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Der neue Tag in Fort Wells begann mit einem bösen Omen. Im Morgengrauen standen drei Soldaten der geschlossen desertierten A-Kompanie mit ihren Pferden vor dem Tor und begehrten Einlass. Der wachhabende Sergeant ließ sie durch das Tor, befahl ihnen abzusitzen und verhaftete sie. Obwohl er nicht viel Aufhebens machte und sie sofort in eine Arrestzelle sperren ließ, sprach sich die Ankunft der drei wie ein Lauffeuer herum.

Als der Hornist fünf Minuten später zum Wecken blies, waren von diesem Vorfall schon alle unterrichtet, nur die Offiziere noch nicht.

Der wachhabende Offizier, ein junger Second Lieutenant, erhielt die Meldung kurz vor dem Appell. Doch er ging erst zur Kommandantur, als die Kompanien aus den Unterkünften traten und zum Appellplatz strömten.

Captain Varga wollte das Zimmer des Kommandeurs gerade verlassen, als der junge Lieutenant eintrat, die Hacken zusammenriss und salutierte.

„Im Morgengrauen sind drei Reiter der desertierten A-Kompanie in das Fort zurückgekehrt, Sir, weil ein Durchkommen allein und auf eigene Faust nicht mehr möglich wäre. Angeblich hält Red Cloud das Fort bereits umklammert. Eine Gruppe von zehn Reitern soll den Apachen in die Hände gefallen sein. Der Rest der Kompanie versucht es einzeln oder in Gruppen zu drei und vier Mann.“

Captain Varga und Captain McDaniel sahen sich an.

„Die Namen der Männer?“, wollte Varga wissen. Er hatte die A-Kompanie schließlich kommandiert.

„Reiter Crow, Reiter Martin und Reiter Ort!“

Varga schlug die Faust auf den Schreibtisch des Kommandeurs. „Das ist doch nicht zu fassen! Diese drei Halunken sind erst vor einigen Wochen zum Strafbataillon kommandiert worden. Jeder auf vier Jahre. Sie haben Waffen geklaut und verschoben. – Stellen Sie die Kerle an die Wand, Captain McDaniel! Und zwar sofort.“

McDaniel verzog das Gesicht. „Her mit den drei Schurken!“

„Wozu noch?“, knirschte Varga. „Greifen Sie durch, Captain! Die Kanaillen werden sich hier herauszureden versuchen. Aber mitgegangen – mitgehangen!“

Captain McDaniel sah den Wachhabenden an. Der machte kehrt und sauste hinaus.

„Der geringste Fehler, McDaniel, wird der Armee Fort Wells kosten“, schnaufte Varga.

Captain McDaniel sah den schnauzbärtigen alten Haudegen an. „Ich glaube, ich habe meinen Fehler bereits gemacht“, sagte er. „Ich hätte die A-Kompanie zusammenschießen lassen müssen, gleich, wie hoch die Verluste auch gewesen wären. Doch Fort Wells wäre mit Sicherheit erledigt gewesen und für die Armee verloren.“

„Aber in Ehren!“

Captain McDaniel lächelte verbittert vor sich hin.

Da drang vom Appellplatz Tumult herüber. Die Offiziere starrten sich an und stürzten ans Fenster. Wachen brachten die drei Reiter der A-Kompanie zur Kommandantur. Die angetretenen Soldaten pfiffen und schrien.

„Verdammt!“, krächzte Varga. „Was hat das zu bedeuten?“

„Warum erhalte ich keine Meldung?“, fauchte McDaniel und rannte zur Tür.

Da betrat Lieutenant Benson den Raum. „Meuterei, Sir!“ meldete er. „Die Mannschaft verlangt den Ausbruchsbefehl.“

„Wer hat Ihnen das gesagt?“, fragte Varga mit klirrender Stimme.

„Einer der Männer!“, erklärte der Lieutenant verständnislos.

„Warum haben Sie den Hundesohn nicht gleich erschossen?“, brüllte Varga. „Auf der Stelle! Mit Ihrem Revolver.“

Die Wachen trieben die drei Deserteure schnell über den Platz zur Kommandantur. Voran der wachhabende Offizier. Auch Lieutenant Baker, der Führer der Rekrutenkompanie, wollte zur Kommandantur laufen. Doch Soldaten hielten ihn zurück und schlugen ihn zu Boden, als er sich wehrte.

Die Offiziere in der Kommandantur beobachteten das vom Fenster aus. McDaniel wurde grau.

