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7.

Aufbruch

Sarah Maas aktivierte ein Kommunikationshologramm. Dabei gähnte sie unverhohlen und ohne sich die Hand vor den Mund zu halten. Die anerzogenen Verhaltensregeln waren durch den Parasiten anscheinend außer Kraft gesetzt.

Perry Rhodan bezweifelte ohnehin, dass die bei den Druuwen irgendwelchen Eindruck geschunden hätten. Für menschliches Miteinander interessierten sich die Piraten ganz sicher nicht.

Ihm brannten so viele Fragen auf der Zunge, aber er durfte sie nicht stellen. Er musste einen anderen Weg finden, um Antworten zu erhalten. Eine Gelegenheit bot sich sicherlich noch. Es sei denn, die Unterkünfte würden allesamt mit Sperrgittern versiegelt und zu echten Gefängnissen.

Erneut gähnte Maas herzhaft, bevor sie sagte: »Rufus Darnell aus der Maschinensektion meldet sich.«

»Eine Frage, bevor Sie durchstellen«, beschied Zakhaan Breel. »Dieses Mundaufreißen, was hat das zu bedeuten?«

»Sie ist sehr müde«, kam es von Gabrielle Montoya, die sich anscheinend für solche Informationen verantwortlich fühlte. Etwas von der Ersten Offizierin war noch in ihr verblieben. »Die Tagschicht beginnt bald, und sie hat zwei Schichten durchgearbeitet.«

»Verstehe. Geetz, fühlen Sie sich schon in der Lage, die Station zu bedienen?«

»Ja, Sir.« Mit Sicherheit sprach der Druuwe seinen Vorgesetzten mit einem anderen Ehrentitel an als mit dem in der Terranischen Flotte üblichen »Sir«. Aber das fortwährend aktive Translatorsystem der CREST II übertrug die fremde Sprache automatisch ins Englische.

»Gehen Sie, Maas. Begleiten Sie den Wachmann an der Tür, er bringt Sie zu einer Unterkunft. – Wer hätte nun Dienst?«, fragte er Montoya.

»Normalerweise Maas, aber in dem Fall sollte wohl die zweite Schicht übernehmen. Das wäre dann Arnas Darmuni.«

»Oinyin, sobald Sie Maas abgeliefert haben, treiben Sie Arnas Darmuni auf und kommen Sie zurück.«

Mit regloser Miene und leerem Blick verließ Maas ihren Platz. »Ich bin auch hungrig«, stellte sie fest.

»Sie können sich frei bewegen. Essen Sie, trinken Sie, gehen Sie schlafen – ganz, wie Sie es gewohnt sind. Wir wollen Sie bei bester Gesundheit erhalten.« Breel war nicht fürsorglich, es war eine Anweisung gewesen, damit Maas auch wirklich ihren Grundbedürfnissen nachkam.

Rhodan begriff, dass die Halteparasiten den eigenen Willen komplett unterdrückten. Ohne Befehl wurde nichts unternommen.

Der Druuwe Geetz nahm Maas' Platz ein und schaltete die Verbindung frei.

Rufus Darnell wurde im Komholo sichtbar, sein Antlitz war genau wie bei allen anderen von Flechtwerk und Moos überzogen. Deshalb störte er sich wohl auch nicht an der Wartezeit, denn normalerweise hätte er sich beschwert. Neben ihm stand ein Druuwe, der ihn offensichtlich unter Kontrolle hielt.

