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15.

Geisterschiff

Die Gänge der FANTASY waren praktisch ausgestorben, und die wenigen Besatzungsmitglieder, denen Nadine Baya noch begegnete, schlurften wie Zombies vor sich hin und schenkten ihr keine Beachtung. Sogar wenn Baya sie grüßte oder ansprach, gab es keine Reaktion. Noch vor ein paar Tagen hätte ich es toll gefunden, wenn man mich in Ruhe gelassen hätte. Aber jetzt ist es einfach nur gruselig. Die FANTASY, die große Hoffnung der terranischen Raumfahrtforschung, war zu einem Geisterschiff geworden.

Auch Baya selbst fühlte sich so speiübel, dass sie sich unter anderen Umständen für zwei Wochen krankgemeldet hätte. Ihr Kopf schmerzte, die Augen brannten vor Müdigkeit. Sie befürchtete, dass ihr Kreislauf ständig am Rand eines Zusammenbruchs spazieren ging. Sie war unkonzentriert und nervös, zudem dauernd gereizt. Dennoch war nicht daran zu denken, zu Pari Sato zu gehen und sich krankschreiben zu lassen. Erstens, weil Baya augenscheinlich trotz allem der fitteste Mensch an Bord war und eine der wenigen Personen, die noch klar denken konnten. Zweitens, weil Pari Sato vor einer halben Stunde selbst zusammengeklappt war und seitdem im Schlafkoma lag. Die medizinische Betreuung der Besatzung lag nun allein in den künstlichen Händen der Medostationspositronik und ihrer Roboter.

Hoffen wir mal, dass die asimovschen Gesetze funktionieren und die Roboter nicht nur kein Interesse daran haben, Menschen zu töten, sondern dass ihre Programmierung auch gewährleistet, dass sie aktiv um jedes Leben kämpfen.

Baya kam an dem offen stehenden Schott zur Zentrale vorbei, die ebenfalls nur spärlich besetzt war. Bislang hatte es keine Todesfälle gegeben, aber wenn Baya die Lage richtig einschätzte und sich Satos letzte Berichte vor Augen hielt, war das nur eine Frage der Zeit. Der Zustand von Gabrielle Montoya hatte sich in den vergangenen Stunden drastisch verschlechtert. Baya war kein Arzt, aber irgendwas lief mit ihren Hirnströmen wohl falsch, und sie zeigte fast gar keine Reflexe mehr. Conrad Deringhouse war bei einem Besuch an ihrem Krankenlager vor Erschöpfung eingeschlafen und ließ sich nicht mehr wecken. Deshalb hatte der Pilot Mentro Kosum das Kommando übernommen.

Baya mochte den jungen, gut aussehenden Cyboraner. Obwohl sie das niemals zugegeben hätte, hatte sie eine Schwäche für ihn, wobei sie sich bei einem Typen wie ihm niemals Chancen ausgerechnet hätte. Aber die Auswirkungen des Albtraumfelds, das von Nightmare ausging, hatten auch Kosum im Griff. Der sonst so fähige Emotionaut wirkte auf Baya aufgedreht und hyperaktiv. Sicher, Cyboraner waren immer irgendwie auf dem Sprung, aber bei Kosum hatte das Ganze beunruhigende Formen angenommen.

Auch das Schott zum Triebwerksraum stand offen – eine Fahrlässigkeit, die es unter normalen Umständen nicht gegeben hätte. Das Team um Froser Metscho war noch immer mit den Quintadim-Parallelspurtriebwerken beschäftigt. Baya glaubte, dass dies nichts brachte und sie lieber die Kollegen dabei unterstützen sollten, das Transitionstriebwerk wieder in Gang zu bekommen. Nach Bayas Einschätzung kamen sie mit den Mitteln, die sie an Bord hatten, einfach nicht weiter. Aber Metscho bestand darauf, dem Problem auf den Grund zu gehen – es war, als hätte er sich eine persönliche Queste auferlegt. Der Schlafmangel ließ ihn noch verbissener arbeiten, sodass er manchmal einen geradezu fanatischen Eindruck machte. Trotzdem, er war noch immer der Chefingenieur. Und gerade war er damit beschäftigt, ein Multifunktionswerkzeug anzustarren, als ob er noch nie zuvor so etwas in den Händen gehalten hätte.

»Ist alles in Ordnung, Mister Metscho?« Baya stellte die Frage nur der Form halber. Sie wusste selbst, dass absolut gar nichts in Ordnung war.

