Читать книгу Mörder Nummer eins: 5 Krimis - Pete Hackett - Страница 34
25
ОглавлениеDirk Peppard war in dem Bungalow in seinem Büro. Er diktierte seiner Sekretärin gerade einen Brief, als wir auftauchten. Er bat uns herein und schickte die Sekretärin fort.
„Vom FBI kommt ihr also“, begann er, als wir alle Platz genommen hatten. Er schien keineswegs nervös oder sonst irgendwie beunruhigt zu sein. Er stellte die Ellenbogen auf den Tisch, verschränkte die Finger ineinander und legte sein Kinn drauf. „Eigentlich habe ich nach allem, was es schon wieder an Rummel gegeben hat, erwartet, dass ihr aufkreuzt.“
„Es geht um die Morddrohung, die Jane Snyder und ihrem Manager ins Haus flatterte“, sagte ich.
„Und Annie, beziehungsweise ich stehen auf der Hitliste der Verdächtigen an vorderster Stelle, stimmt‘s?“
„Es gibt keine Hitliste Verdächtiger, Mr. Peppard“, warf Milo hin. „Eigentlich gibt es wirklich nur Annie und Sie, die Interesse daran haben, dass Jane Snyder zermürbt und demoralisiert wird und vielleicht sogar kampflos das Feld räumt. Wo ist Annie überhaupt?“
„Beim Training. – Wissen Sie eigentlich, dass Annie wieder einen Strauß roter Rosen erhielt? Genauso wie in Wimbledon. Eine Karte war dabei. Sie beinhaltete wieder das Versprechen, sie zur Nummer eins zu machen.“
„Blumenstrauß und Karte sind kein Beweis, dass nicht Annie selbst hinter der Aktion steht, oder ...“
„... dass ich dahinterstecke“, unterbrach Peppard meinen Partner. „Das ist mir schon klar. Leider habe ich nichts, womit ich Ihren Verdacht zerstreuen könnte, G-men.“
Und wir hatten nichts, was den Verdacht erhärtete. Bisher konnten wir uns nur von unseren Vermutungen leiten lassen. Und Peppards Art, sich zu geben, sein ganzes Verhalten, ließ nicht den Schluss zu, dass wir mit unserer Vermutung ins Schwarze trafen.
Peppard hub wieder an. „Eines aber dürfte bewiesen sein, G-men ...“
„Und das wäre?“
Peppard schoss Milo wegen der Unterbrechung einen wütenden Blick zu. Dann stieß er hervor: „Dass ich Sven Sanborn, jenen Narren, der in der Nacht auf gestern hier einzudringen versuchte, weder zusammen geschlagen habe noch zusammenschlagen ließ.“
„Ich möchte Ihnen gern glauben, Mr. Peppard“, sagte ich. „Aber welchen Beweis haben Sie für diese Behauptung anzubieten?“
„Nun, ich konnte weder wissen, ob und wann der Dummkopf aus der U-Haft entlassen wird, noch habe ich gestern das Haus hier verlassen. Die Medienleute rannten uns nach dem Zwischenfall Tür und Tor ein. Das sind zwei Fakten. Der dritte Punkt ist die Frage nach dem Grund. Selbst wenn ich mit Nötigung und Erpressung versuchen sollte, Annie auf Platz eins zu hieven, was brächte es mir, wenn ich einen etwas überdrehten Fan halbtot prügeln ließe? Es wäre allerhöchstens negative Publicity, und das kann der Todesstoß für jede Art von Karriere sein.“
„Es waren dieselben Kerle, die Rich Delaney nach dem Wimbledon-Spiel niederschlugen“, erklärte ich.