»Das Schiff ist startbereit«, verkündete der Chefingenieur. »An den Waffensystemen müssen wir noch arbeiten. Aber das können wir unterwegs erledigen.«

»Gut, Sie bekommen Unterstützung.« Breel wandte sich an Montoya. »Sie sind die Erste Offizierin, richtig?«

»Das ist korrekt.«

»Haben wir einen Piloten?«

»Hamza Obafemi Azikiwe. Er hat jetzt Schicht.«

»In Ordnung, ich lasse ihn holen. Und alle anderen, die benötigt werden, Astrogator und so weiter. Ich stelle Gochuuwa an Ihre Seite, weisen Sie ihn in Ihre Arbeit ein. Danach haben Sie schichtfrei, denn Sie sind auch müde, alte Frau. Denken Sie nicht, ich könnte das nicht erkennen. Es ist mir unverständlich, dass Sie sich noch nicht freiwillig in die Finsternis gestürzt haben. Ist es dieses unwürdige Leben wirklich wert?« Breel gab sich die Antwort gleich selbst: »Das werden wir herausfinden. Deshalb lasse ich Sie auch vorerst am Leben.«

Er wirkte zufrieden. »Sobald wir uns gründlich genug mit der Schiffsführung auskennen, werden Sie nicht mehr benötigt und sich nur noch in der Wohnsektion aufhalten, bis Sie anderweitige Befehle erhalten.«

Breel blickte Thora an. »Sie werden als Kommandantin nicht gebraucht – und ebenso wenig Sie«, ergänzte er an Rhodan gerichtet. »Gehen Sie!«

Einerseits wollte Rhodan lieber in der Zentrale bleiben, um Zakhaan Breel unter Beobachtung zu halten. Andererseits konnte er nun endlich wagen, sich mit Thora auszutauschen, sobald sie unter sich waren.

Es behagte ihm nicht, Gabrielle Montoya allein zurückzulassen, doch er hatte keine Wahl. Von Druuwen bewacht, verließen Perry Rhodan und Thora Rhodan da Zoltral die Zentrale.

Rhodan wollte sich nicht ausmalen, was in seiner Frau vor sich ging. Für sie musste diese Situation weitaus schlimmer sein als für ihn. Als Schiffskommandantin ihren Leitstand aufgeben, die CREST II Piraten überlassen zu müssen ... das brachte ihr arkonidisches Temperament sicherlich hart an die Grenzen. Und sie durfte ihrem Zorn nicht mal Luft machen.

Beinahe hätte er nach ihrer Hand getastet, doch er ließ es gerade noch sein. Zuerst mussten sie beobachten, wie sich die anderen verhielten, bevor sie irgendeine Geste riskieren konnten.

Sie wurden zur Wohnsektion geführt. Der Druuwe öffnete eine Zweier-Unterkunft. »Die ist für Sie.«

»Keine Trennung?«, entfuhr es Rhodan, und er hätte sich auf die Zunge beißen mögen.

Doch der Druuwe wurde nicht misstrauisch. »Die Ware soll in bestmöglichem Zustand ans Ziel gelangen. Breel hat eine Verbindung zwischen Ihnen beiden festgestellt, das fördert die Halteparasiten positiv und vermeidet Stress. Es optimiert den Preis. Und das ist alles, was zählt.« Er wies auf den Zugang. »Sie können sie schließen, aber nicht verriegeln.«

Und damit wurden sie sich selbst überlassen.

Rhodan legte den Finger an die Lippen, sobald sie die Unterkunft betreten hatten, ließ die automatische Tür zufahren und zog Thora anschließend in die Hygienezelle. Der einzige Ort, zu dem nicht mal SENECA Zugang hatte, weder optisch noch akustisch. Es gab eine autarke Mikropositronik, die sich automatisch aktivierte, sobald ein bedrohlicher Zustand eintrat, doch sie hatte eine reine Medofunktion.

»Unser gemeinsames Duschen habe ich mir aber romantischer vorgestellt«, bemerkte Thora.

Statt einer Antwort nahm Rhodan sie fest in die Arme und küsste sie. »Ich dachte wirklich für einen Moment, es wäre vorbei«, murmelte er.