Metscho zuckte zusammen, als hätte er einen elektrischen Schlag erhalten. »Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Kram, Baya.« Wütend fuchtelte er ihr mit dem Werkzeug vor der Nase herum. »Hatte ich Ihnen nicht gesagt, dass Sie die zerstörten Hyperkristallmatrizen genauer unter die Lupe nehmen sollen?«

Sie kniff die Lippen zusammen. Normalerweise schluckte sie in solchen Situationen ihren Ärger hinunter, aber im Moment konnte sie es nicht ertragen, ungerechtfertigt angeblafft zu werden. »Das habe ich versucht, Mister Metscho. Aber der zuständige Wissenschaftler war nicht bereit, sie mir auszuhändigen.«

»Der zuständige Wissenschaftler?« Metscho rief rot an. »Wir sind die Zuständigen hier. Diese Eierköpfe haben doch keine Ahnung. Wer bitte ...?«

Metscho kam nicht dazu, sie weiter mit Fragen zu löchern, die sie ohnehin nicht beantworten wollte. Hinter ihm rumpelte es, als ein übermüdeter Techniker namens Simmons – neben Metscho und Baya der letzte im Einsatz – eine Materialkiste umstieß und sich eine Flut von Mikrosicherungen auf den Boden ergoss. Metscho stieß einen Fluch aus und ging zu dem armen Tölpel hinüber, um ihn zusammenzustauchen.

Baya machte sich schulterzuckend an die Arbeit, der sie vor Metschos unsinnigem Auftrag nachgegangen war. Der Wissenschaftler, mit dem sie sich herumgestritten hatte, war ein kleines, unwichtiges Licht – aber da seine Vorgesetzten in ihren Kabinen verschwunden waren, hatte nun er das Sagen, und das kostete er aus. Baya hatte es nicht auf Ärger angelegt, auch wenn sie das Auftreten des Manns verdross. Zudem war sie ziemlich sicher, dass das Auslesen der Hyperkristallmatrizen derzeit das Letzte war, was sie benötigten.

Sie hatte stattdessen heimlich weiter an dem Projekt geforscht, das Laura und Sophie Bull-Legacy nach einem Vorschlag des MINSTRELS kurz vor ihrem Aufbruch bereits teilverwirklicht hatten: eine Abschirmung des Gehirns vor den Albtraumimpulsen. Zwar standen Baya keine Neurostreamdimmer mehr zur Verfügung, weil Rhodans Einsatzgruppe alle entsprechend modifizierten Geräte mitgenommen hatte. Aber sie arbeitete mit einem kleinen Prototyp, den sie nach dem Vorbild der Whistler-Geräte improvisiert hatte. Sie versuchte, die unheilvollen Mentalimpulse nicht nur abzuschwächen, sondern völlig zu isolieren. Wahrscheinlich war es ein nutzloses Unterfangen – wenn es Rhodans Team gelang, die Abwehr des Compariats auszuschalten, würde Bayas Gerät nicht mehr benötigt werden. Aber es kam ihr im Moment sinnvoller vor, als die von Metscho angewiesenen Aufgaben, die sich weiterhin mit dem zerstörten Antrieb befassten.

Wenn wir keine Lösung für die Kontrolle der Impulse finden, gibt es niemanden, der den Antrieb überhaupt noch bedienen kann.

Angesichts der chaotischen Zustände fiel niemandem auf, an was sie bastelte. Immer wenn sie ihr Gerät testete und es zwischen den Kalibrierungsversuchen aufsetzte, hatte sie das Gefühl, dass der Druck durch die Gedankenimpulse etwas weniger wurde. Nahm sie es ab, kehrte die fremde Macht mit Wucht zurück. Sie hoffte, dass das keine Einbildung war.

Kleine Fortschritte sind besser als nichts. Und vielleicht liegt es ja an dem Gerät, dass ich noch nicht ganz so übel dastehe wie die anderen an Bord.

Metscho war damit fertig, Simmons zurechtzustutzen, der teilnahmslos vor der ausgekippten Kiste hockte und weder seinen Chef noch Baya wahrzunehmen schien. Metscho hatte vergessen, dass er sich zuvor mit ihr beschäftigt hatte. Er wandte sich wieder dem Multifunktionswerkzeug zu und runzelte die Stirn. Aus den Augenwinkeln beobachtete Baya, was er tat. Metscho schaltete die Plasmaschweißfunktion des Geräts ein, wohl um eine Bruchstelle zu reparieren. Doch er kalibrierte das Gerät viel zu hoch.

