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Man kann die Vergangenheit nicht zur Gegenwart machen. Das begriff Mrs. Howard nach kurzer Zeit. Es lässt sich nichts zurückholen, auch nicht die Zuneigung Harry Scotts. Er war nett zu ihr, aber es war eine Freundlichkeit, die er sicher an jeden verschwendete, der ihm einen guten Kaffee kochte und den er nach langer Zeit einmal wiedersah.

Harry Scott war ein glänzender Unterhalter. Während er plauderte, als sei er erst gestern von Mrs. Howard weggegangen, und während seine Freunde mit Glenn um den runden Tisch saßen, kochte Mrs. Howard Kaffee, servierte sie Ham and Eggs und schien sich an nichts zu erinnern, was ihre Meinung über Scott anging. Ihre Meinung noch vor gut zwei Stunden.

Glenn sah fasziniert seinen Vater an. Die Begeisterung für ihn wuchs. Er glaubte alles, was Harry Scott erzählte. Mehr und mehr kam der Wille in ihm auf, so zu sein wie er. So selbstsicher, so überlegen, immer um keine Entscheidung verlegen. Weniger gefielen ihm die Freunde seines Vaters. Sie hatten ihn zwar alle vier herzlich begrüßt, aber er begann jetzt, da keiner auf ihn achtete, ihre Gesichter zu studieren.

Da war einmal der etwas bleiche, aber muskulöse Henry Deville. Er zeigte immerzu ein verlegenes Lächeln, doch das war Tarnung, und Glenn merkte es bald. Deville hatte noch bis vor kurzem in einem Gefängnis gesessen, das hörte Glenn aus der Unterhaltung heraus.

Neben Glenns Vater saß der grauhaarige Mark Overback. Wohl der älteste Mann in der Runde. Breite Hände mit kurzen Fingern, ein derbes Gesicht und eine bläuliche Knollennase zeichneten diesen Mann aus. Wenn er etwas sagte, geschah das bedächtig und langsam. Auch seine Bewegungen waren so. Von allen gefiel ihm dieser Mann noch am besten, nur erinnerte ihn der Blick aus den kleinen Schweinsäuglein an Ionu. Diese Schläue im Blick, das missfiel Glenn.

Glenn gegenüber stützte Burt Corners den Kopf in die Hände. Ein kleiner, breitschultriger Mann mit strohblondem Haar. Nur wenig älter als Glenn selbst, doch von einer sichtbaren Härte, die ihn älter und erfahrener erscheinen ließ.

Gerade stand der vierte Freund Harry Scotts auf, der junge Jim Stratz. Er ging mit wiegenden Schritten zur Tür, drehte sich noch einmal um, so dass Glenn das schmale, eingefallene Gesicht mit den großen Kinderaugen deutlich sah. Dann war Stratz draußen. Er würde die Pferde versorgen und auch sonst darauf achten, was sich in der Stadt tat.

Stratz mochte neunzehn Jahre alt sein. Wieso er mit Harry Scott ritt, wusste Glenn nicht zu deuten. Aber er trug zwei Revolver, und die Art, wie er sie trug, sprach Bände. Auch seine schmalen, langen Hände passten gut zu diesem Eindruck.

Mrs. Howard setzte sich mit an den Tisch, und sie lauschte wie gebannt den Worten Harry Scotts. Sie sah nur ihn, hörte nur ihn.

Glenn lauschte auch, aber mit der Zeit erinnerte er sich an das Versprechen seines Vaters, über ihn, Glenn, zu sprechen. Doch nichts davon tat der hagere Revolvermann. Er sprach von sich, von seinen Erlebnissen, von alten Zeiten, von denen Glenn wenig oder nichts wusste. Mehr davon schien Mrs. Howard zu kennen, denn mitunter lachte sie hell auf, wenn Harry Scott den oder jenen Namen, diese oder jene — für Glenn nichtssagende — Episode erwähnte.