»Ich auch.« Sie schmiegte sich an ihn. »Wir werden das nicht zulassen.«

»Ganz bestimmt nicht.« Er strich über ihre moosbedeckte grüne Wange. »Wie geht es dir damit? Hast du Kopfschmerzen?«

»Nein, gar nichts. Mein Extrasinn gibt natürlich seine Kommentare ab, aber ich ignoriere ihn. Allerdings juckt es erbärmlich. Deshalb werde ich dagegen sofort etwas unternehmen.«

In den nächsten Minuten beschäftigte sie sich damit, wenigstens einen Teil des Geflechts loszuwerden – ohne Erfolg. Eine Behandlung gegen das Jucken brachte auch kaum etwas.

»Vielleicht lässt es irgendwann nach«, hoffte sie resigniert.

»Da wir nichts zu tun haben, werden wir uns umsehen«, schlug Rhodan vor. »Und etwas essen.«

»Und planen«, fügte Thora grimmig hinzu.

Die Druuwen fanden sich schnell zurecht. Trotz ihres grobschlächtigen Auftretens und der körperlichen Beeinträchtigungen, einschließlich des permanenten Medikamentenrausches, verfügten sie über einen analytischen Verstand. Sie waren ausgebildete Raumfahrer, die sich schnell anpassen konnten.

Die gesamten Geheimnisse der CREST II würden sie nicht in wenigen Tagen ergründen können. Doch in Zusammenarbeit mit dem Zentralepersonal schafften sie es, den Raumer zu starten und sicher in den Weltraum zu bringen.

Zakhaan Breel hatte die Wachmannschaften und Roboter auf ein Minimum reduziert und den Rest zu seiner Flotte zurückgeschickt, die das erbeutete Raumschiff flankierte. Ein zahlenstarkes Prisenkommando war nicht erforderlich.

Die terranische Mannschaft war nicht im Geringsten in der Lage, einen Widerstand zu formieren. Der Anführer der Druuwen hatte per Rundrufanlage allen den Befehl gegeben, den üblichen Dienstplan einzuhalten, sich vorschriftsmäßig zu kleiden, ausreichend zu schlafen, Nahrung zu sich zu nehmen, und sich ein wenig im Arboretum, das Bestandteil der großen Messe war, zu erholen. Das erste Ziel sei nicht fern.

Das erste Ziel? Ein paar wenige gab es, die bei diesen Worten aufhorchten und sich fragten, was das zu bedeuten haben mochte. Es ging also zunächst zu einer Zwischenstation ... und dann?

»Dann müssen wir verhindern, dass die Reise weitergeht«, beschloss Thora Rhodan da Zoltral fest. »Denn am zweiten Ziel befürchte ich das Schlimmste.«

Perry Rhodan gab ihr recht. Wenngleich er nach wie vor keine Idee hatte, was genau die Druuwen mit rund zweitausend Menschen vorhaben konnten. Sie als »Ware« zu bezeichnen, verhieß nichts Gutes – gab jedoch keinerlei Hinweis.

Hoffentlich nahmen die Besatzer am Zwischenziel nicht die CREST II auseinander und schlachteten sie aus. Ressourcen waren im Contagiat sicherlich heiß begehrt. Allein schon die Zerteilung des Raumers würde Breel ein unermessliches Vermögen einbringen. Zweifellos würde er damit zum erfolgreichsten Piraten des Sektors aufsteigen. Aber anscheinend erwartete er sich einen noch besseren Profit, denn Rhodan hatte den Eindruck, dass Breel hauptsächlich an der Besatzung interessiert war. Falls er mit der »Ware« genug einnahm, behielt er die CREST II vielleicht sogar als Flaggschiff, was ihn wohl den meisten Räuberbanden überlegen machen würde.

Die Menschen konnten sich innerhalb der Unterkunft- und Freizeitsektion völlig ungehindert bewegen. Nur gelegentlich patrouillierten Wachen, ansonsten gab es keinerlei Einflussnahme. Die Druuwen verließen sich auf ihre Halteparasiten – zu Recht. Sie wirkten absolut zuverlässig und zu hundert Prozent.

