierend, und seine Infektion mit Dunkelleben mochte wertvolle Erkenntnisse über die Krankheit liefern. In erster Linie aber dachte Thora an die Sicherheit ihres Schiffs und seiner Besatzung; Merkosh war da bloß ein Leben unter vielen. Für Rhodan indes schien der skurrile Fremde fast so etwas wie ein Freund zu sein. Mit bedrückter Miene betrachtete er den Schlafenden und lauschte, was Sud und Steflov zu berichten hatten.

»Die Infektion ist leider weiter fortgeschritten.« Steflov deutete in Merkoshs Körper, als wäre er ein Referent in einem Museum und der Oproner ein gläsernes Plastinat. Tatsächlich wirkte Merkosh transparenter denn je. »Wie Sie sehen, konzentrieren sich die schwarzen Flocken nun deutlich an mehreren Stellen seines Gehirns. Die gute Nachricht ist, dass das Dunkelleben keinen Einfluss auf seine essenziellen Vitalfunktionen zu haben scheint. Dennoch ballt es sich immer mehr zusammen.«

»Was macht es mit ihm?«, fragte Rhodan betroffen.

»Die Wahrheit ist, wir wissen es nicht«, gab Sud zu. »Und Merkosh ebenso wenig. Er ist zwar immer wieder mal wach, aber dabei stets nur fahrig und unkonzentriert. Er antwortet nicht oder nur unzusammenhängend auf Fragen, die man an ihn richtet.«

Rhodan beugte sich vor, bis seine Nase fast das Prallfeld der Isoliereinheit berührte, und kniff die Augen zusammen. »Hat er sich da wieder Zeichen auf die Brust gemalt?«

»Das hat er«, bestätigte Sud. »Aber andere als sonst. Ob sie bloß eine andere Bedeutung haben, zu einer anderen Sprache gehören oder ob es sich um pathologische Verzerrungen aufgrund seines Zustands handelt, ist uns leider nicht klar. Auf Fragen danach reagiert er, als registriere er sie überhaupt nicht.«

»Merkosh«, flüsterte Rhodan. »Hören Sie mich?«

Erst glaubte Thora, der Oproner schliefe tief und fest, dann schlug er zu ihrer Überraschung die großen, dunkelgrünen Augen auf. Sie sahen aus wie von Moos oder Algen überzogene Steine in dem kristallklaren Bach, der Merkoshs spindeldürrer Körper war. Man konnte sogar die feinen Fugen und Druckstellen der Liege unter ihm ausmachen.

»Perry«, brachte Merkosh leise hervor. »Wie schön, Sie zu sehen! Wie geht es Ihnen?«

»Wie es mir geht?« Rhodan lachte. »Das wollte ich Sie fragen!«

»Ach ja?« Merkosh sah verunsichert nach links und nach rechts. »Das ist ja interessant ...«

»Merkosh?«, fragte Rhodan besorgt.

»Wohin?«, keuchte Merkosh angstvoll. »Wohin?«

»Ganz ruhig!« Sud schob ihre Hand durch die Energiefelder – bildete sich da eine Strukturlücke? – und in Merkosh hinein.

Es war ein unheimlicher Anblick: Sud war in der Lage, ihre Hände in einen Zustand zu versetzen, der eine Art Phasenverschiebung auf der Quantenebene darstellte – eine Gabe, die jener des Oproners überraschend ähnelte. Und da Merkosh praktisch durchsichtig war, konnte Thora beobachten, wie Suds Hand als geisterhafter Schatten zwischen den Silhouetten der gläsernen Organe umherhuschte.

Es war noch gar nicht lange her, da hatte Thora Suds Gabe sogar am eigenen Leib erfahren. Während der Aktivierung ihres Extrasinns hatte Sud sie stabilisiert.

»Was tust du?«, fragte Thora leise.