„Denken Sie nur nicht, dass der Kerl, der hinter diesen Schweinereien steckt, Annie einen Gefallen erweist“, schnappte Peppard. „Im Gegenteil. Vielleicht will er auch gar nicht ihr einen Gefallen erweisen, sondern nur sein eigenes Ego befriedigen. Solche Perverslinge soll es geben. – Annie macht die ganze Angelegenheit fix und fertig. Sie sprach schon davon, gar nicht erst bei den US-Open anzutreten. Ich hatte Mühe, sie davon abzubringen, zusammenzupacken und nach Texas abzureisen.“
„Der Gedanke ist gar nicht so unvernünftig“, tat Milo kund.
Peppard schaute ihn an wie ein Uhu. Seine Lider zuckten. „Dann wäre alles, was wir an Vorbereitung investiert haben, umsonst gewesen“, knurrte er dann. „Im Endeffekt hieße das, Annie könnte sich aus dem aktiven Tennissport verabschieden. Weiß ein Mensch denn, ob der Zirkus nicht wieder von vorne anfängt, wenn Annie ihre Teilnahme bei irgendeinem Turnier im nächsten oder übernächsten Jahr meldet? Es wäre aus sportliche Aus für Annie.“
An der Tür klopfte es.
„Ja“, rief Peppard.
Die Sekretärin öffnete und schob ihren Kopf herein. „Annie ist soeben vorgefahren, Dirk“, sagte sie.
„Sie soll sofort hereinkommen“, trug Peppard ihr auf.
Der Kopf verschwand wieder aus dem Türspalt.
Zwei Minuten später betrat Annie Hewitt den Raum. Sie trug noch Trainingskleidung und machte einen etwas abgehetzten Eindruck. Sie schüttelte Milo und mir die Hand, dann setzte sie sich.
Sie war ein ausgesprochen hübsches Geschöpf. Offen schaute sie uns an. Der erste Eindruck sagte mir, dass dieses Mädchen nicht Drahtzieher der finsteren Machenschaften im Hickhack um Platz eins der Weltrangliste im Damentennis war. Soviel Menschenkenntnis glaubte ich zu besitzen. Wobei das nicht immer Garant dafür ist, dass einen dieser vermeintlich untrügliche Instinkt nicht auch mal schmählich im Stich lässt.
„Die Sache mit der Morddrohung gegen Jane Snyder und ihren Manager macht Ihnen ziemlich zu schaffen“, sagte ich.
„Es kostet mich den letzten Nerv“, bestätigte Annie und wirkte bedrückt. „Nicht nur die Sache selbst. Bei jedem, der mich ansieht, habe ich das Gefühl, er denkt, dass ich dahinterstecke. Die anderen Mädchen, mit denen ich zusammentreffe, behandeln mich zwar höflich, aber ihnen ist es lieber, wenn sie mir aus dem Weg gehen können. Beim Training haben mich einige Zuschauer ausgebuht. Einer rief mir zu, ich solle den Tennisschläger an den Nagel hängen und auf unserer Ranch in Texas Kühe züchten, wenn ich es nicht ertragen könne, dass andere besser seien als ich.“
Plötzlich hatte Annie Tränen in den Augen. Ihre Stimme brach. „Ich – ich halte das alles nicht mehr lange aus. Wenn dieser Albtraum nicht bald endet, werfe ich wirklich den Schläger in die Ecke und züchte Kühe.“
„Sie kommen von einer Ranch?“, fragte ich.
