Читать книгу Mörder Nummer eins: 5 Krimis - Pete Hackett - Страница 13
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Von dem Vorfall in England hatten wir natürlich keine Ahnung. Also hatten wir auch nicht den leisesten Schimmer, dass die Sache schon bald in New York gewaltige Wellen aufpeitschen und uns hineinreißen würde in den Strudel des Verbrechens, dass das Schicksal es also nicht besonders gut mit uns meinte.
Seit dem Grand-Slam-Turnier in Wimbledon waren fast sechs Wochen vergangen.
Milo und ich waren dem Syndikats-Gangster Tom Hooker auf der Spur. Wir vermuteten, dass er seinen eigenen Boss, den langsam alt werdenden Billy Tompkin samt seinem Oldsmobile in die Luft gesprengt hatte.
Bill Tompkin war ein 62-jähriger Mafioso. Er residierte in SoHo. SoHo steht für South of Houston Street. Künstler hatten hier in den 70er Jahren leerstehende Fabrikhallen in Wohnungen und Ateliers verwandelt. Zwischenzeitlich war SoHo zu einem der nobelsten Einkaufsviertel New Yorks avanciert.
Bill Tompkin hatte seine Schaltzentrale in einem der Cast Iron Buildings mit Fassaden aus kunstvoll gegossenen Metallteilen in der Mercer Street etabliert.
Von hier aus hatte er unter dem Deckmantel des erfolgreichen Immobilienmaklers den Rauschgifthandel, die Schutzgelderpressung und die illegale Prostitution in South Manhattan dirigiert.
Am vorangegangenen Abend war er, als er in der Tiefgarage in seinen Wagen stieg, mit einem Donnerknall in die Hölle gefahren.
Es gab zwei Möglichkeiten, wenn ein Gangsterboss gewaltsam das Zeitliche segnete, ohne dass Polizei im Spiel war: Entweder war er innerhalb des eigenen Syndikats in Ungnade gefallen und man wollte einen Nachfolger an seine Stelle setzen, der das Vertrauen der anderen Gangster genoss. Oder ein anderer Verbrecher wollte sich als ungekrönter König der Unterwelt an seine Stelle schwingen, um kräftig abzusahnen.
Möglichkeit eins schlossen wir aus, denn das Tompkin-Syndikat war ein echter Familienbetrieb, und es war kaum anzunehmen, dass einer der beiden Tompkin-Söhne den eigenen Vater aus dem Geschäft bombte.
Tom Hooker, der Killer des Tompkin-Clans, schien plötzlich die Seiten gewechselt zu haben.
Er war spurlos verschwunden.
Wir waren immer wieder mal an Billy Tompkin dran gewesen in der Vergangenheit. Aber der alternde Mafioso hatte für alles seine Handlanger. Er selbst machte sich nie die Hände schmutzig. Ihm war nie etwas nachzuweisen gewesen. Wenn einer seiner Leute erwischt wurde, schwieg er aus Angst vor Rache.
Von einem V-Mann wussten wir, wo Tom Hookers Gespielin wohnte. Ihr Name war Lesley Clayton. Sie lebte in einer Dachterrassenwohnung in Kips Bay, genauer gesagt in der 29. Straße Ost.
Als wir an Lesleys Wohnungstür klingelten, geschah erst mal gar nichts. Wir hatten aber von der Straße aus Licht in ihrer Wohnung gesehen, und daher legte Milo noch einmal den Daumen auf die Glocke.
Dingdong, dingdong, dudelte sie.
Jetzt sah ich Licht hinter dem Türspion aufblitzen, als innen die Klappe zur Seite geschoben wurde.
„Machen Sie auf, Miss Clayton!“, rief ich. „Wir wissen, dass Sie da sind.“
Die Tür wurde eine Handbreit aufgezogen. Die Sicherungskette spannte sich. Ein Teil von Lesley Claytons Gesicht wurde sichtbar. Wir sahen wasserstoffblond gefärbte Haare, ein Auge, einen Nasenflügel und einen halben, knallrot geschminkten Mund. Der andere Teil des Gesichts war hinter der Tür verborgen.
„Was wollt ihr, und wer seid ihr?“, fragte sie mit rauchiger Stimme. Aufmerksam und erwartungsvoll, fast fordernd, musterte sie meinen Partner und mich.
„Wir suchen Ihren Freund, Miss Clayton.“
„Welchen?“, kam es schroff. „Ich habe viele Freunde.“
„Ihren Freund Tom Hooker“, warf Milo hin.
In ihren Blauaugen sah ich ein kurzes Aufflackern, dann stieß sie hervor: „Den hab ich schon seit Wochen nicht mehr gesehen. Ich ...“
„Sie haben doch nicht etwa ein Problem mit den Augen, Miss“, tat Milo besorgt. „Wir wissen aus zuverlässiger Quelle, dass er erst vergangene Nacht bei Ihnen war, Miss.“
Natürlich wussten wir gar nichts. Milo klopfte auf den Busch. Aber das war ein legitimes Mittel.
„Ihr seid Bullen, wie?“, giftete sie plötzlich.