Die Piraten konnten zum Glück nicht wissen, dass sich zwei Unsterbliche an Bord befanden, die immun waren.

Und zwei Mutanten mit Winterschlaf-Zellaktivatoren.

Die Freude war groß, als Rhodan und Thora in der großen Messe John Marshall und Josue Moncadas wiederfanden. Da es dort ein ständiges Kommen und Gehen gab, fiel nicht weiter auf, wenn sich eine Gruppe gezielt an einem Tisch zusammensetzte.

Glücklicherweise herrschte kein vollständiges Schweigen. Auch die Beeinflussten wählten ihre Sitzplätze instinktiv so, dass sie mit Vertrauten zusammensaßen, und ab und zu wurde über die Dienstpläne gesprochen. Wobei das für die meisten – ohne dass es ihnen bewusst war – eine Farce war. Denn abgesehen von der Zentralemannschaft durften nur wenige die Sektion verlassen – zumeist Wartungsmonteure, Techniker oder Ingenieure. Die Reparaturarbeiten indes gingen weiter, und auch Rufus Darnell hatten Thora und Rhodan schon gesichtet.

Thora versuchte, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Doch der Chefingenieur war ebenso beeinflusst wie alle anderen und gab nur wenige Worte von sich, die sich ausschließlich auf seine Arbeit bezogen.

»Tunnelblick«, konstatierte Rhodan.

In diesem Moment traten zwei Freunde an den Tisch und ließen sich mit ihren Tabletts bei ihnen nieder. Marshall und Moncadas waren im Gesicht gleichfalls grün bemoost, doch ihr Blick verriet jede Menge Energie. So groß die Freude der vier auch war, sie durften sie nur stumm bekunden, durch ein kurzes, angedeutetes Lächeln. Sie setzten einander in kurzen Worten wechselseitig über den Stand der Dinge in Kenntnis.

»Die haben uns nach der Verhaftung der Bequemlichkeit halber alle zusammen in ein Quartier gesteckt«, berichtete Marshall. »Zum Glück haben wir rechtzeitig mitbekommen, was das Zeug mit den anderen macht.«

»Wofür so ein Winterschlaf-Zellaktivator doch gut ist!«, bemerkte Moncadas leise zwischen zwei Bissen.

»Habt ihr etwas herausfinden können?«, fragte Rhodan. »Was die mit uns vorhaben?«

»Das noch nicht, aber die Wächter, die uns weggebracht haben, haben darüber gestritten, wer von ihnen den Anteil des Akschias kassieren würde. Wir waren so ziemlich die Ersten, die geschnappt wurden – keine sehr rühmliche Story.« Marshall grinste leicht. »Zu dem Zeitpunkt waren wir noch nicht kontaminiert, und ich konnte allmählich Lippen und Zunge wieder bewegen und die Stimmbänder einsetzen. Also habe ich einfach gefragt, was denn dieses Akschia sei, denn ich wüsste bestimmt, dass ich kein solches bei mir hätte.«

»Und ich sagte ihnen, dass mein Akschia schon Zakhaan Breel versprochen sei«, fügte Moncadas hinzu. »Daraufhin haben sie uns ordentlich eins übergezogen, um uns zum Schweigen zu bringen. Aber die Erklärung haben wir trotzdem erhalten.«

»Ja, es ist so eine Art Konzept, das man auf uns bezogen mit Persönlichkeit oder individueller Ausprägung bezeichnen kann.« Marshall trank einen Schluck und ließ seinen Blick schweifen. Keine Druuwen weit und breit, Menschen kamen, Menschen gingen. Niemand beachtete sie.

»Ak bedeutet Körper, Schia habe ich als Seele übersetzt, die nach dem Tod zum Anfang der Zeit zurückkehrt und die ewige Reise zur Vollkommenheit antritt.«

Moncadas nickte. »Dadurch, dass wir besiegt wurden – sprich, wir haben uns ergeben, ob kampflos oder nach einer Niederlage spielt keine Rolle –, haben wir alle unser Akschia auf den Sieger überschrieben. Wir gehören damit Zakhaan Breel, er bestimmt über Leben und Tod.«

»Davon träumt er!«, empörte sich Thora.