Annie nickte. „Sie gehört meinem Stiefvater. Meine Mutter heiratete ihn, als ich sieben Jahre alt war.“
„Und ihr richtiger Vater? Ist er gestorben, oder ...“
„Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich fünf war. Mein richtiger Vater heißt Jackson – Donald Jackson. Er entstammte einer reichen Familie. Er verschwand damals, und ich habe nie wieder etwas von ihm gehört. Ich kann mich auch gar nicht mehr so richtig an ihn erinnern. Bei uns zu Hause ist es verpönt, seinen Namen zu nennen. Ich glaube, meine Mutter hasst ihn.“
„Er hat deiner Mutter das Leben zur Hölle gemacht, Annie“, mischte sich Peppard ein. „Er war ein Tyrann. Er demütigte sie in den sechs Jahren, in denen sie verheiratet waren, mehr als ein Mensch zu ertragen im Stande ist. Darum hasst sie ihn, und darum will sie nicht einmal mehr seinen Namen hören.“
Dirk Peppard wandte sich an Milo und mich. „Er kam aus einer Familie, auf deren Weidegründen unten in Texas um die Jahrhundertwende Öl gefunden wurde. Damit wurden die Jacksons steinreich. Donald war so etwas wie das schwarze Schaf. Aber es reichte nicht, um ihn enterben. Nach der Scheidung von Annies Mutter jagte ihn sein eigener Vater aus dem Haus. Allerdings gab er ihm ein hübsches Trostpflaster in Form einiger Millionen Dollar mit auf den Weg.“
In meinem Kopf liefen die Leitungen heiß. Ich wechselte einen Blick mit Milo. Und in dessen Kopf schien der Arbeitsspeicher wie in meinem zu rotieren.
„Wieso heißen Sie Hewitt und nicht Jackson?“, hörte ich Milo fragen.
„Mein Stiefvater hat mich adoptiert. Damit erhielt ich automatisch seinen Namen.“
„Gibt es einen Anhaltspunkt, wo sich Donald Jackson aufhalten könnte?“, fragte ich.
„Wo hält sich einer, dem jegliches Gefühl für Verantwortung fehlt und der einige Millionen auf dem Konto hat, wohl auf?“, knurrte Dirk Peppard.
„Na, sagen Sie‘s uns schon“, murrte Milo. „Wir wissen es nicht. Uns fehlen die Millionen.“
„Na, dort, wo das süße Leben stattfindet. Es gibt tausend Plätze auf der Welt ...“
„Jetzt wissen wir‘s, Jesse“, kam es lakonisch von Milo. „Also gehen wir hin und fragen wir Donald Jackson, was er treibt, wenn er nicht gerade seine Greenbucks auf den Kopf haut.“
„Machen Sie sich nicht lustig, Mann“, wies ihn Peppard wütend zurecht. „Was interessieren Sie sich überhaupt derart für Donald Jackson?“
„Könnte es nicht sein, dass er nach vielen Jahren des süßen Lebens plötzlich seine Vatergefühle entdeckt hat?“, antwortete Milo unbeeindruckt.
Peppards Kopf stach vor wie der Kopf eines Raubvogels. „Sie denken, dass er der verdammte Schuft ist, der drauf und dran ist, uns alle ins Unglück zu reißen?“
„Können Sie es ausschließen?“, mischte ich mich ein.
Annie verbarg ihr Gesicht hinter den Händen. Ihre Schultern erbebten wie unter einem inneren Krampf. Sie schluchzte.
Peppard erhob sich schnell, trat hinter sie und legte ihr seine Hände auf die Schultern. „Beruhige dich, Kleines“, murmelte er mit weichem Tonfall. An mich gewandt meinte er: „Ich denke, für heute reicht es, G-men. Annie stehen einige Tage harten, sportlichen Wettkampfes bevor, und wenn sie mit einer derart labilen psychischen Verfassung antritt, können wir einpacken. Dann sind wir zum Viertelfinale draußen ...“
„Ich trete nicht an!“, schrie Annie plötzlich und sprang auf. Peppards Hände fielen von ihren Schultern. Einen Moment hatte es den Anschein, als wollte sie fluchtartig das Zimmer verlassen, aber dann bezwang sie sich und sagte mit zittriger Stimme: „Bitte, Dirk, versuch es zu verstehen. Ich kann unter diesen Umständen nicht auf den Platz gehen und gutes Tennis bieten. Ich – ich ertrage das nicht mehr länger. Und wenn es das Aus für meine Karriere ist: Wir lassen die US-Open sausen.“
Annies Stimme hatte zuletzt an Festigkeit gewonnen.
