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12.

Sukar Masir

Die Station nahm inzwischen das gesamte Blickfeld ein und rückte immer näher heran, bis nur noch ein Bereich zu erkennen war: der vorgesehene Landeplatz auf einer winzigen Plattform. Drei andere Fähren parkten dort bereits, viel mehr Platz war ohnehin nicht vorhanden. Von benachbarten Plattformen hoben soeben mehrere weitere Zubringerboote ab, die trotz unterschiedlicher Bauweisen erkennbar die gleiche Funktion hatten. So vielfältig ihre Detailoptik war, so einheitlich zweckmäßig wirkten diese kleinen Transportmittel.

»BR-1, wir übernehmen jetzt die Anflugsteuerung.«

»Station, die Steuerung ist übergeben.«

Ein Traktorstrahl ergriff die Personenfähre und zog sie zu der Plattform. Ringsum herrschte zunehmend dichter Start- und Landeverkehr, hinzu kamen größere Raumschiffe, die eine Andockgenehmigung erhalten hatten.

»BR-1, bereit für die eigenständige Landephase.«

»Station, bin bereit.«

Die Fähre schwebte bereits nah über der Plattform. Der Pilot übernahm die Steuerung wieder selbst, hatte aber nicht viel mehr zu tun, als das Boot mithilfe des Antigravs langsam abzusenken und dann sanft auf den Landestützen aufzusetzen.

Sofort fuhr vom Stationsrumpf ein Schleusentunnel aus, der am Ausgangsschott der Personenfähre andockte und sich anpresste. Nach kurzer Zeit verkündete ein trompetendes Geräusch, dass die Atmosphäreflutung und der Druckausgleich sowie die Anpassung der künstlichen Schwerkraftvektoren abgeschlossen waren, ebenso die künstliche Schwerkraft hergestellt.

»Willkommen auf Sukar Masir«, erklang eine automatische Begrüßung, begleitet von einem Fanfarenklang, als wäre man überrascht, wie glatt alles verlaufen war.

Der Pilot fuhr die Bordsysteme herunter, löste die mechanischen Sesselgurte und stand auf. »Sie können mich jederzeit erreichen«, sagte er zu Zakhaan Breel, der sich ebenfalls erhob und zum Schott trat, das sich selbsttätig öffnete.

»Ich werde mich melden«, erwiderte der Druuwe. »Halten Sie sich in jedem Fall in der Nähe auf, sodass wir notfalls schnell starten können.«

Rhodan ergriff Guckys Hand, und sie teleportierten.

Gucky hatte die Umgebung während der Landung telepathisch sondiert und festgestellt, dass der Schleusenausgang direkt in die Ankunftshalle führte. Einreiseformalitäten, Kontrollen oder Zoll gab es nicht. Man hatte sich vorher angemeldet und legitimiert, das genügte. Verbotene Substanzen waren begehrtes Handelsgut und wurden deshalb nicht überprüft. Überhaupt schien es kaum automatische Überwachungssysteme zu geben.

Perry Rhodan überraschte das nicht. Der Oproner Merkosh hatte sich zwar, seit er vor anderthalb Jahren bei Olymp aufgetaucht war, beharrlich wortkarg verhalten, was Auskünfte über das Omnitische Compariat anging, aus dem er stammte. Aber die Menschen hatten sich nach und nach dennoch einiges zusammenreimen können und sowohl im Zuge der FANTASY-Mission als auch seit der Kaperung der CREST II durch die Druuwen etliche Informationen gesammelt.

Im Contagiat wurde wohl niemand abgewiesen, der es irgendwie auf eine der Raumstationen schaffte. Sei es als blinder Passagier oder als Schiffseigner – für irgendwas war jeder gut. Allgemeingültige Ausweisinstrumentarien oder -dokumente, um die Identität von Personen belegen zu können, waren im Contagiat ohnehin sinnlos, da es in diesem mit Dunkelleben verseuchten Raumsektor keine Staatsformen und somit auch keine Staatsgewalt gab. Die Beherrscher einer Handelsstation würden sich hüten, ihre Besucher, auf deren Waren sie angewiesen waren, allzu offensichtlich auszuspionieren und damit zu verärgern. Denn ihr Einfluss reichte kaum weiter als über ihre Stationsgrenze hinaus.

