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Glenn zügelte sein Pferd. Er sah weit in der Ferne das Aufblitzen von Schüssen. Dann hörte er sogar einzelne Schüsse bis hierher. Aber mehr noch hörte er ein anderes Geräusch, das jeden Cowboy mit Entsetzen erfüllt. Er vernahm das urige Gebrüll einer in Panik befindlichen Herde. Stampede. Und als sein Pferd stand, meinte er tatsächlich die Erde dröhnen zu hören. Vierundzwanzigtausend Hufe trampelten auf die Prärie. Die Erde musste ja erzittern unter diesem Stakkato.

Aber er sah die Herde nicht. Nur die Unruhe seines Cayusen deutete darauf hin, dass das Vieh möglicherweise auf ihn zuraste.

Auch mich zu?, fragte er sich und drehte sich instinktiv nach der nahen Stadt um. Und wirklich wurde das Dröhnen lauter, das Gebrüll immer deutlicher.

Glenn begriff, dass die Herde wirklich auf ihn zukam. Er würde Zeit zum Ausweichen haben, gewiss. Aber die Stadt? Eine Stadt aus zwei Dutzend oder nur wenig mehr Holzhäusern. Keines für die Ewigkeit gebaut, keines ein Schutz gegen eine in Stampede befindliche Herde von vielleicht Tausenden aufgepeitschter Rinder. Wie eine Sturmflut würden sie über die Stadt hereinbrechen. Wie das Ende der Welt. Und viele der Menschen in Wendover würden die nächsten Minuten nicht überleben.

Was kann man tun? Was kann ich tun?, überlegte Glenn fieberhaft. Und das Dröhnen wurde lauter, immer lauter, das Gebrüll gefährlicher und drohender. Der Cayuse tänzelte aufgeregt. Er würde nicht mehr lange stehenbleiben. Dann nutzte Glenn die beste Dressur nichts.

Der Selbsterhaltungstrieb in Glenn riet ihm zu fliehen, einfach nach der Seite auszuweichen. Was ging ihn Wendover an? Hatte ihm dort einer außer Mrs. Howard je geholfen? Warum sollte er hier den Helden spielen?

Aber Mrs. Howard allein war es schon wert, dachte Glenn. Und die vielen Kinder, die nie etwas gegen ihn hatten. Und mancher alte Mann, manche alte Frau.

Jetzt sah er die Herde. Diese dunkle Masse, die da herantobte.

Was tun, was tun?, schrie es in ihm.

Er zwang sich zu eiskalter Überlegung. Jetzt ist deine Bewährung, sagte er sich. Jetzt kannst du zeigen, ob du wirklich nur eine Null oder ein Mann mit Verstand und Mut bist. Ich muss zurück. Ich muss etwas mehr Abstand haben. Und dann draufhalten. Eiskalt draufhalten.

Er riss den Cayusen so hart herum, wie er es noch nie getan hatte. Das Pferd raste los, gepeinigt von der Furcht, unter die drohende Walze zu geraten. Wie ein Pfeil schnellte der Cayuse auf, doch Glenn hatte es mit eisenharter Hand im Griff.

Er wendete das Pferd, riss das Gewehr aus dem Scabbard und begann auf die sich rasend nähernde dunkle Masse zu schießen. Aber es war, als schösse er in den Sand. Die Walze aus zuckenden Leibern jagte weiter, jagte mit einer unerhörten Schnelligkeit auf ihn zu. Wenn sie noch auf fünfzig Schritt näher an ihn herankamen, würde er nicht mehr ausweichen können. Nie mehr!

Das Brüllen der Tiere wurde ohrenbetäubend. Glenn, meinte, das Schnauben schon zu hören, aber er dachte nicht darüber nach. Als der Cayuse wie verrückt zu tanzen begann, sprang Glenn vom Pferd. Der Cayuse raste reiterlos auf die Stadt zu.

Glenn lud nach, schoss, lud nach, und keine zwanzig Schritt vor ihm brachen zwei Stiere zusammen, andere prallten darauf, stürzten, weitere wälzten sich darüber. Und immerzu knallte die Winchester.

Ein einzelner Bulle jagte genau auf Glenn zu. Glenn hatte keinen Schuss mehr im Lauf. Er zog den Colt, ließ die Winchester einfach fallen. Und schoss auf den Bullen. Das Tier raste weiter. Glenn sprang zur Seite, und hinter Glenn überschlug sich das Tier.

Andere rasten auf Glenn zu, und der feuerte den Revolver leer.

Die Herde hatte sich schon geteilt. Der eine Teil jagte genau auf den Fluss zu, der andere in die Prärie hinaus. Doch einzelne Tiere prellten von hinten in die Mitte vor. Ein Dutzend vielleicht oder mehr. Und eines wäre für Glenn zu viel gewesen. Er hatte keine Zeit mehr zum Nachladen.

Er rannte, rannte wie besessen, aber die aufgeputschten Tiere hinter ihm waren schneller. Dann sah er den Bullen, der weit ab von den anderen auf die Stadt zuraste.

Glenn wollte stehenbleiben, wollte das Tier vorbeilassen, aber es gab kein Ausweichen mehr. Nur ein Sprung konnte Glenn noch retten, der selbstmörderische Sprung auf das Tier.

Er sprang, krallte sich instinktiv im Fell fest, wurde nach hinten geschleudert und hing an der Seite herunter. Der aufgeregte Bulle raste noch besessener dahin. Dann verlor Glenn den Halt. Er hatte einfach nicht mehr genug Kraft in den Fingern, um sich festzuhalten. Er fiel, überschlug sich mehrmals und blieb mit einem stechenden Schmerz im Knie liegen.

Jetzt ist es aus, dachte er. Jetzt überrennen sie mich. Das ist das Ende.

Aber nichts kam, nur ein Stück weiter galoppierten einzelne Tiere auf Wendover zu. Das Gebrüll aber entfernte sich. Und allmählich wurde es immer stiller.

Glenn wollte aufstehen, aber er konnte nicht. Sein Knie tat entsetzlich weh. Gepeinigt von Schmerzen blieb er liegen. Jede Bewegung machte ihn bald verrückt.

Schließlich meinte er, doch den Versuch machen zu müssen und kroch. Aber wieder kam eine jähe Schmerzwelle, und er verlor das Bewusstsein.

Als er davon erwachte, wusste er nicht, ob Sekunden, Minuten oder Stunden vergangen waren. Doch noch immer war um ihn Nacht. Und der Schmerz im Knie erinnerte ihn an alles.

Er setzte sich, tastete vorsichtig nach der Verletzung und stieß an etwas Kantiges. Er versuchte zu ergründen, was es sein könnte, aber sobald er es berührte, tat es wieder unsäglich weh.

Er riss ein Streichholz an und leuchtete auf die Wunde. Dann sah er es. Oberhalb von seinem Knie steckte ein Pferchbolzen im Fleisch. Irgendwo hatte ein Bolzen herumgelegen. Und ausgerechnet auf ihn musste Glenn stürzen. Wie einer, der sich an der Stecknadel sticht, die im Heuhaufen liegt.

Er biss die Zähne zusammen und riss den Bolzen heraus. Er schrie vor Schmerzen, doch dann kam das Blut, und der Bolzen lag neben ihm. Der schlimmste Schmerz ließ nach.

Erschöpft sank Glenn auf den Rücken. Dann raffte er sich noch einmal auf, um die Wunde mit seinem Halstuch zu verbinden. Danach streckte er sich einfach aus und schlief.

Banditen und Revolver-Docs: Super Western Sammelband 9 Romane

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