»Achtung!« Baya schnellte vor wie eine Feder und riss den lethargischen Simmons um. Wenige Handbreit über ihnen zuckte ein Flammenstrahl durch den Raum und verbrannte die Wand hinter ihnen. Wütend sprang Baya auf die Füße. »Jetzt reicht es aber!« Sie ging zu Metscho und riss ihm das Werkzeug aus der Hand. »Gehen Sie in Ihre Kabine, Mister Metscho. Oder in die Krankenstation. Legen Sie sich hin – so wie Sie gerade drauf sind, sind Sie eine Gefahr für die Öffentlichkeit.«

»Was erlauben Sie sich?«, brauste Metscho auf.

Sie schnitt ihm mit einer energischen Geste das Wort ab. »Ich sagte, es reicht. Gehen Sie, oder ich hole einen Sicherheitsroboter, der sich um Sie kümmert.«

Metscho reckte beleidigt das Kinn. »Das wird Konsequenzen haben, Baya, warten Sie ab!« Er drehte sich um und ging hinaus, wobei er wütend vor sich hin murmelte. »Sie hat dir gar nichts zu sagen. Du bist nur einem Rechenschaft schuldig, du weißt, wem. Und du hast schon alles in deiner Macht Stehende getan ...«

Baya rieb sich die Schläfen. Metscho also auch. Wenn er nicht bereits hinüber wäre, hätte er sich das nie von mir gefallen lassen. Simmons dort drüben ist nur noch ein Pflegefall. Ich bin die einzige Technikerin, die übrig ist. Ich sollte den Kommandanten davon informieren. Sie war nicht sicher, ob das im Moment überhaupt eine Bedeutung hatte. Wichtigere Abteilungen als ihre waren durch die Albtraumbarriere führerlos geworden. Allerdings drängte alles in ihr danach, mit einem vernunftbegabten, lebenden Wesen zu sprechen. Sie war nur nicht sicher, ob sie in der Zentrale so jemanden finden würde. Ehe sie sich auf den Weg machte, informierte sie die Bordpositronik über ihre neue Position in der Rangordnung: Stellvertretende Chefingenieurin.

Auf dem Weg zur Zentrale fand Baya zwei ineinander verknäulte Wissenschaftler vor. Sie sahen aus, als ob sie sich geprügelt hätten – und dabei eingeschlafen wären. Der eine hielt den anderen im Schwitzkasten, aus seiner Nase lief Blut. Wäre es nicht so unheimlich gewesen, hätte Baya darüber gelacht – nun war es schwer für sie, nicht hysterisch zu werden. Da gab es doch so ein Märchen, das meine Mutter mir mal erzählt hat, grübelte sie. Das mit dem schlafenden Mädchen im Schloss. Dort sind auch alle eingeschlafen, sogar die Fliegen an der Wand, das Feuer im Herd und der Koch, als der dem Küchenjungen gerade eine Ohrfeige geben wollte. Sie kam sich vor wie in einer Horrorvariante dieses Märchens.

In der Zentrale fand sie Mentro Kosum ganz allein vor. Er saß auf dem Sessel des Kommandanten vor der Rundwand. Um seinen Platz lagen knöchelhoch die Hülsen von Sarrka-Sporen. Kosum kaute auf seinen bevorzugten Knabbereien herum, hatte eine Tüte mit den Sporen auf dem Schoß liegen und brach eine Hülle nach der anderen auf. Sein Blick war auf ein Außenbeobachtungsholo gerichtet, das ein paar Schritte vor ihm schwebte und die Sonne Changeling zeigte.

Baya wusste um den legeren Stil, den Kosum pflegte und für den sie ihn bewunderte. Doch sein derzeitiges Erscheinungsbild ging etwas zu weit: Seine langen, roten Haare hingen ihm ungewaschen und strähnig ins Gesicht. Er hatte sich seit Tagen nicht rasiert. Seine grünen Augen waren blutunterlaufen, seine Jacke stand offen. Er bemerkte Bayas Eintreten nicht, sondern starrte wie hypnotisiert auf die Darstellung der Sonne vor ihm.

»Mister Kosum, Sir – ich muss eine bedauerliche Meldung machen.« Sie trat zögernd näher. Kosum reagierte nicht, starrte weiter auf das Holo und kaute seine Sarrka-Sporen. »Ich musste Chefingenieur Froser Metscho wegen Dienstunfähigkeit auf sein Quartier schicken. Das heißt, ich bin gerade die einzige Technikerin, die noch einsatzfähig ist.«

Kosum reagierte noch immer nicht. Baya fragte sich, ob er vielleicht mit offenen Augen eingeschlafen sei. Allerdings mahlten seine Kiefer unaufhörlich.