Auch wenn sich die Stationsinhaber oder Handelsfürsten wie Könige vorkommen mochten, beherrschten sie doch jeder nur ein Reich voller Verlorener. Alle waren Aussätzige, die sonst nirgendwohin konnten. Wer einmal im Contagiat gestrandet oder sogar dort geboren war, hatte keinerlei Chance mehr, jemals in die unverseuchten Regionen des Compariats zu gelangen. Also war jeder vom anderen abhängig.

Alle, ob arm oder reich, krank oder gesund, vereinte der Zustand der Verbannung. Es trennte sie lediglich der Grad ihrer Verzweiflung und der jeweilige Status in der inoffiziellen oder selbst aufgestellten Hierarchie. Wie in jedem sozialen Gefüge waren Macht und Reichtum ganz oben und ermöglichten die Unterdrückung aller anderen. Wer im Contagiat von Gesetzen sprach, meinte selbst entworfene Regeln. Zum Richter konnte sich jeder aufschwingen, der genug Einfluss besaß.

Deshalb wurde beispielsweise nicht jeder Mord überall auf dieselbe Weise geahndet und mit derselben Strafe belegt. Manche Hungernden wurden wegen eines einfachen Brotdiebstahls zu lebenslanger Sklaverei verurteilt, während etwa ein Reeder, der Tausende Beschäftigte hatte und ausreichend »Steuern« bezahlte, sogar bei einem Kapitalverbrechen mit einer milden Strafe davonkam.

Wobei das nicht heißen musste, dass dies dem besagten Reeder überall gelang. Hatte er seine Tat dummerweise in einem System begangen, in dem er keinerlei Einfluss hatte, konnte es ihm durchaus passieren, dass er sich nur wenig später auf demselben Sklavenmarkt wiederfand wie der arme Brotdieb.

Vergleichbare Strukturen kannte Rhodan auch aus historischen Epochen der Erde. Selbst in seinem Geburtsland hatte es solche Zeiten gegeben, wie etwa zur nostalgisch verklärten Zeit des »Wilden Westens«, wenn ein zuvor mittelloser Verurteilter wie Roy Bean nicht nur Saloonbesitzer wurde, sondern sich auch noch zum Richter aufschwingen konnte. Wobei Bean sogar eine der wenigen eher positiven Figuren in jenen anarchistischen Zeiten gewesen war, da er niemals ein Todesurteil vollstreckt hatte.

Zumeist verliefen solche selbstgerechten Gerichtsbarkeiten jedoch weniger nachsichtig und glimpflich, die Strafen waren häufig grausamer als die Taten selbst.

Bei all dem vergaßen die Herrschenden oft, dass sie nicht weniger Gefangene waren als die Unterdrückten. Sie hatten keine Aussicht, jemals frei zu sein, zu gehen, wohin sie wollten. Oder sie vergaßen es nie und suchten deshalb nach einem Ventil für ihre Frustration.

So verhielt es sich vermutlich auch mit den Betreibern von Raumstationen wie Sukar Masir. Im Contagiat, wo es niemanden ohne Schmerzen gab, waren Wörter wie Gnade, Milde, Vergebung fremd oder nicht mal in Sprachschatz enthalten. Das gesamte Dasein, selbst eines Reichen, der keine Not leiden musste und sich alles Essen und jede Droge zur Schmerzbekämpfung leisten konnte, war vom Dunkelleben dominiert, das niemanden verschonte und seinen Opfern jegliche Hoffnung raubte, dass es jemals besser werden könnte.

Es sei denn ...

... es kamen zufällig Menschen vorbei, die kein Dunkelleben in sich trugen und gesund waren, ein Wunder seit der Zeit des Ausbruchs der Seuche.