Marshall fuhr fort. »Das Akschia kann wieder freigegeben werden. Dabei wird demjenigen, der befreit werden soll, ein tiefer Schnitt in der Brust beigebracht. Wahrscheinlich in der Nähe des Herzens, wenn sie organisch ähnlich aufgebaut sind wie wir. Unter Druuwen nennt man das Ehrenschuld oder die Freigabe davon, bei Außenstehenden nennt man das zwar nicht direkt Sklaverei, es ist aber nichts anderes. Außenstehende werden nämlich in der Regel nicht freigegeben. Die bringen schließlich Profit. Und die Piratenmannschaft erhält einen Anteil daran. Und damit sind wir wieder am Anfang, bei uns. Die Druuwen, die uns geschnappt hatten, hielten das noch für eine Großtat und wollten einen Sonderanteil. Zu dem Zeitpunkt wussten sie nicht, dass wir zweitausend Leute sind. Das senkt den Preis, aber dafür bleibt vom Erlös für alle was übrig.«

Thora gab ein Zähneknirschen von sich. Sie musste das, was sich in ihr aufstaute, wenigstens auf diese Weise loswerden.

»Dass Breel uns verkaufen will, habe ich befürchtet, seit diese an und für sich skrupellosen Druuwen bei den Kämpfen niemanden getötet haben und die Halteparasiten angesetzt wurden«, offenbarte Rhodan. »Er sprach zudem ständig von Besitz und Ware. Aber ich frage mich, wer für uns bezahlen wird – und wofür? Wozu sollen wir eingesetzt werden, was erwartet man von uns?«

»Ich würde diese Frage gern beantworten, doch die Druuwen interessieren sich nicht für unsere Physiologie.« Eine zierliche Frau mit fast schwarzen Haaren setzte sich zu ihnen. Das rotmetallische Intarsium, das sich von der Schläfe bis in die Stirn zog, war von einem grünen Schimmer überzogen, wie oxidiertes Kupfer. Die Flechten auf ihren Wangen glänzten seltsam metallisch, bedeckt von einem zarten Flaum.

»Sud!«, flüsterte Thora begeistert. »Du bist auch frei?«

»Dank meiner Superkraft: permanente Selbstheilung.« Das Mentamalgam zwinkerte. »Drogan Steflov ist bedauerlicherweise komplett im Griff des Parasiten. Aber die Zusammenarbeit funktioniert trotzdem. Wir können frei agieren. Das medizinische Personal kommt seinen Aufgaben ganz normal nach, sobald es gefordert ist.«

»Du sagst, die Druuwen wollen nichts über uns wissen?«, wunderte sich Rhodan. »Sie rufen keine entsprechenden Daten ab?«

»Nichts. Merkwürdig, nicht wahr? Schließlich ist ihnen unsere Spezies vollkommen fremd. Ich konnte deswegen leider nichts über ihre Pläne in Erfahrung bringen. Zum Glück interessieren sie sich auch nicht für das verdunkelte Vitron. Ich glaube, sie wissen nicht mal, was das ist. Merkosh ist also vorerst sicher.«

»Wenigstens etwas. Hat irgendeiner von euch von Gucky gehört, seit er sich davongemacht hat?«, fragte Rhodan besorgt.

»Er versteckt sich wie angeordnet auf der CRISTOBAL«, antwortete Marshall. »Er kann sich dort gut versorgen und wird auf deinen Ruf warten, Perry.«

Rhodan nickte. Genau wie Marshall zuvor beobachtete er unablässig die Umgebung. Es wäre eine Katastrophe, würden sie in dieser Lage auffliegen.