Sie sah sich unbehaglich um. »Wo sind denn alle?«

Keine Antwort. Aber sie konnte es sich denken. Es war so gut wie niemand mehr aktiv. Und diejenigen, die es waren, machten gravierende Fehler. Ein eiskalter Klumpen formte sich in ihrem Magen. »Ich, äh, ich gehe dann mal wieder auf meinen Posten.«

Sie wollte sich gerade abwenden, als Kosum wie von der Tarantel gestochen aufsprang. Er deutete aufgeregt in das Holo. »Sehen Sie das?«

Baya war in ihrer Bewegung erstarrt. Auf Kosums Frage hin machte sie wieder zögernd einen Schritt auf ihn zu. »Was meinen Sie?«

»Dort, der Schatten.« Kosums langgliedrige Finger wirbelten um die holografische Darstellung von Changeling herum.

Natürlich sah sie, was Kosum meinte. »Ja ... soweit ich verstanden habe, sind das die Reste der Gashülle von dem Stern, den Changeling gefressen hat, oder?«

»Das Böse! Dort sitzt es!« Kosum stupste die Darstellung an, um sich das Phänomen von allen Seiten zu betrachten. »Wir müssen dort hinfliegen und den Schatten verscheuchen. Dann verschwinden auch die Albträume.«

Baya stand der Mund offen. Er ist durchgedreht. Sato hat gesagt, dass so etwas passieren könnte. Und als Emotionaut, der als besonders empathisch gilt, ist er für die Impulse bestimmt noch viel anfälliger als andere. Sie trat behutsam zu ihm. »Das wird nicht nötig sein. Mister Rhodan und sein Team sind doch gerade auf Nightmare, um die Albtraumbarriere auszuschalten, wissen Sie das nicht mehr?«

»Sie sind tot!« Kosum sagte das mit einer solchen Endgültigkeit, dass Baya erschrak. »Nightmare hat sie in den Tod gelockt und alle umgebracht. Uns bleibt nur noch eine Möglichkeit.«

»Sie irren sich«, versuchte sie, Überzeugungsarbeit zu leisten. »Dem Team geht es gut, es gab vor weniger als zwei Stunden noch Funkkontakt. Ich bin sicher ...«

Kosum fuhr zu ihr herum und packte sie an den Schultern. »Wir können uns über gar nichts sicher sein, hören Sie? Gar nichts! Wir wissen nicht, was Traum und was Realität ist. Wenn der MINSTREL hier wäre, könnte er es uns vielleicht sagen – aber er liegt dort unten im Dschungel, in tausend Einzelteile zerfallen, für immer zerstört. Ich habe es gesehen!«

Baya atmete tief durch und griff nach Kosums Gesicht. Es kostete sie einiges Überwindung, ihn festzuhalten, damit sie ihm in die Augen sehen konnte – zu einer solch intimen Geste mit einem fast Fremden wäre sie im Normalfall nicht imstande gewesen. Doch sie hatte das Gefühl, anders nicht zu dem Cyboraner durchdringen zu können. »Das war ein Albtraum – nur ein Albtraum. Rhodan und seine Leute werden bald Erfolg haben, und dann ist alles wieder in Ordnung. Bis dahin müssen wir durchhalten, Kosum, hören Sie?«

Ein paar Sekunden lang starrten sie einander in die Augen, und Baya glaubte, zu ihm durchgedrungen zu sein.

Dann riss sich Kosum los. »Nein, ich muss etwas tun!« Er rannte zum Pilotensitz und ließ sich hineinfallen. Der Emotionaut setzte die SERT-Haube auf, die ihn in Kombination mit seinem speziellen SERT-Anzug auf besondere Weise mit der FANTASY verband – es war eine ähnliche, allerdings weitaus komplexere Technologie wie diejenige, die es den Bull-Legacy-Zwillingen erlaubte, mit NATHAN oder dem MINSTREL zu kommunizieren.

Baya lief ihm nach. »Kosum, das dürfen Sie nicht! Sie bringen das Schiff und seine Besatzung in Gefahr!«

»Ich werde uns alle retten!«, rief Kosum euphorisch, als hätte er sie nicht gehört. Die FANTASY schwenkte herum. Auf den Außenbeobachtungsholos erkannte Baya, dass ihr Raumschiff sich langsam Richtung Changeling in Bewegung setzte. Ihr brach der Schweiß aus.

»Wir werden diesen Schatten aus dem Universum scheuchen«, kündigte Kosum an.