Rhodan seufzte innerlich. Sie waren in den schlimmsten Schlamassel geraten, der nur möglich war, und hatten sich von den Druuwen überrumpeln lassen.

»Da kommen wir wieder raus, Perry«, erklang Guckys tröstende Stimme. »Wie immer.«

»Habe ich ...«

»Deine Gedanken waren sehr laut, ja. Haben alles andere überlagert.«

»Entschuldige – konzentrieren wir uns also wieder ganz auf die Mission.«

*

Gucky hatte sie beide zu einer unbelebten und nur matt ausgeleuchteten Stelle in der Ankunftshalle teleportiert, die mit Sitzen und einigen Getränke- und Imbissautomaten als Warteareal ausgestattet war. Genau wie Rhodan sich gedacht hatte, war die Stationsluft ein wenig dünn, aber gut atembar und mit wirksamen Filtern gereinigt, die Schwerkraft lag wohl bei etwa 0,95 Gravos.

In der unmittelbaren Nähe hielt sich niemand auf, nachdem der momentan wohl berühmteste Besucher eingetroffen war.

An den Wänden der Halle sah Rhodan ungefähr dreißig Schleusen auf Bodenniveau sowie nebeneinander und noch einige mehr auf drei Galerien, bei denen ebenfalls reger Verkehr herrschte. Ankommende und Abreisende wuselten durcheinander. Es war ein steter Strom, für den sich kaum jemand interessierte.

Vor der Schleuse aber, durch die in seiner wuchtigen, roten Kampfrüstung soeben Zakhaan Breel schritt, herrschte ein heilloses Gedrängel.

Mutmaßliche Reporter stürzten sich sofort mit schwebenden Kameras auf ihn und bestürmten ihn mit Fragen. Ihr Interesse galt überwiegend dem geheimnisvollen Kugelraumer und dessen unbekannter Herkunft.

Der Rest waren Geschäftsleute, die Breel eine Unzahl Ideen zuriefen, wie man wechselseitig voneinander profitieren könne. Jeder wollte dabei der Erste sein.

Perry Rhodan und Gucky näherten sich dem Pulk, niemand achtete auf sie. Ein wenig war der Terraner überrascht, dass Breel tatsächlich ganz allein hergekommen war. Zu dem Treffen ja – aber ganz ohne Leibwächter schon auf die Station selbst? Das war doch erstaunlich.

»Er traut niemandem«, murmelte Gucky ihm zu. »Und er fühlt sich momentan sehr sicher. Aufgrund seiner Vorgespräche wird es niemand wagen, ihn anzutasten, solange die Dinge nicht geklärt sind. Wer Geschäfte mit ihm machen kann und so weiter. Erst danach wird das Hauen und Stechen beginnen.«

»Und erpressbar wird die Piratensippe nicht sein, wenn er entführt wird«, überlegte Rhodan. »Seine Druuwen haben uns und die CREST II, das ist wichtiger als ein einzelner Angehöriger. Die werden ihn notfalls kurzerhand fallen lassen und ein neues Geschäft anleiern. Und der Preis wird mit jeder Erpressung steigen.«

Sie schlenderten nicht zu schnell, nicht zu langsam umher, als ob sie auf jemanden warten würden. Wie Rhodan erhofft hatte, wurde Gucky keine besondere Aufmerksamkeit zuteil. Im Gegenteil wichen die Leute eher aus, um dem vermeintlichen Shafakk nicht zu nah zu kommen. Der Anblick eines schwarzen Mausbibers war auf Sukar Masir also nichts Ungewöhnliches. Und Rhodan selbst fiel gleichfalls nicht auf, denn die meisten Humanoiden ringsum waren ebenso verunstaltet wie er.

Selbst die wenigen anderen Wesen, die insektoider oder reptiloider Abstammung sein mochten, sowie die Mollusken, Amphibien und so weiter, bewegten sich ungelenk und schleppend. Alle waren mehr oder minder mit Geschwüren und Pestbeulen übersät, hinzu kamen eitrig gelbe Flecken oder Pflanzenbefall: Moose, Flechten, Pilze, Schwämme. Manche schienen sich sogar nach und nach in Bäume oder Büsche zu verwandeln.