Mark Overback hatte eine Flasche Whisky in der Tasche gehabt. Jetzt stand sie vor ihm, und er trank direkt aus ihr. Als der Kaffee serviert wurde, goss sich Overback die Tasse nur halb voll, der Rest wurde mit Whisky aufgefüllt.

Deville erhob sich, trat an den Spiegel neben der Tür und kämmte sich mit Ausdauer sein pechschwarzes Haar. Mitunter lachte er über einen Scherz Harry Scotts.

Glenn hörte zu. Er vergaß wieder, dass man eigentlich über und von ihm hatte reden wollen. Es war amüsant, dem Senior Scott zuzuhören. Was wusste Glenn schon von der Welt? Doch Harry Scott schien sie zu kennen. Was kannte er nicht?

Kritiklos nahm Glenn die Geschichten und Anekdoten in sich auf, die Harry Scott zum besten gab. Vielleicht hätte er sich wundern sollen, wie gelangweilt Mark Overback in seinen Becher starrte. Aber Glenn wusste nicht, dass Overback die Geschichten alle schon — nur mitunter leicht verändert — zum soundsovielten Male hörte.

Burt Corners lachte pflichtschuldig jedes Mal mit, manchmal schon, bevor die Pointe heraus war. Henry Deville lächelte, aber das tat er immerzu.

Später sagte Harry Scott: „Burt, löse du Jim ab! Henry, du legst dich irgendwo lang und pennst. Auch du, Alter“, wandte er sich an Mark Overback. „Heute Abend brauchen wir ausgeruhte Kräfte.“

„Willst du bis zum Abend damit warten?“, maulte Deville. Und nun lächelte er nicht mehr.

„Ja, es ist besser.“

„Er könnte schon vorher mit seiner Mannschaft in der Stadt sein.“

„Nein, das schafft er gar nicht. Selbst wenn dieser Kerl ein Pferd aufgetrieben hat. — Hallo, mein Junge“, fuhr Harry Scott dann zu Glenn gewandt fort, „nun habe ich gleich noch eine halbe Stunde Zeit für dich.“ Er gähnte und brannte sich dann eine Zigarette an. „Morgen werden wir noch mehr Zeit haben. — Süße, hast du einen Platz für drei meiner Freunde?“, fragte er dann Mrs. Howard.

Sie quittierte das „Süße“ mit einem verlegenen Lächeln und sagte dann eifrig: „Gewiss, kommt nur mit!“

Stratz kam herein, schleichend wie ein Indianer mit unstetem Blick aus großen Kinderaugen. Er sah Glenn lange an, ehe er wortlos hinter Overback und Deville verschwand.

Glenn war mit seinem Vater allein. Sie sahen sich an, schwiegen beide, tasteten sich mit Blicken ab, dann brach Harry Scott das Schweigen.

„Nun, mein großer Sohn, nun schieß mal los! — Hast du deinen Vater vermisst oder hat deine Mutter dir eingepaukt, dass dir der Himmel einen bösen Vater beschert hat?“

„Meine Mutter“, begann Glenn fast mechanisch, ohne darüber nachdenken zu müssen, „meine Mutter war immer gut, und sie hat dich sehr nötig gehabt. Sie hoffte bis zuletzt, du würdest zurückkehren.“

Harry Scott vergrub das Gesicht in die Hände und sagte undeutlich: „Ich habe so oft wiederkommen wollen. Aber sie war eine merkwürdige Frau. Ich glaube, Glenn, ich verstehe sie erst jetzt. Ja, ich gebe es zu. Ich war ein leichtsinniger Vogel, ein wilder Vogel, Junge, aber ein freier, ein an Freiheit gewohnter Mensch. Deine Mutter, Glenn, wollte einen Spießer aus mir machen. Einen Kerl, der irgendwo zu bestimmter Zeit auf einer bestimmten Postkutsche fährt oder bei einem Rancher Zäune flickt, was weiß ich noch alles. Und der immerzu tut, was irgendein reicher Pinkel oder ein Vorgesetzter ihm befiehlt. Ich wollte mir aber meine Befehle selbst geben.“

