Читать книгу Mörder Nummer eins: 5 Krimis - Pete Hackett - Страница 22
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Als wir am folgenden Tag bei Lesley Clayton erschienen, um sie mit zum Federal Building zu nehmen, öffnete uns niemand. Es war zu einer Zeit, zu der sie normalerweise noch im Bett lag. Bei Lesley begann der Tag erst richtig mit Einbruch der Dunkelheit.
Irgendein unbestimmtes Gefühl sagte mir, dass etwas nicht stimmte.
Milo schien ein ähnliches Empfinden zu haben. Wortlos holte er sein Spezialwerkzeug aus der Jackentasche, mit dem er so ziemlich jedes Schloss öffnen konnte.
Eine Minute später standen wir in der Wohnung.
Wir fanden Lesley Clayton im Livingroom. Leblos lag sie vor dem Sessel am Boden. Ihre gebrochenen Augen starrten uns an. Ein dünnes, rotes Würgemal um ihren Hals verriet uns, auf welche Weise sie vom Leben zum Tod befördert worden war.
Ich spürte eine jähe Trockenheit in der Kehle.
„O verdammt“, entfuhr es Milo. „Da hat sich noch jemand für den Aufenthalt von Tom Hooker interessiert. Und weil Lesley ihren Mörder sah, musste sie sterben.“
Mein Partner rief das Police Departement an und bat, die Mordkommission zu schicken.
Schon bald traf ein ganzer Konvoi von Einsatzfahrzeugen mit heulenden Sirenen und rotierenden Lichtern auf den Autodächern ein. Wir erstatteten dem Einsatzleiter Bericht. Die Kollegen von der Spurensicherung machten sich an die Arbeit. Ein Staatsanwalt erschien.
Als wir auf dem Weg zur Federal Plaza waren, sagte ich: „Irgendwie fühle ich mich mitschuldig an ihrem Tod, Milo. Geht es dir nicht auch so?“
„Wir haben uns nichts vorzuwerfen, Jesse“, murmelte mein Freund und Partner. „Sie hat ein heißes Eisen angefasst, als sie Tom Hooker deckte. Wir haben sie gewarnt. Ihr war nicht unbekannt, dass nicht nur wir von ihr das Versteck Hookers wissen wollten. Aber scheinbar hat sie unsere Warnung nicht ernst genug genommen.“
Recht hatte er. Dennoch tröstete es mich nicht so richtig. Ich wurde das Gefühl nicht los, einen Fehler begangen zu haben.
Aber solche depressiven Phasen hat, glaube ich, jeder mal.
Ich steuerte den Buick in die Tiefgarage, dann fuhren wir mit dem Aufzug in dem Building in die Höhe. In den Stockwerken 22, 24, 25 und 26 war das FBI untergebracht.
Wir ließen uns beim Chef anmelden.
Mandy fragte uns, ob wir Kaffee wollten.
Ja, den hatten wir verdammt nötig.
Mr. McKee forderte uns auf, Platz zu nehmen. Wir ließen uns am Besuchertisch nieder.
„Sie beide sehen aus, als hätten Sie eine schlechte Nacht hinter sich“, begann der Chef und musterte uns aufmerksam.
„Wir kommen soeben von Lesley Clayton“, erklärte ich. „Sie ist tot. Ermordet – wahrscheinlich mit einer Schnur oder einem Telefonkabel erwürgt.“
Mr. McKees Brauen schoben sich zusammen. Seine aristokratischen Gesichtszüge schienen für die Spanne eines Herzschlags zu entgleisen, seine Lippen sprangen auseinander: „Der Tompkin-Clan!“
Mehr sagte er nicht, mehr brauchte er auch nicht zu sagen.
Ich nickte. „So ist es, Sir. Das Syndikat sucht genauso fieberhaft nach Tom Hooker wie wir. Und die Schufte wussten ebenso wie wir, dass die Spur zu ihm nur über Lesley Clayton führt. Allerdings nur bis gestern Abend, denke ich. Nachdem ihn Lesley gestern durch ihre Unachtsamkeit um ein Haar auffliegen ließ, wird Hooker nach seiner erneuten Flucht keine Verbindung mehr mit ihr aufgenommen haben.“
„Der oder die Mörder versuchten, sein Versteck aus Lesley herauszuprügeln“, mischte sich Milo ein. „Ihre Lippen waren aufgeschlagen, Kinn und Hals voll von eingetrocknetem Blut. Außerdem hatte sie leichte Blutergüsse an beiden Seiten des Halses, als hätte eine Hand ihn umspannt und sie gewürgt.“
Versonnen starrte Mr. McKee auf einen imaginären Punkt an der Wand. Mandy kam herein und brachte Tassen sowie eine Kanne Kaffee. Sie schenkte uns lächelnd ein, ich lächelte etwas verkrampft zurück. Milo bedankte sich, und es wirkte ebenfalls ziemlich geistesabwesend.
„Dann ist es also Tatsache, dass Hooker die Seiten gewechselt hat“, ließ Mr. McKee unvermutet seine Stimme erklingen. Mandy hatte das Büro wieder verlassen. Mr. McKees Stimme sprengte die eingetretene Stille regelrecht.
„Ja. Entweder, er hat sich selbständig gemacht und den Ehrgeiz entwickelt, die Tompkins von ihrem Platz zu verdrängen, oder er hat einen Herrn gefunden, der sich dasselbe zur Aufgabe gemacht hat und der bedeutend bessere Konditionen bietet als Billy Tompkin.“
„Das heißt, Hooker macht weiter. Solange Fred und Harry Tompkin leben, steht der Clan auf festen Fundamenten. Und jeder, der in ihre Domäne einzudringen versucht, fällt sehr schnell auf die Nase. Also müssen die Brüder beseitigt werden.“
„Die Beerdigung Bill Tompkins!“, entfuhr es Milo. Es kam wie aus der Pistole geschossen. „Eine günstigere Gelegenheit gibt es für einen Killer nicht, als die beiden am Grab umzulegen.“
„Dann gehen wir eben zu dem Begräbnis“, schlug ich vor. „Aber so, dass uns weder die Brüder noch der Killer sehen.“
Der Chef nickte. „Nicht nur Sie beide, Jesse. Wir werden die Grabstelle hermetisch abriegeln, ohne dass irgendjemand von der Trauergemeinde etwas bemerkt. Sie beide allein könnten nicht verhindern, dass der Killer zum Schuss kommt. Sie würden ihn hinterher sicherlich schnappen – aber einer der Brüder Tompkin würde nichts mehr davon haben.“
„Vielleicht erwischen wir Hooker auf dem Friedhof“, murmelte Milo. „Dann müssen wir ihn nur noch dazu bringen, mit uns über seine Beweggründe zu plaudern.“
„Und dann gilt es, den Mord an Lesley Clayton aufzuklären“, ließ sich der SAC vernehmen.
„Wir werden unser Möglichstes tun, Sir“, versprach ich.
„Wir werden alles geben“, setzte Milo noch eins drauf, und als ich ihn von der Seite anschaute, erkannte ich, wie ernst es ihm war. Der sinnlose Mord an der Prostituierten hatte auch ihn tief erschüttert.
„Dessen bin ich mir sicher“, erwiderte der Chef. „Aber jetzt trinken Sie Ihren Kaffee, ehe er kalt wird.“ Der Chef schmunzelte. „Allein der Duft könnte einen Toten zum Leben erwecken.“