»Das hier wäre genau das Richtige für Ronald Tekener«, meinte Gucky. »Der kennt sich in so einem Milieu am besten aus.«

»Stimmt«, sagte Rhodan. »Den habe ich seit der Kaperung nicht gesehen. Weißt du, was mit ihm passiert ist? Ob er vielleicht rechtzeitig in Deckung gegangen ist?«

»Keinen Schimmer, Perry, tut mir leid.«

Plötzlich entstand ein Tumult, jemand bahnte sich rücksichtslos einen Weg durch die Menge. Ein allgemeines Drängeln und Schubsen war die Folge, Flüche wurden laut. Dann tauchte ungefähr zehn Meter von Rhodan entfernt ein Humanoide auf, mit überlangen Armen und riesigen, lidlosen, schwarzen Augen in einem unverhältnismäßig kleinen Gesicht. Der Fremde wollte soeben die freie Fläche für einen schnellen Spurt nutzen, da sauste etwas leuchtend Grünes heran, schlang sich um seine dürren Beine und brachte ihn zu Fall.

Der Humanoide brüllte auf, denn die Energiepeitsche versetzte ihm permanent Stromstöße. Er versuchte verzweifelt, sich zu befreien.

Drei weitere Personen brachen durch die Menge, eine von ihnen hielt das Steuergerät der Peitsche. Sie waren ebenfalls Humanoide, von gedrungener, massiger Gestalt und in Tierfelle gehüllt, mit Tierköpfen nachempfundenen Helmen auf den Köpfen, sodass die feisten Gesichter kaum zu erkennen waren.

»Ich habe nichts!«, heulte der Dünne. Wieder lieferten Rhodans und Guckys Translatoren eine perfekte Übersetzung.

Der Kerl mit dem Steuergerät drückte eine Taste, und das Energiefeld erlosch. Die anderen beiden zerrten das Opfer hoch und schüttelten es durch.

»Mumpot, du hast sehr wohl etwas, und zwar deine Arbeitskraft, die du mir durch Flucht vorenthalten wolltest«, sagte der Peitschenmann und versetzte dem Gefangenen eine schallende Ohrfeige.

»Das ist nicht wahr!«, schrie der Gescholtene und versuchte verzweifelt, sich aus der Umklammerung der anderen zu befreien. »Ich schulde dir nichts mehr! Ich bin frei! Du musst dich an den Vertrag halten!«

»Hast du denn nicht nachgesehen? Die Bedingungen haben sich geändert«, höhnte der Peitschenmann und schlug erneut zu. »Und soeben haben sich deine Schulden verdreifacht.«

Flammende Röte breitete sich auf der blassen Wange seines Opfers aus, und es fuhr hektisch mit langer Zunge über seine Augen. »Du kannst keine Bedingungen willkürlich ändern!«, protestierte der Dünne keuchend. »Lass mich sofort gehen!«

»Sonst – was?« Der Peitschenmann lachte. »Wirst du mich verklagen? Da habe ich aber Angst.«

Rhodan merkte, dass Gucky drauf und dran war, einzugreifen, und packte den Arm des Mausbibers. »Halt dich zurück!«

»Aber Perry ...«

»Still, sage ich!«

»Dann wenigstens ...«

»Nichts dergleichen, oder wir gehen sofort auf die CREST II zurück, hast du verstanden?« Rhodan ließ nicht locker.

Reglos sah er zu, wie die beiden Handlanger des Peitschenmanns den wehrlosen und sehr viel schwächeren Humanoiden verprügelten und ihn dann halb bewusstlos mit sich fortschleiften, quer durch die ungerührte Menge, und verschwanden. Es hatte keiner auch nur kurz innegehalten, geschweige denn überhaupt den Blick auf den Streit gerichtet.