Baya baute sich vor dem Piloten und Kommandanten auf. Sie wünschte sehnlichst, es wären noch andere Leute in der Zentrale. Irgendwer, der ihr helfen konnte, den völlig neben sich stehenden Piloten zur Vernunft zu bringen. »Mentro Kosum, ich warne Sie ein letztes Mal! Halten Sie das Schiff an!«

Kosum reagierte nicht mehr auf sie, sondern schien in seiner eigenen Emotionautenwelt versunken zu sein. Baya rief ein technisches Holo auf und verschaffte sich einen Überblick über die Energieströme in der Zentrale. Mit drei entschlossenen Fingerbewegungen – und der Eingabe des Überrangcodes als zuständige Chefingenieurin – drehte sie Kosums SERT-Haube den Saft ab.

Ohne erkennbaren Erfolg. Kosum lenkte die FANTASY weiter. Verdammt. Das SERT-System muss einen Reservespeicher haben, um solche Energieverluste zumindest zeitweilig abpuffern zu können. Sie ließ ratlos die Hände sinken. Was nun?

Die FANTASY näherte sich der Sonne immer mehr, und Baya glaubte, bereits die Wärme des kannibalistischen Riesen zu spüren. Einbildung. Aber nicht mehr lange.

»Medoroboter in die Zentrale!«, befahl sie. Fast sofort glitt eine Nischentür auf – an einer so neuralgischen Stelle war ein Medoroboter stets in unmittelbarer Nähe postiert. Noch einmal atmete Baya tief durch, ehe sie die Anweisung gab. »Den Piloten und derzeitigen Kommandanten Mentro Kosum umgehend betäuben!«

»Sie gehören nicht zum medizinischen Personal«, stellte der Roboter fest.

»Das medizinische Personal ist nicht verfügbar. Es handelt sich um einen Notfall. Ich habe keine Alternative, die Sicherheit der FANTASY ist durch Mister Kosums Geisteszustand gefährdet.« Sie nannte erneut ihren Überrangcode. Der Medoroboter begab sich umgehend zu dem Cyboraner und betäubte ihn. Kosum sackte in seinem Sitz zusammen.

»Positronik, sofort das Schiff anhalten und zur vorherigen Warteposition zurückkehren!« Baya schrie fast vor Erleichterung, als die FANTASY tatsächlich wendete und Changeling hinter sich zurückließ. Mit zittrigen Knien ließ sie sich auf den Stuhl des Kommandanten sinken.

»Was soll ich nur tun?«, flüsterte sie erschöpft und strich sich über die Stirn. Ihr Herz raste. Was konnten die verwirrten Besatzungsmitglieder, die noch bei Bewusstsein waren, alles anstellen, um das Schiff in Gefahr zu bringen – vielleicht an Stellen, die Baya gar nicht einsehen konnte?

»Miss Baya, da der bislang amtierende Kommandant aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, seinen Posten auszufüllen, stehen Sie in der Rangordnung als nächste Kommandantin«, verkündete die Hauptpositronik.

»Was für ein Traum«, entgegnete Baya trocken. »Leider ist niemand da, der mit mir auf diese unverhoffte Beförderung anstoßen könnte.« Sie überlegte fieberhaft, wie sie weiter vorgehen sollte, um das Schlimmste zu verhindern. Schließlich traf sie eine Entscheidung. »Als derzeitige, vorübergehende Kommandantin der FANTASY ordne ich an, alle Besatzungsmitglieder, die Symptome von Verwirrung, Desorientierung und Psychosen aufweisen, zu paralysieren.«

»Ich muss Sie darauf hinweisen, dass eine Paralyse in der Rechtsprechung als Körperverletzung gilt«, erklang die emotionslose Stimme der Positronik.

»Hinweis zur Kenntnis genommen. Befehl umgehend umsetzen!« Baya lehnte sich im Sitz des Kommandanten zurück und schloss resigniert die Augen. Ich werde die persönlichen Konsequenzen tragen, wenn es denn noch jemanden gibt, der mich zur Rechenschaft ziehen kann. Der Gedanke an all die Verantwortung, die sie trug, bereitete ihr Kopfschmerzen. Wenn sie doch nur ein wenig ausruhen könnte. Der Schlaf schien sie zu rufen, und im Kommandosessel war es sehr bequem ...

Nadine Baya fuhr in die Höhe und riss die Augen auf. »Es wird nicht geschlafen. Positronik, du sorgst dafür, dass ich wach bleibe. Außer, ich zeige auffälliges Verhalten, welches das Schiff gefährdet. Dann hast du den Befehl, mich ebenfalls zu paralysieren.«

Perry Rhodan Neo Paket 22

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