„Tun Sie etwas!“, brüllte Varga.

McDaniel ließ die Schultern hängen. „Ich glaube, Fort Wells steht nicht mehr unter meinem Befehl.“

Die drei Deserteure weigerten sich weiterzugehen. Die Wachen fügten sich ihnen. Der wachhabende Offizier blieb ratlos stehen und bekam einen roten Kopf. Als er sah, dass sich die Mannschaften auch an den anderen Offizieren vergriffen, sauste er los und flüchtete sich in die Kommandantur.

„Meuterei, Sir!“, meldete er mit stockender Stimme.

„Das sehe ich!“, erwiderte McDaniel hilflos.

Varga zog blank und riss auch den Revolver aus der Tasche. „Ich lasse mich da draußen lieber zusammenschießen, als dass ich mich je gezwungen sehen möchte, einen Bericht über diese Dinge verfassen zu müssen. Meine Schulterstücke können die Kerle haben. Aber vorher werden von denen etliche draufgehen.“

Er stapfte wütend zur Tür.

„Lieutenant John Forster, Sir!“, meldete da der Wachhabende, der angestrengt zum Fenster hinausgesehen hatte.

Lieutenant John Forster war aus dem Haufen protestierender und johlender Soldaten herausgetreten und kam an der Spitze einer Gruppe von einem Dutzend Meuterern auf die Kommandantur zu.

Varga ließ Degen und Revolver sinken. „Wer zum Teufel, hat den Lieutenant aus dem Arrest entlassen? Er führt die Meuterei an!“

McDaniel blickte betroffen auf Forster. Dann ging er hinaus.

„Mit Meuterern verhandelt man nicht!“, rief Varga. „Das sind Forsters Worte. Jagen Sie ihm eine Kugel durch den Schädel.“

McDaniel schlug die Tür hinter sich zu, lief durch den Flur und blieb dann unter dem Vordach stehen.

John Forster kam mit den Soldaten näher, die prompt die Karabiner durchluden und entsicherten, als Forster stehenblieb und hämisch salutierte.

„Geben Sie das Kommando ab, Captain McDaniel!“, verlangte er.

„An Sie?“

„Jawohl, Sir!“, versetzte John Forster trocken.

„Wäre nicht Captain Varga vor Ihnen an der Reihe?“

„Die Männer verlangen das. Ich habe mich dazu nicht gedrängt.“

Captain McDaniel blickte zum Appellplatz. Dort war jetzt Ruhe eingetreten. Mannschaften und Unteroffiziere schauten gespannt herüber. Dann sah er Forster wieder an, den es offensichtlich freute, ihm in dieser Situation gegenüberzustehen.

„Ich sehe, die Männer scheinen darauf zu warten, dass Sie das Bataillon übernehmen, Forster. Aber das müssen Sie mir erklären.“

„Die Männer sehen nur eine Chance am Leben zu bleiben, wenn sie das Fort sofort räumen können.“

„Forster! Die Berichte der drei Deserteure lassen eher eine gegenteilige Taktik angemessen erscheinen.“

„Sie sind falsch unterrichtet, Captain!“, grinste Forster. „Red Cloud ist mit seinen Horden noch im Aufmarsch begriffen. Mit einer starken Einheit ist sein Ring noch zu durchbrechen.“

„Das ist möglich“, erwiderte McDaniel. „Aber dazu hat der Kommandeur von Fort Wells, wer immer es auch sei, keinen Befehl.“

„Ich betrachte mich nicht mehr als Offizier der Armee“, sagte John Forster.

„Sie sind ja wahnsinnig, Forster!“, schnaufte McDaniel. „Nur weil Sie die Armee plötzlich hassen, schwingen Sie sich zum Anführer einer Meuterei auf, die viele dieser Burschen da drüben nur mitmachen, weil sie plötzlich organisiert ist. Sie treiben achtzig Männer ins Unglück.“

„Sie werden Ihren Ruhm verlieren, McDaniel, aber dafür werden achtzig Männer am Leben bleiben.“

„Zuerst meinen Vater, dann Agenin, nun achtzig Soldaten, nur um mich zu treffen, Forster!“

„Ihre Unfähigkeit, die A-Kompanie zur Disziplin zu zwingen, hat das alles in Bewegung gebracht!“, zischte Forster. „Klagen Sie nicht andere an, sondern Ihre eigene verdammte Unzulänglichkeit.“

„Forster, Sie stehen unter Arrest. Und dabei bleibt es!“, schrie McDaniel und griff zum Revolver. Er hätte Forster erschossen. Er war entschlossen, es zu tun. Doch ehe er den Revolver herausbekam, krachte ein Karabiner.