»Ich muss gleich wieder los, aber ich wollte euch etwas Wichtiges mitteilen«, sagte Sud. »Ich habe Gabrielle bei mir.«

Das ließ auch Thora aufhorchen. »Was ist geschehen?«

»Nichts.« Sud machte eine beschwichtigende Geste. »Zakhaan Breel hat ihre Untersuchung verlangt, ob sie in guter körperlicher Verfassung ist, weil er wegen ihres Alters nicht sicher ist, ob er sie aus der Luftschleuse werfen soll oder sie doch von Wert ist.«

»Dann ist sie bei dir vorerst sicher?«, hoffte Rhodan.

»Nicht nur das. Ich habe deutlich gemacht, dass die Untersuchungen dauern, und diesen Freibrief zum Anlass genommen, sie als Versuchskaninchen zu verwenden, wie ich uns von dem Parasiten befreien kann.« Sud lächelte schwach. »Ihr werdet sicherlich einen Weg finden, um auf die Medostation zu kommen, dann könnt ihr sie besuchen.« Sie zuckte die Achseln. »Ich muss mich sehr langsam vorarbeiten, aber ich bin sicher, dass ich es schaffen werde.«

»Das wäre großartig«, freute sich Thora.

»Ja, aber leider kein Grund zur Euphorie. Medikamentös habe ich bisher gar nichts erreicht. Und eine direkte Behandlung mit meinen Parakräften ist sehr anstrengend. Ich kann das ohnehin nicht bei allen machen, sollte es gelingen. Wenn meine Strategie aber aufgeht, müsste zumindest bei Gabrielle in den nächsten ein oder zwei Stunden eine Besserung eintreten.«

»Es ist ein Anlass zur Hoffnung«, meinte Rhodan. »Der erste Lichtblick. Weitere werden folgen.«

Sud erhob sich. »Ich muss los.« Ihr Gesicht verlor jeden Ausdruck, während sie mit dem Tablett dem Ausgang zustrebte.

Marshall und Moncadas standen ebenfalls auf. »Wir gehen ins Arboretum und tüfteln dort weiter an einer Strategie, da wir nicht für irgendwelche Arbeiten eingeteilt sind.«

Rhodan beachtete sie nicht mehr und konzentrierte sich auf die Reste auf seinem Teller, denn er sah im Augenwinkel zwei Druuwen durch die Reihen patrouillieren.

Die beiden Mutanten drehten sich ebenfalls nicht mehr um, sondern schlugen schleppenden Schrittes den Weg Richtung Arboretum ein.

»Dann sollten wir unverzüglich in die Medostation gehen«, murmelte Thora, über ihren Teller gebeugt.

»Ja.« Rhodan schob den Teller weg und trank bedächtig seinen Becher leer.

Es war bedrückend zu sehen, wie die vielen Menschen ringsum sich hin und her bewegten, mit und ohne Tablett, die Gesichter leer und die Augen stumpf. Unter normalen Umständen wäre es in der Messe zugegangen wie im Tollhaus: Gelächter, Platzstreitigkeiten, lebhafte Unterhaltungen. Die Luft wäre von Energie durchdrungen gewesen.

Weiter hinten entdeckte Rhodan die Zwillinge Sianuk und Bumipol na Ayutthaya, die Chefwissenschaftler der CREST II, die das Abwehrmittel gegen die Phygen entwickelt hatten. Sie wirkten eingefallen und schleppten sich leicht gekrümmt dahin, die Haut bleich, was den Kontrast zu den Halteparasiten verstärkte.

Kaum mehr wiederzuerkennen – genau wie die anderen Führungsoffiziere, die sich im Laufe der Zeit zeigten.

Der Gedanke an das Schicksal, das ihnen allen drohen mochte, schnürte Rhodan die Kehle zusammen. Immer wieder war er versucht, Gucky zu rufen, aber der Zeitpunkt war noch nicht gekommen. Er durfte sich keinerlei Fehler erlauben. Sie waren zu einem unbekannten Ziel unterwegs, umgeben von einer Feindflotte. Selbst mit voll intakten Schutzschirm- und Waffensystemen würde er derzeit nicht wagen, jetzt einen Befreiungsversuch zu unternehmen.