Rhodan ließ Gucky los. Der Ilt blickte zu ihm hoch, und der Terraner konnte förmlich spüren, wie ihn die sanften, dunklen Augen hinter dem Spiegelfeld fassungslos anstarrten.

»Perry, wie konntest du da nur ... so ...«

»Die wichtigste Regel in einer solchen Umgebung lautet, dass keiner sich um den anderen kümmert«, sagte Rhodan leise. »Egal was geschieht. Selbst wenn sie ihn umgebracht hätten.«

»Aber wir haben doch früher auch eingegriffen!«

»Wenn es möglich war. Wir sind gerade erst angekommen. Wir haben eine wichtige Mission. Besinne dich auf deine Rolle als Shafakk!«

Im nächsten Moment war er woanders, in einer stillen, verlassenen Ecke.

»Bist du verrückt geworden?«, rief Rhodan aufgebracht. »Wenn das jemand beobachtet hat ...«

»Das ist mir egal!«, schrillte Gucky. »Wie konntest du so unbeteiligt tun? Ich kenne dich nicht wieder!«

»Wem wäre denn geholfen, Kleiner?«, gab Rhodan zurück. »Wenn wir uns eingemischt hätten, hätte es eine Prügelei gegeben, bei der wir möglicherweise sogar den Kürzeren gezogen hätten. So oder so wären ausnahmslos alle, einschließlich Breel, auf uns aufmerksam geworden! Man hätte sich gefragt, wer so wahnsinnig ist, einem Unterprivilegierten zu Hilfe zu kommen, von dem keine finanzielle Dankbarkeit zu erwarten und der nicht mal von derselben Art ist!«

»Nur ein wenig Telekinese, um sie zu hindern, abzulenken ...«

»Und dann? Schickst du den armen Tropf weiter, und in ein paar Stunden lauern sie ihm an einer anderen Ecke auf und schlagen ihn tot, weil er sich erneut entzogen hat? Oder er verhungert, weil er keine Arbeit findet?«

Gucky erstarrte. »Er hätte eine Chance ...«

»Welche Chance hätte er mehr, als er die derzeit hat? Sieh dich doch um! Auf dieser Station sind Hunderttausende, die genauso arm dran sind wie er! Willst du ihnen allen helfen? Oder nur einigen wenigen Auserwählten? Weißt du, wie du ihnen helfen kannst? Auf Dauer? Ja, er ist verprügelt worden, und sicher nicht zum ersten und erst recht nicht zum letzten Mal in seinem Leben. Aber die Verletzungen sind glimpflich, schließlich soll er arbeitsfähig bleiben. Noch ist er am Leben! Er ist einmal entkommen, vielleicht gelingt es ihm ein zweites Mal. Er kennt sich auf der Station und mit den hiesigen Gepflogenheiten aus – du jedoch nicht! Du kannst dich einmischen, aber erwarte dafür keine Dankbarkeit, wenn du nicht sicher sein kannst, ihm wirklich und nicht nur für den Moment geholfen zu haben. Schon gar nicht gibt es Dankbarkeit für einen Shafakk, der sich niemals so verhalten würde!«

»Ein bisschen Telekinese«, wiederholte Gucky.

»Die womöglich alles schlimmer macht. Hast du das bedacht? Paragaben kennt man hier nicht, und die Shafakk haben keine. Man wird es dem Opfer anlasten, wenn unerklärliche Dinge vor sich gehen. Es müsste dafür bezahlen.«

»Ich will nicht einfach tatenlos zusehen, Perry«, piepste der Mausbiber verzweifelt.

Rhodan schüttelte den Kopf. »An einem solchen Ort gelten keine moralischen Maßstäbe, Gucky. Wir sind nur ein paar Stunden hier und können in dieser kurzen Zeit nichts, aber auch gar nichts bewegen oder gar ändern. Erst recht nicht, da wir noch keinerlei Überblick über die lokalen Strukturen haben. Und dieser Vorfall wird nicht der einzige bleiben, den wir erleben. Reiß dich zusammen! Das ist nicht dein erster Einsatz. Denk an unsere Mannschaft, der ein weitaus schlimmeres Schicksal blüht. Und jetzt lass uns gehen, bevor wir Breel verlieren.«

Zakhaan Breel war zwischenzeitlich nur wenige Meter weit gekommen. Weil die meiste Aufmerksamkeit ihm galt, schien das plötzliche Verschwinden von zwei Besuchern in der Nähe tatsächlich niemandem aufgefallen zu sein. Oder es griff das oberste Gesetz: Besser, sich nicht damit zu befassen.