»Ich weiß es selbst nicht genau«, gestand Sud. »Ich kann ihn nicht heilen, so wie ich einen Patienten bei einer Operation heilen würde. Aber auf irgendeine Weise stellen wir einen Kontakt auf der Quantenebene her – und es scheint ihn zu beruhigen. Das ist das Mindeste, was ich für ihn tun kann, und ich bin es ihm schuldig. Es hätte nie so weit kommen dürfen.«

Noch während sie sprach, verlangsamte sich der Atem des Oproners, wurde regelmäßiger. Kurz darauf schloss Merkosh die Augen und schlief wieder ein.

»Hat Merkosh irgendwann in den zurückliegenden Tagen die Medostation verlassen?«, fragte Thora den Chefarzt der CREST II.

Der fast zwei Meter große Steflov, der einst ein Schüler von Julian Tifflor gewesen war, schüttelte den Kopf. »Sie sehen doch, dass mein Patient dazu gar nicht in der Verfassung ist.«

»Was ich bei Merkosh sehe und wie die Dinge wirklich liegen, das ist oft zweierlei«, entgegnete Thora. »Für mich sind gerade etwas zu viele Fragen offen. Fragen hinsichtlich seines Zustands ... und hinsichtlich der Schiffssicherheit.«

»Ich erkenne nicht, wo da ein Zusammenhang bestehen sollte«, sagte Steflov. »Merkosh stellt sicherlich keine Gefahr für irgendjemanden da. Es gibt keinerlei Anzeichen, dass das Dunkelleben auf andere Besatzungsmitglieder Einfluss nehmen oder übergreifen könnte. Wir haben die Situation hundertprozentig unter Kontrolle.«

Thora tauschte einen Blick mit Rhodan, der ein ernstes Gesicht machte.

»Dann haben Sie sicher keine Probleme damit, uns die Aufzeichnungen der internen Überwachungssysteme zu zeigen«, sagte Thora.

Steflov runzelte konsterniert die Stirn, und auch Sud blickte verdutzt drein. »Wieso das denn?«, fragte Steflov. »Ohne einen konkreten Verdacht möchte ich die Privatsphäre meines Patienten als schützenswert erachten ...«

Thora seufzte. Es war nicht das erste Mal, dass sie vor einer solchen Mauer stand. Aus irgendwelchen historischen Gründen – wenn die lächerlich kurzen Zeitspannen der terranischen Geschichte das Wort »historisch« überhaupt rechtfertigten – hatten die Menschen ein immenses Problem damit, dass man ihre kostbare Privatsphäre verletzte. Kaum verlangte man einen einfachen Bildbeweis oder besser noch etwas Handfestes, weniger Fälschungsanfälliges, um eine Tat, eine Aussage oder auch nur den Aufenthaltsort einer Person nachzuvollziehen, taten die Menschen so, als wollte man sie und ihre Familie bloßstellen, enteignen und nächsten Dienstag in ein Strafgefangenenlager stecken. Sie warfen mit Gesetzen um sich und schrien und drohten, bis man schlicht die Lust daran verlor, noch irgendwas über sie zu erfahren.

In diesem Fall ist es leider notwendig, drängte ihr Extrasinn.

»Der Verdacht ist konkret. Es gibt Störfälle an Bord, die schwer zu erklären sind – und Merkosh, der gerade alles andere als zurechnungsfähig ist, verfügt über genau die Fähigkeit, um diese Störfälle zu verursachen.«

»Was meinen Sie denn damit?«, bohrte Steflov nach.

»Es wurden Bauteile aus Maschinen, aus Wänden und Böden entfernt!«, rief Thora in dem Tonfall, bei dem die meisten Menschen aufhörten, ihr zu widersprechen. »Und zufällig kann Merkosh in feste Materie vordringen. Ähnlich wie Sud. Also zähle ich eins und eins zusammen ...« Sie tat, als löse sie eine schwere Rechenaufgabe mit den Fingern. »Und komme zu dem Schluss: Entweder er war's ...« Sie zeigte auf Merkosh. »Oder du warst es, Sud.« Die letzte Bemerkung war als Scherz gedacht gewesen, aber offensichtlich war Thora übers Ziel hinausgeschossen, denn Sud trat furchtsam einen Schritt zurück.