»Sollten wir irgendwie versuchen, in die Zentrale zu gelangen, um Breel gefangen zu nehmen?«, murmelte Thora, während sie sich mit einer Serviette die Lippen abtupfte.

Immer wieder war Rhodan fasziniert, wie sehr sie seinen Gedanken folgen konnte.

Die beiden Druuwen waren weitergezogen und hielten sich mittlerweile im hinteren Teil der Halle auf, in der Nähe des Arboretums.

»Darüber habe ich auch schon nachgedacht.« Rhodan gähnte absichtlich unverhohlen. Ein paar Stunden Ruhe konnten nicht schaden.

»Und du bist zu dem Schluss gekommen, dass wir nicht wissen, welche Bedeutung er für seine Leute hat«, erriet Thora seine Gedanken. »Ob sie froh wären, ihn los zu sein, und einfach jemanden anderen an seine Stelle setzen. Oder ob Breel durch die Gefangennahme sofort sein Akschia an uns verliert und sich damit ohnehin keiner mehr für ihn einsetzen würde.«

»Etwa in der Reihenfolge. Wir wissen nicht, wer sich auf dem Hauptschiff der Druuwen aufhält – ob Zakhaan noch jemanden über sich hat, der ebenfalls ein Breel ist. Dass er auf der CREST II die ganze Zeit als Wortführer auftritt, heißt nicht, dass er auch das Oberhaupt seiner sogenannten Familie ist. Er könnte einfach nur ein General sein.«

Thora schwieg eine Weile. Dann beharrte sie: »Wir müssen trotzdem in die Zentrale gelangen und sie besetzen. Anders funktioniert es nicht.«

»Dem stimme ich zu.« Rhodan musterte sein Komarmband. Die ganze Zeit über war er nicht auf den Gedanken gekommen, nachzusehen, ob er noch eine Mitteilung bekommen hatte, bevor die Injektionen gesetzt worden waren. Vielleicht sogar von Gucky, so ungewöhnlich das auch wäre. In einem plötzlichen Impuls aktivierte er das Gerät – und erstarrte.

»Nakamura hat vorausgedacht«, flüsterte er. »Er und seine Leute haben während ihrer Flucht überall kleine Depots mit Kampfanzügen und Waffen angelegt. Ich habe gerade das Verzeichnis der Verstecke bekommen.« Er wagte es, seiner Frau das Gesicht zuzuwenden. »Damit können wir Sabotage betreiben und für Ablenkung sorgen, sodass wir tatsächlich in die Zentrale gelangen könnten!«

»Dann sollten wir überlegen, wann wir loslegen – und mit wem«, sagte Thora. »Am besten nach der Ankunft am ersten Ziel, sobald Breel von Bord geht und abgelenkt ist.«

»Aber zu welchem Zeitpunkt werden wir dort ankommen, und wie viel Zeit bleibt uns für die Planung?«

Rhodan blinzelte irritiert, als er plötzlich einen rostroten Vorhang vor Augen hatte, der hin und her schwang, während sich jemand ihm gegenübersetzte und seine Haarmähne, die ihm vors Gesicht fiel, zurückwarf. Ein hagerer Mann von beachtlicher Größe mit rostrotem Bart, der einen Teil des kontrastierend grünen Parasitengeflechts verdeckte. Mentro Kosum!

»Sind Sie ... in Ordnung?«, fragte Thora zögernd.