Wem hätte derjenige es auch melden sollen? Da käme nur die Stationsleitung infrage. Doch würde sie ihn anhören? Und was sollte er melden? Es war nichts weiter geschehen, außer dass jemand plötzlich verschwunden war. Die Stationsleitung würde bei so einer unglaubwürdigen Meldung annehmen, der Zeuge hätte zu viele Drogen oder Alkohol zu sich genommen. Und würde dem Unglückseligen womöglich eine Strafe aufbrummen.

In der Hinsicht konnte sich Perry Rhodan also entspannen. Für dieses Mal. Sollte es jedoch zu mehr Meldungen kommen, wuchs die Gefahr deutlich an. Ihm ging der Streit mit Gucky nahe, aber er wusste, dass sie auf dem weiteren Weg durch Sukar Masir noch öfter solche unangenehmen Begegnungen haben würden und dann ebenfalls nicht eingreifen durften. Egal wie sehr es ihm gegen den Strich ging – sie durften keinerlei Aufsehen erregen.

Zakhaan Breel hatte gerade die meisten Neugierigen und Geschäftsleute abgewimmelt und wollte weitergehen, als jemand in einem opulenten Schwebesessel auf ihn zukam.

Rhodan erkannte ihn sofort, es war Morath Damaaq, der Oberste Stationsmakler, der den Kontakt zu Bingdu vermittelt hatte. Sein extrem voluminöser Körper mit geschätzt vier Zentnern Lebendgewicht bei einer Körpergröße von nicht viel mehr als eineinhalb Metern war in wallende Gewänder gehüllt, die jedoch seine vielen, teils deutlich herabhängenden Hautfalten kaum kaschieren konnten.

Rhodan und Gucky rückten näher heran, um mithören zu können. Es waren genug Leute um sie herum, dass sie nicht weiter auffielen.

»Zakhaan Breel, seien Sie willkommen in der größten, ja großartigsten Oase des gesamten Contagiats«, begrüßte der Fettleibige den Druuwen mit ausgebreiteten Armen.

Breel neigte nur kurz den Kopf. »Damaaq. Was kann ich für Sie tun?«

Der Schwebesessel verhielt. Die vorbeieilenden Leute machten einen Bogen um ihn. Der Oberste Stationsmakler war in der Öffentlichkeit demnach kein Unbekannter und jemand, den man besser mied, weil es sonst unangenehm werden konnte.

Rhodan wunderte sich trotzdem, dass Damaaq ohne Leibgarde unterwegs war. Irgendjemanden gab es immer, der einen Hass auf die Obrigkeit hegte und einen Anschlag wagen würde. Unauffällig sah er sich um – und dann entdeckte er sie, unbeteiligt wirkend, aber erkennbar bewaffnet und bereit, jederzeit zuzuschlagen: vier Humanoide in Kampfmonturen mit geschlossenen Helmvisieren. Wenn sie so weit weg standen, musste Damaaqs Sessel über eigene Schutzvorrichtungen verfügen.

»Lass uns so tun, als ob wir uns unterhalten«, raunte Rhodan. »Hier sind gerade viele professionell beobachtende Augen.«

»Kein Problem.« Gucky wandte ihm sein hässliches Rattengesicht zu.

Sie bewegten die Münder und gestikulierten, wie man es eben so tat, wenn sich jemand verspätete, auf den man ungeduldig wartete.