Captain McDaniel zuckte getroffen zusammen, starrte überrascht auf den Soldaten, der geschossen hatte, und brach zusammen.

Varga, Benson und der wachhabende Lieutenant kamen aus der Kommandantur, Säbel und Revolver in den Fäusten.

„Feuer!“, brüllte Forster.

Die drei Offiziere rannten förmlich in die Salve der Meuterer hinein.

„Sanitäter!“, rief Forster, als die Offiziere auf dem Boden lagen. Er nahm ein Messer aus der Tasche und schnitt sich die Lieutenantsstücke von den Schultern.

„Die militärische Ordnung bleibt jedoch bestehen, bis wir Red Clouds Ring durchbrochen haben“, sagte er zu den Männern, die neben und hinter ihm standen. „Sergeant Boulder übernimmt die B-Kompanie. Reiter Tawa führt ab sofort die C-Kompanie, die Rekruten übernimmt Laslow. Der Master-Sergeant bleibt in Amt und Würden und ist ab sofort mein Stellvertreter. – Fertigmachen zum Aufbruch! Das Bataillon verlässt in einer Stunde Fort Wells.“

Das war in den Ohren der Soldaten Musik, wie alle Befehle, die noch kamen. Von einem Augenblick zum anderen übernahm der nun ehemalige Lieutenant John Forster das Kommando. Mit Schwung und Elan. Doch er hatte seine Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Und der Wirt hieß in diesem Falle Red Cloud.

Die Mannschaft von Fort Wells befand sich mitten im Aufbruch, als plötzlich Alarmschüsse auf dem Turm über dem Tor fielen. Forster hatte inzwischen in der Kommandantur Quartier bezogen. Er trat sofort vor die Tür.

Der Master-Sergeant kam vom Tor her über den Platz gerannt. „Weiße, Mr. Forster!“, meldete er. „Fünf Weiße kommen von Osten her auf das Fort zu. Aber das ist nicht das Schlimme. Sie werden von einer Meute von fast vierhundert Apachen verfolgt.“

Forster stieg mit dem Master-Sergeanten die Treppe zum Turm hinauf. „Da drüben, Mr. Forster, da nähert sich noch ein Pulk.“

Forster ließ sieh ein Glasgeben.

„Das sieht mir nach einem Angriff auf das Fort aus, Sir“, krächzte der Master Sergeant. „Jedenfalls könnte sich ein Angriff daraus entwickeln.“

Forsters Blick glitt rasch in die Runde. „Alarmstufe eins, Master-Sergeant!“, rief er. „Und die Männer sollen um Himmels willen gehorchen, oder diese Handvoll Apachen wird uns überrennen. Sobald der Angriff abgeschlagen ist, brechen wir aus. Aber erst einmal alles auf die Palisaden, oder wir werden das nicht überleben.“

Der Master-Sergeant gab den Befehl an die Hornisten weiter. Als die Clairons zu schmettern begannen, kamen die Soldaten zwar aus den Unterkünften geströmt, doch keiner dachte auch nur im Traum daran, seine Stellung auf den Palisaden einzunehmen.

„Wieder so ein verfluchter Trick, um uns an die Kandare zu nehmen!“, schimpften Soldaten vor einer Baracke der C-Kompanie.“

„Indianer!“, brüllte da ein Corporal vom Turm herunter. „Wirklich, Leute!“

Einige Soldaten bequemten sich und stiegen die Treppen und Leitern empor, um nachzusehen, was an dem Alarm dran sei. Doch als sie zu schreien und zu winken begannen, kam endlich Bewegung in die Besatzung. Eine Minute später war Fort Wells tatsächlich noch einmal verteidigungsbereit.

„Eine volle Minute!“, fuhr Forster den Master-Sergeanten an und steckte die Uhr ein. „Ich hatte angeordnet, dass die militärische Zucht und Ordnung aufrechterhalten bleiben muss, bis wir durch Red Clouds Ring sind. Sollten die Männer das nicht begreifen wollen, schmeiße ich den Kram hin. Es gehört nicht zu meiner besonderen Seligkeit, diesen Haufen von Banditen und Meuterern anzuführen. Versuchen Sie gefälligst das den Leuten zu erklären.“

Der Master-Sergeant salutierte.

Marshals und Gunfighter: 7 glorreiche Western

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