„Gib es den Organisatoren und den Medien bekannt, Dirk. Erfinde von mir aus eine Ausrede. Erzähle ihnen, ich habe mir beim Training die Kreuzbänder gezerrt – erzähle ihnen irgendetwas. Die alte Oberschenkelzerrung ... Jedenfalls brechen wir hier unsere Zelte ab. Wir kehren zurück nach Texas.“
„Das wird aber demjenigen, der Sie an Platz eins sehen will, gar nicht gefallen“, knurrte Milo.
„Das ist mir egal“, kam es fast hysterisch von Annie. Ihre Nerven lagen tatsächlich blank. „Soll er von mir aus zum Teufel fahren.“
Mit ihrer Ruhe war es wieder vorbei. Ihre Zähne schlugen aufeinander wie im Schüttelfrost.
„Setz dich wieder, Annie“, murmelte Dirk Peppard kehlig, mit belegter Stimme, und legte ihr beschützend den Arm um die Schultern. Er führte sie zu ihrem Stuhl und drückte sie mit sanfter Gewalt darauf nieder.
„Bei den US-Open nicht anzutreten wäre im Moment zwar das Vernünftigste“, gab ich zu verstehen, als Annie wieder ruhiger wurde. „Aber es ist nicht des Rätsels Lösung. Denn der Kerl, wer immer es auch ist und was immer ihn auch treibt, wird nicht aufhören, Ihren Gönner zu spielen. – Haben Sie ein Bild von Ihrem Vater?“
„Es gibt im Internet eine Homepage der Jackson Oil Company“, stieß Peppard hervor. „Sie enthält unter anderem einen Stammbaum der Familie, der bis in die Zeit der ersten Besiedlung Amerikas zurückreicht. Nach Erfindung des Fotoapparates hat man diesen Stammbaum mit Bildern versehen.“
„Wenn Donald das schwarze Schaf der Familie ist, dann hat man ihn vielleicht aus der Chronik gelöscht“, gab ich zu bedenken.
„Ich habe mal einen flüchtigen Blick reingeworfen“, bekannte Peppard mit einem schrägen Seitenblick auf Annie. „Donald hat seinen Platz in der Familienchronik beibehalten. Schließlich ist der Stammbaum ja für die Nachwelt bestimmt, und die Bilder verraten nichts vom Charakter des Mannes, den sie darstellen. Donald gehört nun einmal zur Familie.“
Dirk Peppard ging zum Computer und klickte den Internet Explorer an. Es dauerte kurze Zeit, dann hatte er die Seite einer Suchmaschine auf dem Bildschirm. Als Suchkriterium gab er „Jackson Oil“ ein.
Das Ergebnis waren über dreißig Treffer. Peppard stieg durch die einzelnen Seiten, und klickte dann den Link einer Adresse an. Die Sicherheit, mit der er vorging, verriet mir, dass er schon mehr als nur einen flüchtigen Blick auf die Homepage der Jackson Oil Company geworfen hatten.
Nach wenigen Sekunden war das Bild aufgebaut. Peppard klickte noch einige Links an, dann hatten wir die Familienchronik vor Augen. Annies Manager zog den Scrollbalken nach unten. Bei der vorletzten Generation hielt er an. Er fuhr den Cursor auf ein Bild und sagte: „Donald Jackson. Annies Vater!“
„Kann man das größer machen?“, fragte ich, war mir aber nach dem ersten Augenschein schon sicher, den Mann wiedererkannt zu haben, der im hellgrauen Anzug und mit rot-getupfter Krawatte an Billy Tompkins Beerdigung teilgenommen hatte.
„Das ist doch ...“ Milo brach ab.
Wir schauten uns an.
Ich nickte.
Peppard sagte: „Es lässt sich nicht vergrößern. Aber ich kann es ausdrucken. Soll ich?“
„Bitte“, antwortete ich.