Nicht schlecht, kommentierte ihr Extrasinn. Du machst Fortschritte.

»Bitte«, sagte Rhodan. »Sud. Denk daran, was auf der MAGELLAN passiert ist. Als Merkosh die Energiezellen stahl. Wie verwirrt er war. Wir möchten nur ausschließen, dass er unter Einfluss des Dunkellebens nun vielleicht auch die Kontrolle über seine Gabe der Quantenverschachtelung verloren hat – damit wir uns wieder anderen Fragen widmen können.« Er wandte sich an Steflov. »Ich autorisiere den Zugriff auf alle Überwachungssysteme.«

Kopfschüttelnd machte sich der Arzt an einem Positronikpult zu schaffen. Mehrere Anzeigen und Holos erwachten zum Leben: Aufzeichnungen der Medostation, im Schnelldurchlauf.

»Moment mal«, sagte Steflov.

Thora und Rhodan traten näher. Sie sahen ein Bild des Zimmers, in dem sie standen, mit Merkoshs Isoliereinheit darin. Die Kameraaufzeichnung war blaugrau und wirkte dadurch verstörend altertümlich, doch man konnte deutlich die Umrisse des Gläsernen erahnen. Wahrscheinlich ein Wärmebild oder eine andere spezielle Spektralaufnahme. Die Zeitanzeige am unteren Bildrand verriet, dass im Holo in jeder Sekunde mehrere Minuten verstrichen.

»Da!« Steflov spulte zurück und verlangsamte das Video.

»Verdammter Sternenteufel«, hauchte Thora.

Sie sahen, wie Merkosh im Holo von einem Moment auf den anderen verblasste, sich ausdünnte wie Eis, das sich in Wasser auflöst, und dann ganz verschwand. Gleichzeitig erloschen mehrere Anzeigen an seinem Bett.

»Das ist genau, was ich befürchtet habe«, stellte Rhodan grimmig fest.

Merkosh verfügte über die Fähigkeit, sich zwischen die Quanten zurückzuziehen, aus denen die Raum-Zeit bestand. Raum und Zeit befanden sich nicht im Fluss, wie das arkonidische oder menschliche Bewusstsein sie normalerweise wahrnahm, sondern bestanden aus winzig kleinen Elementen, die sich zu endlosen Ketten aneinanderreihten. Die meisten Spezies waren jedoch mental nicht in der Lage, diese kleinsten Einheiten aufzulösen; genauso wenig, wie sie die Punkte eines zusammengesetzten Bilds oder die einzelnen Bilder eines Films erfassten.

Merkosh hingegen vermochte, sich zwischen diese Raum-Zeit-Segmente zu schieben und damit nicht mehr Teil der erfahrbaren Wirklichkeit zu sein. Dann sprachen auch keinerlei Sensoren mehr auf ihn an.

»Er muss die Isoliereinheit sabotiert haben«, schlussfolgerte Thora. »Auch wenn technische Geräte ihn nicht mehr erfassen, sobald er verschwindet, muss doch aufgefallen sein, dass er verschwand.«

Sud schüttelte den Kopf. »Es ist komplizierter. Für die meisten Maschinen ohne Intelligenz stellt es sich eher so dar, dass er ab dem Moment seines Verschwindens niemals vorhanden war.«

Nonsens, empörte sich Thoras Logiksektor.

Sud sah wohl Thoras zweifelnden Gesichtsausdruck. »Es ist nicht wirklich intuitiv«, gab sie zu.

Thora beschloss, sich auf die wesentlichen Fragen zu konzentrieren. »Wie lange war Merkosh weg?«, fragte sie. »Und vor allem – wie oft?«

»Über eine Stunde«, antwortete Steflov zerknirscht und zeigte ihnen den Moment, in dem der Oproner wieder auftauchte. Ein kurzes Blinzeln der großen Augen verriet, dass er wach war, dann schlief er weiter, als ob nichts geschehen wäre.