»Es geht vielmehr darum, was ich für Sie tun kann!«, gab Damaaq dem Druuwen Antwort. »Unsere Einrichtungen stehen Ihnen uneingeschränkt zur Verfügung. Und ich darf Ihnen mitteilen, dass sich Ort und Zeitraum des Treffens verändert haben.«

»Mit nichts anderem habe ich gerechnet.« Breel wies um sich. »Wie Sie sehen können, bin ich absolut allein. Das Misstrauen war nicht erforderlich.«

»Wichtige Leute wollen nun mal kein Risiko eingehen.«

»Vor allem, wenn sie etwas unternehmen, das im Compariat ungesetzlich ist und deshalb auch im Contagiat nicht überall gern gesehen wird.«

»Das ist Ihre Annahme, die ich weder bestätige noch dementiere.«

Breel wechselte das Thema. »Was verschafft mir die Ehre, dass Sie persönlich mir die Änderung des Termins überbringen?«

»Die Geheimhaltung, mein Bester. Es haben sich schon einige verdächtig genau nach Ihnen erkundigt und herauszufinden versucht, mit wem Sie sich zuerst treffen werden, nachdem Sie schon zahlreiche Angebote abgeschmettert haben. Allen voran Meister Kelechie.«

»Ja, er ist stets am besten informiert, der gute alte Meister, gar keine Frage. Er hat versucht, mich zu betören und mir dann gedroht. Ich hoffe, Sie halten mir ihn und seine Gehilfen vom Leib, bis ich das Treffen hinter mich gebracht habe. Sonst könnte es problematisch werden – und der Preis noch weiter steigen, sollte mir etwas Unvorhergesehenes zustoßen.«

»Aber nicht doch, machen Sie sich keine Gedanken. Sie sind tabu, bis ich es anders sage.« Damaaqs lippenloser Mund schnitt das fette Gesicht in zwei Teile, als er sich zu einem Grinsen in die Breite zog.

»Dann bin ich ja beruhigt.« Breel klang unverhohlen ironisch. »Darf ich dann um die neuen Daten bitten? Ich habe noch einiges vor dem Treffen vor und will wissen, wie sehr ich mich beeilen muss.«

»Aber gewiss doch ... Partner. Wollen Sie mich nicht zu einer Tasse Tee begleiten? Ich kann Ihnen einige erlesene Genüsse dazu anbieten, was immer Sie wünschen.«

Breel zögerte sichtlich. Dann lehnte er ab. »Ich möchte ein paar Bekanntschaften auffrischen. Und mich nach geeigneten Räumlichkeiten für meine künftige Niederlassung umsehen.«

»Dabei kann ich Ihnen doch viel besser behilflich sein. Es gibt hier Tausende Möglichkeiten, wie wollen Sie da die richtige für sich herausfiltern?«

»Also schön, Damaaq – ich möchte mich allein auf das Treffen vorbereiten und ein wenig herumschlendern. Ich weiß Ihre Angebote sehr zu schätzen, das müssen Sie mir glauben. Denn sicherlich ist es sehr angenehm, Privilegien zu genießen. Aber lassen Sie uns das auf die Zeit nach dem erfolgreichen Abschluss verschieben. Momentan halte ich mich von allen fern, selbst von Ihnen ... Partner.«

Damaaqs Mehrfachkinn begann zu schwabbeln, als er glucksend lachte, und dies setzte sich über seinen gesamten Körper fort. Er schien höchst amüsiert und bestens gelaunt zu sein. »Selbstverständlich. Machen Sie sich mit der Station vertraut, schnuppern Sie ein letztes Mal die schlechte Luft des Bodensatzes. Bald wird Ihnen das sehr fern sein, und Sie werden sich in Ihre neue Rolle hineinfinden müssen.«

»Die Daten, Damaaq«, insistierte Breel ungeduldig.