„Agenten“, verbesserte ich. „FBI-Agenten. Ich bin Special Agent Trevellian“, ich wies auf Milo, „Special Agent Tucker. Bullen, Ma‘am – was für eine profane Ausdrucksweise?“
„Für Kerle wie euch hab ich noch ganz andere Ausdrücke in meinem Repertoire“, fauchte sie, und ihre Augen versprühten gehässige Blitze. „Verschwindet. Ich weiß nichts von Tom Hooker.“
Die Tür flog krachend zu.
Wir schauten uns an. „Ich glaube, die mag uns nicht“, gab Milo trocken zu verstehen. „Kannst du dir einen vernünftigen Grund dafür denken?“
„Nein.“ Ich legte noch einmal den Finger auf die Glocke.
Kaum bimmelte es, riss sie auch schon wieder die Tür auf, die jähen Widerstand an der Sicherungskette fand und beinahe wieder zuflog. Ich vermutete, dass sie hinter der Tür gelauert hatte in der Erwartung einer zweiten feindseligen Attacke unsererseits mit dem Klingelknopf. „Ihr habt wohl Dreck in den Ohren?“, keifte sie. „Lasst mich in Ruhe.“
Sie wollte die Tür wieder zuknallen, aber da hatte ich schon meinen Fuß dazwischen. Langsam verging auch mir der Humor.
„Wir können Sie auch förmlich vorladen, Miss!“, herrschte ich sie grimmig an. „Was halten Sie davon, wenn wir Sie im Field Office antanzen lassen. Wir werden uns dann alle Zeit der Welt für Sie nehmen, bis Ihnen einfällt, wo wir Ihren Lover finden.“
„Du spinnst wohl, Bulle. Tom ist nicht mein Lover. – Aber okay. Was wollt ihr?“
Meine Drohung, sie im Federal Building zu vernehmen, hatte gewirkt. Wahrscheinlich war die New Yorker FBI-Zentrale für sie dasselbe wie das Innere der St. Johns Cathedral für einen Vampir.
Sie zeigte sich plötzlich verträglich und kooperativ. Sie hängte sogar die Kette aus und zog die Tür weit auf.
„Das sagten wir schon“, erwiderte ich. „Wir suchen Tom Hooker.“
„Weshalb?“
„Nun, wir vermuten, dass er gestern Abend den guten alten Bill Tompkin mit einer Autobombe zum Teufel gesprengt hat.“
Sie lachte schallend auf. „Du bist wohl besoffen, G-man. Er würde doch nicht seinen ...“ Sie brach erschreckt ab, verschluckte sich fast, hüstelte und wich meinem Blick aus.
„... Brötchengeber?“, vollendete ich fragend. „Wollten Sie das sagen, Miss Clayton?“
„Unsinn. Ich wollte gar nichts sagen.“ Sie hob das Gesicht und schaute mich trotzig an. „Tut mir leid, G-men. Ich kann euch nicht weiterhelfen. Versucht es anderswo.“
„Würden Sie uns in Ihre Wohnung lassen, Miss Clayton?“, fragte Milo – eine rein rhetorische Frage.
„Euch – in meine Wohnung? Nein!“, dehnte sie. „Es sei denn, ihr habt einen Durchsuchungsbefehl. Aber den habt ihr nicht.“
Zuletzt hatte ihre Stimme ziemlich triumphierend geklungen.
Ich zuckte mit den Schultern. Ich hätte ihr jetzt erklären können, dass seit den niederträchtigen, feigen Anschlägen vom 11. September bei Verfolgung von Straftaten kein Durchsuchungsbefehl mehr vonnöten war, um in eine Wohnung einzudringen.
Eigentlich waren wir aber nur gekommen, um ihr einige Fragen wegen Tom Hooker zu stellen. Dazu brauchten wir nicht ihre Wohnung auf den Kopf zu stellen.
„Nichts für ungut, Miss“, sagte ich deshalb nur. „Komm, Milo.“
Sie schloss die Tür. Wir stiegen die vier Stockwerke hinunter und standen auf der Straße.
„Wo wird diese Lady wohl anschaffen?“, kam es von Milo. „In ihrer Wohnung, auf der Straße, oder in einem als Nachtbar getarnten Puff?“
„Das hätten wir sie noch fragen können“, versetzte ich und schaute auf die Uhr. Es war fast 10 Uhr abends. „Na schön, Milo“, meinte ich. „Heute gewinnen wir sicherlich keinen Blumentopf mehr auf der Suche nach Hooker. Pflanzen wir unsere Bodys in den Sportwagen und fahren wir was essen.“
Wir hatten keine Ahnung, wie nahe wir Tom Hooker gewesen waren.
Als ich mich mit dem Wagen in den Verkehr einfädelte, achteten weder Milo noch ich weiter auf das Haus, in dem Lesley Clayton wohnte. Uns entging daher der Kerl, der sich aus der Haustür schob, kurze Zeit hinter den Rücklichtern meines Wagens herschaute, und dann durch das Gewölbe der Einfahrt in den Hinterhof rannte.
Er schwang sich auf ein schweres Motorrad, schob es vom Ständer, stülpte sich den Helm über, der am Lenker hing, und klappte das Visier herunter. Der Motor der 1200er Maschine sprang an. Die Suzuki rollte aus dem Hof. Der Lichtbalken des Scheinwerfers bohrte sich in die Dunkelheit.
Der Bursche folgte uns.