Steflov spulte weiter vor. »Es gab noch einen weiteren Ausflug in dieser Nacht ... beinahe zwei Stunden lang. Sud, bitte überprüfe die zurückliegenden beiden Nächte.«

Der Arzt sah Rhodan und Thora ratlos an. Augenscheinlich war es ihm unangenehm, seinen Patienten zuvor so in Schutz genommen zu haben. »Es tut mir leid, Kommandantin. Wir hätten Merkosh besser überwachen müssen.«

»Lernen Sie was draus«, sagte Thora kühl.

»Es war nicht damit zu rechnen, dass Merkosh uns so an der Nase herumführt«, verteidigte Sud den Chefarzt.

Thora, die schon vom ersten Tag an ihre Erfahrungen mit Merkosh und seinen Diebestouren gemacht hatte, inklusive der in ihren Kleiderschrank, warf ihr einen strengen Blick zu. Daraufhin arbeitete Sud schweigend weiter.

»Ich fürchte, die Ausflüge fanden auch in den vorigen Nächten schon statt«, sagte Sud nach einer Weile.

»Ich verstehe das trotzdem nicht.« Drogan Steflov schüttelte den Kopf. »Müsste sich Merkosh nicht zwischenzeitlich an seinem Vitron aufladen, wenn er seine Fähigkeit derart intensiv benutzt?«

»Vielleicht hat das Dunkelleben etwas daran verändert«, mutmaßte Rhodan. »Merkoshs Fähigkeiten gesteigert, wie es ähnlich bei Iratio Hondro geschehen ist. Wie auch immer – wir wissen nun, wer für die verschwundenen Bauteile verantwortlich ist.«

»Aber was hat er damit vor?«, rätselte Thora. »Leuchtelemente, Energiezellen, Positronikteile, Kristalle und Schaltkreise ... das ist eine so wahllose Zusammenstellung von Teilen aus grundverschiedenen Geräten.«

»Wenn ich raten müsste«, sagte Sud, »hat er gar nichts damit vor. Es sind einfach die gleichen Anfälle von Kleptomanie wie auf der MAGELLAN oder im MIMERC. Du hattest recht. Merkosh hatte schon immer diese Ader – wir haben ihm mehr als einmal erklärt, dass wir ein Problem damit haben, und er hat seine Leidenschaft aus Rücksicht auf uns im Zaum gehalten. Offenbar ist es mit der Rücksichtnahme nun vorbei. Und das mag durchaus ebenfalls am Dunkelleben liegen.«

»Du meinst, es bringt seine destruktiven Seiten zum Vorschein?«, fragte Rhodan.

»Oder sein Verstand ist einfach so umnachtet, dass er sich nicht mehr rational verhält.«

Alle schwiegen einen Moment.

»Was tun wir jetzt?«, fragte Thora. »Wir haben es schon weit geschafft, aber ein paar Sprünge liegen noch vor uns.«

»Als Erstes informieren wir Darnell und lassen ihn und seine Leute noch einmal sämtliche Kameras und Sensoren der Schiffssektionen überprüfen, in denen Bauteile entwendet wurden«, entschied Perry Rhodan. »SENECAS Augen und Ohren mögen die Diebstähle selbst nicht registriert haben – vielleicht findet sich aber ein Hinweis darauf, wo Merkosh seine Beute hingetragen hat. Denn hier ist sie ja offensichtlich nicht.«

Reflexartig sah sich Thora um, und auch die anderen ließen die Blicke schweifen, ganz als könnte Merkosh sein Diebesgut unter dem Bett versteckt haben.

»Es sei denn, was er stahl, hat ebenfalls nie existiert«, murmelte Thora halb im Scherz.

»Keine Sorge«, versicherte Sud völlig ernst. »Dann könnten wir uns gerade nicht darüber unterhalten.«

Thora Rhodan da Zoltral sah das Mentamalgam an und wusste nicht, ob sie lachen oder schreien sollte.

Da merkte sie auf einmal, dass der Oproner wach war und sie anstarrte.

»Thora! Perry!«, raunte Merkosh. »Wie schön, Sie zu sehen! Sagen Sie ... wie geht es Ihnen?«

Perry Rhodan Neo Paket 24

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