»Bitte sehr: Ich habe für Bingdu ein Separee im Sektor Magtuo angemietet, wo gewöhnlich Treffen höherer Qualität stattfinden. Es ist ein Etablissement mit Rundumservice, was bedeutet, Sie können zuvor eine Kältekammer mit passender Gesellschaft aufsuchen. Sämtliche Speisen und Getränke sind ebenfalls im Preis enthalten. Keine Sorge, der Mietvertrag läuft wie gesagt auf Bingdu. Das ist so üblich bei Kaufinteressenten.«

Rhodan kannte das andersherum. Doch der Oberste Stationsmakler lieferte die Erklärung dazu, warum der Käufer für diese Kosten verantwortlich war: »Damit wird sogleich gewährleistet, dass der Käufer flüssig ist und echtes Interesse hegt. Wir verschwenden keine Zeit mit Schaumschlägern, die nicht zahlungskräftig genug sind.«

»In Ordnung. Wie heißt das Etablissement?«

»Es ist nicht zu verfehlen. Guradarun, das Goldene Ei. Magtuo ist im Bereich Blau, und Guradarun liegt auf Ebene sechsundachtzig. In zwei Stunden.«

»Zwei Stunden?«

»Bingdu ist kein geduldiger Mann. Und sehr neugierig. Er brennt darauf, Ihre Ware zu sehen. Ich hoffe, Sie haben passende Unterlagen dabei?«

»Selbstverständlich. Aber ernsthaft: zwei Stunden? So lange brauche ich ja schon, um dorthin zu kommen! Von wegen, ich kann vorher in die Kältekammer ...«

»Sie müssen sich eben beeilen. Ich muss ebenfalls wieder weiter, denn auch ich habe Termine. Viel Erfolg. Und denken Sie daran: Seien Sie respektvoll. Seien Sie zurückhaltend. Wenn Bingdu von Ihnen verlangt, den Helm abzunehmen, tun Sie es. Wenn er verlangt, dass Sie auf dem Tisch tanzen, tun Sie es. Diese unermesslich reichen Leute sind Exzentriker und machen sich gern über andere lustig. Also machen Sie sich zum Narren. Vergessen Sie Ihren armseligen Stolz. Aber wenn es dann an den Preis geht, bleiben Sie unnachgiebig. Sie müssen nicht handeln. Er akzeptiert, oder Sie gehen. Machen Sie das deutlich.«

»Das habe ich vor«, versicherte Breel.

»Das wird härter, als Sie denken«, warnte Damaaq. »Durch die vorherigen Scherze will er Sie demoralisieren, damit Sie Ihren ohnehin geringen Status ihm gegenüber noch mehr verlieren. Er will Sie aus der Reserve locken und gleichzeitig zum Bittsteller degradieren. Deshalb hören Sie auf mich: Machen Sie mit, widersprechen Sie nicht. Das alles dient nur dazu, Sie weichzumachen und kleinzuhalten. Sobald es an den Handel geht, zeigen Sie Größe.«

»Und wenn er beharrt?«

»Das wird er nicht, glauben Sie mir. Vertrauen Sie mir! Es geht schließlich auch um mein Geld. Ich bin genauso wie Sie an einem positiven Abschluss interessiert. Er wird Ihnen weismachen wollen, dass er Ihnen eine Gnade erweist mit dem Kaufangebot. Und Sie erwidern ihm, dass es umgekehrt ist und Sie nur ein einziges Mal verhandeln. Er wird nachgeben, und Sie haben Ihre Rache für die vorherigen Demütigungen.« Damaaq hob die fette Hand. »Und damit empfehle ich mich, mein lieber Freund. Auf uns beide warten glorreiche Zeiten.«

Morath Damaaq schwebte davon, und Zakhaan Breel blieb allein zurück. Alle, die zuvor um ihn herumscharwenzelt waren, hatten sich verzogen.

Mit großen Schritten machte er sich auf den Weg.

Perry Rhodan und Gucky folgten dem Druuwen mit ausreichendem Abstand. Der Mausbiber konnte sich an Breels Gedankenmuster orientieren, sodass sie nicht auf Sicht bleiben mussten und ihn trotzdem nicht verlieren würden.

Zwei Stunden – sie mussten sich tatsächlich beeilen.

Perry Rhodan Neo Paket 24

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