»Nicht so wie Sie, aber ... ja, ich bin ziemlich frei.« Der Cyboraner zeigte kurz ein breites Grinsen. »Ich habe eben Marshall getroffen, und der hat mich hergeschickt. Wenn man auf so engen Raum beschränkt ist, ist die Welt klein.«

Rhodan musterte Kosum prüfend. Der Blick des Emotionauten wirkte etwas unstet, als könne er nicht richtig fokussieren, ab und zu zuckten die Lider über den unnatürlich strahlend grünen Augen. »Sie ... müssen kämpfen ...«

Kosum nickte. »Permanent. Ich habe das Gefühl, als würde mein Gehirn ständig angebohrt. Aber mit Kopfschmerzen kann ich leben, die habe ich auch so oft genug.«

»Sie schaffen das mit Ihrer besonderen Begabung ...«

»Und dem Emotionautentraining, ja, natürlich. Zuweilen muss ich meine Gedanken festhalten, weil sie irgendwohin in der grauen Masse versickern wollen, weswegen meine Konzentration schlechter ist als sonst. Knüttelverse sind momentan nicht drin.«

»Welch ein Glück«, konnte sich Thora nicht zurückhalten.

»Ich werde es nachholen, Kommandantin, versprochen. Jedenfalls kann ich diese Scheißparasiten einigermaßen im Zaum halten.«

Rhodan deutete auf Kosums Gesicht. »Ihr Befall ist weniger ausgeprägt als bei uns Immunen.«

»Das liegt daran, dass ich hyperadrenalin bin, also ständig auf Hochtouren laufe, und meine Haut infolgedessen meistens mit einer Gänsehaut überzogen ist.« Er zeigte seinen unbedeckten Unterarm, auf dem die Härchen aufgestellt waren. »Das finden die Mistviecher wohl unangenehm, was mir einiges an Hirnbohrungen erspart, denke ich.«

»Und schon haben wir einen Mitstreiter mehr«, freute sich Rhodan. »Wir können Ihre Hilfe wahrhaft gebrauchen, wenn es uns gelingt, zu fliehen.«

»Mit der CREST II oder ... einem anderen Schiffchen?«

»Versuchen wir es zunächst mit der CREST II, damit wir alle mitnehmen können.«

»In Ordnung, Mister Rhodan. Ich bin in Wartestellung.« Er gab seine Unterkunft an, die er sich mit Nakamura teilte. »Ich habe ihn gesehen, als sie ihn hergeschleift haben, er war schon übernommen worden, und sie haben ihn zu mir gebracht, weil ich ohnehin schon in der Tür stand. Ich war da, es war Platz, und ich war noch unbeeinflusst. Sie fanden es praktisch, mich dadurch gleich behandeln zu können. Sie meinten, wir wären ohnehin nicht lange genug unterwegs, als dass wir viel Ruhe hätten, also wäre es egal, wer mit wem zusammengesteckt würde. Und dann knallten sie mir die Injektion rein.«

»Dieses ominöse erste Ziel muss demnach recht nahe sein – also bleibt uns nicht viel Zeit zur Planung«, stellte Thora fest.

»Ich melde mich.« Rhodan deutete auf Kosums Multifunktionsarmband. »Dass sie uns diese Dinger gelassen haben, werden die Druuwen nicht noch einmal übersehen. Daher sollten wir nur im Notfall darauf zurückgreifen.«

»Nun, so was wie uns kennen sie nicht ... also dass es Immunitäten gegen den Halteparasiten gibt«, erinnerte ihn Kosum. »Wahrscheinlich ist so etwas noch nie vorgekommen – warum sollten sie also an alle Möglichkeiten denken? Dazu müssten sie ihnen erst in den Sinn kommen.« Er stand übergangslos auf und ging mit hängenden Schultern und schlurfendem Gang von dannen.

Die beiden Druuwen patrouillierten auf der anderen Seite entlang wieder Richtung Ausgang. Perry Rhodan und Thora Rhodan da Zoltral verließen ihre Plätze; sie hatten sich lange genug aufgehalten und würden sich durch weiteres Verweilen womöglich verdächtig machen.

Perry Rhodan Neo Paket 24

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