„Mutter konnte Revolvermänner nicht ausstehen.“

„Ich war einer, als sie mich kennengelernt hat. Und mich konnte sie gut ausstehen, Glenn“, erwiderte er, nahm die Hände vom Gesicht und lächelte bitter. „Sie war sehr anhänglich, aber sie hoffte, mich umerziehen zu können. — Nun, Glenn, ich bin kein Mann, der sein Geld mit dem Revolver verdient. Das war einmal. Aber das heißt nicht, dass ich es noch könnte. Ich kann es noch in zehn Jahren, falls ich die überlebe. Meine Freunde und ich betreiben seit einiger Zeit ein gut gehendes Geschäft.“

Glenn hob erstaunt die Brauen. „Ein Geschäft?“

Harry Scott nickte.

„Du wirst von heute an dazugehören. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, bedrängten Menschen zu helfen. Da ist zum Beispiel eine Miss Hirunda Ryder. Sie hat einen Sohn von zehn Jahren. Der Vater will ihn nicht anerkennen. Ein reicher Mann, dieser Vater. Nun sind wir da, um ihn etwas aufzumuntern, sich seiner Vater pflichten zu entsinnen. Der Vater ist dir bekannt: Ionu.“

„Was?“, rief Glenn verblüfft.

„Ja, und wir werden ihn zur Kasse bitten. Ich glaube, mein Junge, das ist eine für die nächste Zeit ausreichende Beschäftigung. Wenn wir mit ihm glatt sind, können wir getrost die nächsten guten Taten auf eine größere Zeitspanne verteilen.“

„Willst du gegen ihn kämpfen?“

„Wenn er nicht einsieht, was wir für Miss Ryder verlangen, dann ja.“

Glenn schluckte, so sehr überkam ihn die Bewunderung.

„Aber ... aber er hat doch eine riesige Mannschaft, ich meine, die kleinen Siedler sind ihm alle verpflichtet, und sie werden auch für ihn reiten. Dann hat er fast vierzig Mann in den Sätteln.“

„Und wenn er hundert hätte. Ich bin sicher, er holt sich auch noch die halbe Stadt herbei. Doch sorge dich nicht, Junge, wenn Harry Scott etwas abspult, dann geht alles rund. Ich habe mit allem gerechnet.“

„Ich verstehe das nicht“, erwiderte Glenn.

Harry Scott lächelte sanft.

„Brauchst du auch nicht. Noch nicht. Sieh dir an, was wir tun, und vor allem - tu, was ich dir sage! Du bist wichtig, Glenn. Denn du kennst ja die Ranch genau. Genauer als jeder von uns.“

„Willst du sie überfallen?“, fragte Glenn verdattert.

Harry Scott lachte trocken.

„Wir sind keine Banditen, Glenn. Wir sind nur Leute, die schwerfälligen Denkern etwas nachhelfen, sich an ihre guten Seiten zu erinnern. — So, Junge, nun leg dich irgendwo für zwei, drei Stunden hin! Wir müssen alle frisch sein, wenn wir heute Abend losreiten.“

„Aber ...“

Harry Scott legte Glenn die Hand auf die Schulter.

„Kein Aber, Junge! Du wirst sehen, dass jetzt der Augenblick gekommen ist, wo du aus deinem trostlosen Sumpf zu neuem Leben erwachst.“

Zum ersten Male war sich Glenn dessen nicht so sicher. Das Gefühl, in eine nicht gerade glänzende Sache verstrickt zu werden, hing plötzlich wie eine Wolke vor der strahlenden Erscheinung seines Vaters. Sein Sinn für kommendes Unheil, ein Instinkt, den viele Menschen seines Schlages besaßen, warnte.

Aber da sah er seinem Vater in die Augen, und mit einem Male schien alles wie weggewischt und machte froher Zuversicht Platz.

Banditen und Revolver-Docs: Super Western Sammelband 9 Romane

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